Foodprints – so vielfältig is(s)t Hamburg

Der Dokumentarfilm Foodprints Hamburg zeigt die kulturelle Vielfalt der Stadt anhand von Gerichten aus verschiedenen Ländern. Im Gespräch mit Regisseur Mohammed Adawulahi geht es um seinen frisch zubereiteten Film und die Arbeit von The Other Project. Die Vision des Vereins ist, dass sich alle Einwohner*innen Hamburgs zu Hause fühlen, ihnen alle Türen offen stehen und Vielfalt als Chance begriffen wird.

Foodprints

Bo La Lot, Bacalhau und Injera – beim Schauen von Foodprints Hamburg läuft einem nicht nur das Wasser im Mund zusammen, sondern man erfährt auch jede Menge Interessantes über die kochenden Protagonist*innen. Diese erzählen – wie es Foodprints im Filmtitel schon erahnen lässt – unter anderem über ihre kulturellen Wurzeln, die Bedeutung von Essen und ihre Beziehung zu Hamburg. Außerdem zeigt der Film historische Zusammenhänge und spannende Fakten zum Thema Migration nach Hamburg.

Foodprints Hamburg – eine kulinarische Reise

Regisseur Mohammed Adawulahi und die Sängerin und Fotografin Anri Coza besuchen im Film zuerst die Schwestern Trinh und Trang. Beim Essen erzählen die Hamburgerinnen von ihrer Mutter, die aus Vietnam flüchtete und vom Rettungsschiff Cap Anamur gerettet wurde. Trinh und Trang kochen Bo La Lot (Rindfleisch in Lotusblättern), ein traditionelles vietnamesisches Gericht, das ihnen ihre Mutter beibrachte. Auch die Portugiesin Diana bereitet ein Familienrezept zu: Bacalhau, ein Kabeljaugericht. Sie kam ursprünglich mit ihrem Exmann nach Hamburg.

Mittlerweile hat Diana ihre ehemalige toxische Beziehung hinter sich gelassen. Als Life Coach will sie anderen helfen, ihr Leben ebenfalls zu verbessern. Das dritte Gericht des Films – Injera, Sauerteig-Fladenbrot mit Gemüse – wird von Asmara, Samuel und Semere gekocht. Sie reden unter anderem über den Rassismus, den sowohl die in Deutschland geborene Asmara als auch die aus Eritrea geflüchteten Samuel und Semere erleben mussten und müssen. Auch Asmaras Eltern waren aus Eritrea geflohen. Ihr Verein Asmara´s World unterstützt Geflüchtete bei Behördengängen, mit kostenlosen Kursen und vielem mehr.

Esstisch als interkultureller Brückenbauer

„Essen sagt so viel über Menschen aus. Die beste Möglichkeit Menschen kennenzulernen, ist rund um den Esstisch, denn da finden die besten Gespräche statt“, sagt Mohammed bei der Premiere seines Films im Metropolis Kino in Hamburg. Passend zu diesem Statement treffen Alina und ich ihn ein paar Tage später zum Interview im Restaurant Hadjia und essen Jollof Reis und Plantain. Mohammed führt seinen Gedanken weiter aus: „Essen zu teilen kann auf eine Art und Weise kulturelle Grenzen überwinden, wie es Worte unmöglich können. Zu Hause am eigenen Esstisch fühlen sich die Menschen am wohlsten und sind deshalb am offensten.“

Beim Essen denkt Mohammed oft an seine Kindheit zurück: Er wuchs in Ghana auf und aß drei Mal pro Tag gemeinsam mit seiner Familie. „Wir aßen alle von einem Topf mit den Händen.“ Mit 17 Jahren zog Mohammed in die USA und studierte und arbeitete dort. Vor sieben Jahren kam er schließlich für sein Master-Studium in Politics, Economics, Philosophy (PEP) nach Hamburg.

