B1 oder B2 – und worum geht es eigentlich?

B1, B2, C1 – was für manche nur kryptische Buchstaben- und Zahlenkombinationen sind, ist für Geflüchtete schnell in ihrem alltäglichen Sprachgebraucht verankert. Es handelt sich um die Niveaus der deutschen Sprache, die in Prüfungen getestet und zertifiziert werden. Vor allem für Beruf und Ausbildung sind sie relevant. So denken zumindest die meisten. Stimmt das? Ein Erfahrungsbericht.

Über eine Flüchtlingsinitiative habe ich im letzten Jahr Walid aus Syrien kennengelernt. Er suchte Unterstützung bei der Vorbereitung auf die berüchtigte Prüfung „telc Deutsch B2″, und da ich ehrenamtlich Deutsch unterrichte, habe ich ihm meine Hilfe angeboten. Zur Vorbereitung auf den Prüfungsteil „Schriftlicher Ausdruck“ haben wir uns bei Reiseveranstaltern und Sprachschulen beschwert, bei Restaurants Kostenvoranschläge für Partyverpflegung eingeholt („Bitte um Information“) und uns bei verschiedenen Unternehmen beworben.

Als wir wieder einmal an einem Bewerbungsbrief aus einem Modelltest arbeiteten, fragte ich Walid nach seinem Beruf. Er erzählte mir, dass er Tischler sei. Ich schlug ihm vor, sich gleich nach der B2-Prüfung bei Tischlereien in Hamburg zu bewerben. Wir hatten jetzt ja viel Übung. Walid war damit einverstanden.

Ist B2 überaupt immer relevant?

Also suchte ich im Internet auf „jobs.meinestadt.de“ nach Stellenangeboten für Tischler in Hamburg. Es gab über 100 Treffer. Ich habe mir nur die ersten beiden von insgesamt zehn Seiten angesehen. Dabei fand ich zum Beispiel eine Anzeige, in der ungefähr stand: „Wir suchen einen Mitarbeiter ohne Tätowierungen und Piercings, der nicht morgens schon nach Alkohol riecht.“ In einer anderen Anzeige las ich: „Schreibe uns keine langen Briefe, sondern arbeite einfach mal zwei Wochen zur Probe bei uns mit. Dann sehen wir schon, ob du zu uns passt.“

Von B2 war dagegen in den Anzeigen nie die Rede. Ich fragte mich, wie viele Handwerksmeister in Deutschland eigentlich wissen, was B2 bedeutet, und überlegte: „Vielleicht denken sie sogar, dass B1 besser ist als B2.“ In deutschen Schulen steht die 1 nämlich für die Note „sehr gut“ und die 2 nur für „gut“.

Ich wählte jedenfalls einige Stellenangebote aus und zeigte sie Walid. Die meisten Angebote gefielen ihm und wir verschickten vier Bewerbungen mit Anschreiben, Lebenslauf und B1-Zertifikat. Wenige Tage nach der vierten Bewerbung wurde Walid zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Nach dem Gespräch bot der Inhaber der Tischlerei ihm an, zur Probe zwei Wochen als Praktikant im Betrieb mitzuarbeiten. Schon nach einer Woche entschied der Meister, dass es passt, und Walid bekam einen Arbeitsvertrag. Nach B2 hat sein Chef übrigens tatsächlich nie gefragt.

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