Die Zahl antimuslimischer Übergriffe und Diskriminierungen in Deutschland hat im Jahr 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Laut dem Netzwerk CLAIM wurden insgesamt 3.080 antimuslimische Vorfälle dokumentiert – das ist ein Anstieg von ca. 60 % im Vergleich zum Vorjahr (1926 Fälle). Jeden Tag wurden somit durchschnittlich acht Fälle registriert: 1558 verbale Angriffe, 659 Diskriminierungen, 585 dokumentierten Fälle von verletzendem Verhalten. In 278 Fällen liegt keine Angabe zur Art des Vorfalls vor. Betroffen sind Muslim*innen und andere Menschen, die als Muslime gelesen werden, religiöse Einrichtungen wie Moscheen sowie muslimisch markierte Orte wie Restaurants oder Supermärkte.
Für mich ist der Anstieg von antimuslimischem Rassismus spürbar — und einer der Dinge, die mich am meisten psychisch belasten. Egal ob auf der Straße, in der Schule, auf dem Wohnungsmarkt, in Kommentarspalten oder in behördlichen Einrichtungen: Das Alltagsleben vieler Menschen ist von antimuslimischem Rassismus geprägt. „Wir verzeichnen nicht nur einen massiven Anstieg, sondern auch eine neue Qualität von antimuslimischem Rassismus in Form einer zunehmenden Normalisierung, Enthemmung und Brutalität. Frauen mit Kopftuch werden bespuckt. Kinder werden auf dem Schulweg beschimpft. Moscheen werden mit Hakenkreuzen beschmiert. Menschen verlieren Wohnungen, Jobs, Sicherheit, Würde. Antimuslimischer Rassismus ist keine Randerscheinung – er bedroht die Sicherheit von Menschen, die Teilhabe und das Vertrauen in unsere Demokratie – jeden Tag. Die Bundesregierung muss jetzt handeln – mit einer klaren Haltung und konkreten Maßnahmen“, sagt Rima Hanano, Co-Geschäftsführung von CLAIM.
Laut CLAIM waren in 71 Prozent der dokumentierten Fälle, in denen das Geschlecht der betroffenen Personen bekannt ist, Frauen Ziel der Übergriffe – vor allem sichtbar muslimische Frauen. Auch Kinder sind häufig betroffen. Zum Beispiel in Berlin-Spandau am 29.01.2024: Dort wurde eine Frau von einem unbekannten Mann beleidigt, als sie sich an der Bushaltestelle setzen wollte. Der Mann zog ihr mehrmals ihr Kopftuch herunter, verletzte sie dabei und versuchte, ihren Kopf gegen die Glasscheibe zu schlagen. Ein*e Zeug*in griff ein und rief die Polizei. Während die Polizei dabeistand, wurde die Frau von dem Mann erneut beleidigt. Ein anderes Beispiel wäre in Baden-Württemberg, am 21.06.2024 als ein Schüler der 6. Klasse eines Gymnasiums erzählte, das seine Familie AfD wählt. Nachdem Mitschüler*innen Kritik äußerten, fing er an, explizit „die Muslime“ zu beleidigen und sagte dabei zu einer Mitschülerin: „Ich stecke Schweinefleisch in deinen Mund.“ Zuvor war der Schüler immer wieder durch rassistische und antimuslimische Äußerungen aufgefallen.
Wenn ich von solchen Vorfällen höre, werde ich sehr nachdenklich. Wenn ich die Kommentarspalten in den sozialen Medien oder bei Nachrichtenseiten lese, frage ich mich, ob diese Menschen wirklich dieselben sind, denen ich täglich begegne. Ich fühle mich unwohl, wenn ich daran denke, dass diese Menschen, die ich in der Bahn, im Supermarkt oder auf der Straße sehe, auch solche rassistischen Gedanken haben könnten.
Diese Zahlen führen dazu, dass ich über meine Zukunft in Deutschland nachdenke. Immer mehr habe ich das Gefühl, dass es hier keine gute Atmosphäre gibt, um eine Familie zu gründen. Immer mehr denke ich darüber nach, auszuwandern, um mich und meine Familie vor antimuslimischen Übergriffen zu schützen.
Zur Bekämpfung von antimuslimischem Rassismus und zum Schutz Betroffener formuliert CLAIM im Lagebild insgesamt 10 zentrale Handlungsempfehlungen. Hierzu gehören unter anderem eine bessere Erfassung, mehr Schutz und Beratung für Betroffene und finanzielle Absicherung von zivilgesellschaftlicher Arbeit. Es ist höchste Zeit, dass Zivilgesellschaft und Politik etwas unternehmen, damit muslimische Menschen sich sicher in Deutschland fühlen können.