 

Flucht und Migration hat es schon immer gegeben

Mohammed hat zu allen Personen, die in Foodprints Hamburg gezeigt werden, eine persönliche Beziehung. Mit Asmara organisierte er bereits diverse Events, zum Beispiel im Rahmen vom Black History Month. Er lernte sie 2017 im Rahmen seiner Masterarbeit kennen, welche sich mit der Geschichte der Integration von Geflüchteten in Deutschland ab 1945 befasst. Darin schrieb er unter anderem auch über die etwa 14 Millionen deutschstämmigen Vertriebenen, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Heimat in Deutschland suchten. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass viele der Deutschen, die skeptisch gegenüber Geflüchteten sind, selbst Vertriebene in ihrer Familiengeschichte haben“, sagt Mohammed. Er appelliert, dass wir daran denken sollen, dass es schon immer Geflüchtete gab. „Das würde das Thema Flucht normalisieren, das damit leider verbundene Stigma würde kleiner werden und Geflüchtete würden nicht ihr ganzes Leben lang auf ihre Flucht reduziert werden.“

Nicht nur als Afrikaner gesehen werden

Auch Mohammed kennt das Gefühl, auf etwas reduziert zu werden. Er kritisiert, dass manchmal von ihm erwartet wird, für ganz Afrika sprechen und den ganzen Kontinent repräsentieren zu können. Alina und ich stimmen zu. Wir sind Deutsche und Schweizerin und von uns würde nie jemand erwarten, für ganz Europa zu stehen. „Als Einzelne*r ganz Afrika repräsentieren zu wollen ist gefährlich“, warnt Mohammed. „Denn wenn die Person dann Fehler macht, wird die ganze afrikanische Community verurteilt.“

Er ist stolz, Teil der afrikanischen Community zu sein, es ist ihm aber wichtig, Content zu produzieren, der für alle wertvoll ist, nicht „nur“ für Afrikaner*innen. Mohammed schaut sich im Restaurant um und sagt: „Wenn es für jede*n in Hamburg normal wäre, auch mal in einem afrikanischen Restaurant Geburtstag zu feiern, dann würde dies das Image der Afrikaner*innen ebenfalls verbessern.“ Zumal man im Restaurant Hadjia über den Tellerrand blicken kann und schnell mit dem Nachbartisch ins Gespräch kommt.

Mohammeds Lebensziel: „The Other Project“

Der Film Foodprints Hamburg ist Teil des Vereins The Other Project, den Mohammed gemeinsam mit Freund*innen gründete. „In Hamburg gibt es viele Menschen, die sich aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes nicht zu Hause fühlen. Das wollen wir ändern“, sagt Mohammed. Der Verein entwirft ein Gesellschaftsmodell, in dem alle gleichberechtigt sind und Vielfalt als Chance begriffen wird. Dafür müssen alle auf ökonomischer, sozialer und politischer Ebene integriert sein und das Gefühl haben, wertgeschätzt zu werden. The Other Project will diese Vision mit verschiedenen Programmen verwirklichen. Der Verein startete als Erstes das Work Diversity Mentoring Program. Dieses unterstützt vor allem Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte bei ihrer beruflichen Entwicklung. Mittlerweile fördert er den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch durch die Konversationsreihe The Other Conversation und das Programm The Other Village. Das neue Programm Fair Justice League soll benachteiligten Bevölkerungsgruppen rechtliche Unterstützung bieten. „The Other Project ist mein Life Goal“, schwärmt Mohammed.

 

Was bringt die Zukunft?

Wir werden bestimmt noch viel von The Other Project hören! Der Film Foodprints Hamburg soll nochmal im Metropolis Kino sowie in weiteren Kinos gezeigt werden. Allerdings um ein weiteres Interview verlängert. Auf der Instagram-Seite von The Other Project wird außerdem gerade die Interview-Reihe ZWEIBAHNSTRASSE – Das Leben als PoC in Hamburg gezeigt, in der die Moderatorin und Unternehmerin Layonia People of Color in ihrem Hamburger Zuhause trifft. „Wir wollen in Zukunft allgemein noch mehr Menschen mit unseren Projekten erreichen“, sagt Mohammed. „Es sollen Menschen zusammenkommen, die sich ohne The Other Project nicht getroffen hätten. Wir wollen sie aus ihren Bubbles holen!“

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Pablo Neruda Seeaalsuppe. Bild von Eugenia Loginova.

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Sarah ist in der Schweiz aufgewachsen. Nach Hamburg hat es sie ursprünglich für ihr Geschichtsstudium verschlagen. Sie hat schon immer leidenschaftlich gerne geschrieben – mittlerweile macht sie dies auch beruflich. Außerdem verbringt sie gerne Zeit mit Menschen aus unterschiedlichen Ländern und lernt neue Gerichte und Tänze kennen. Seit September 2021 unterstützt sie die Social Media-Redaktion bei kohero.

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