Vor langer Zeit, nach dem Ersten Weltkrieg, wanderten viele Schriftsteller und Dichter auf die amerikanischen Kontinente aus und schufen dort Literatur und Poesie. Diese wurde später als Literatur der Flüchtlinge bezeichnet. Als wir deren Poesie und die Nostalgie und Sehnsucht, die sie mit sich bringt, gelesen haben, haben wir die Bedeutung und ihre Tiefe nicht erkannt. Diese Gedichte haben immer tiefen Schmerz und eine starke Verbundenheit mit der Heimat ausgedrückt. Doch trotz unserer Bewunderung für ihre Bedeutungen und Bilder haben wir die Tiefe dieses Schmerzes nicht gespürt. Der Schmerz, der die Seele verwundet und ihr Feuer löscht. Der seinen Besitzer dazu drängt, kleine Details der Vergangenheit zu leben, an die er vorher nicht gedacht hatte.
All diese Details haben uns überrascht, und wir haben uns oft gefragt, warum man sich so genau an sie erinnert. Aber mit unseren ersten Schritten außerhalb unserer Heimat begannen wir all diese Bedeutungen klar zu verstehen. Jeder hat seine eigene Art, mit seiner neuen Situation umzugehen, aber wir sind uns alle einig, dass sich in uns etwas verändert hat.
Es sind diese kleinen Heimaten in uns, an denen wir festhalten wollen.
Viele von uns trugen so viele persönliche Fotos, Papiere und Dokumente wie möglich mit. Aber wir alle trugen auch Traditionen und Bräuche mit uns, die wir nicht vergessen oder verlieren möchten. Diese Traditionen binden uns nach unserer Überzeugung an unser Mutterland. Wenn wir sie verlieren, verlieren wir mit ihnen unsere Heimat. Auch nach mehreren Jahren in den Asyl-Ländern sind die Erinnerungen noch stark. Sie drängen uns, das Verlorene festzuhalten, sei es durch das Familientreffen bei traditionellen Anlässen, Alltagssituationen oder auch im Geruch traditioneller Speisen. Viele von uns versuchen, sich anzupassen und zu vergessen. Währenddessen empfinden manche Reue, nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Kindern gegenüber.
Wir werden die Hölle, in der wir in unserem Land lebten, und ihre negativen Auswirkungen auf uns alle nie leugnen, aber diese kleinen Details, die unsere kleine Heimat ausmachten, sind in uns, ungeachtet unserer Loyalität zu unserem Land oder unserer Unzufriedenheit mit ihm. Es sind diese kleinen Heimaten in uns, an denen wir festhalten wollen. Darüber hinaus möchten wir unseren Kindern unsere Gefühle vermitteln und ihnen die Liebe zu diesen Ländern einflößen, ohne zu bemerken, dass sie diese Gefühle nicht mit uns gelebt haben.
Wie können wir uns in die neue Gesellschaft integrieren und gleichzeitig unsere ursprüngliche Identität bewahren? Wie können wir unseren Kindern den Wunsch vermitteln, an der Kultur unseres Heimatlandes festzuhalten? Diese und andere Fragen beschäftigen uns immer, können unsere Gedanken kontrollieren und manchmal zu einer Besessenheit werden oder haben den gegenteiligen Effekt.
Also bauen sie eine Mauer, hinter der sie leben, um zu schützen, was sie behalten wollen.
Die meisten von uns glauben, dass Integration zum Vergessen der ursprünglichen kulturellen und religiösen Identität führt. Diese Angst treibt sie dazu, mehr an ihren Werten festzuhalten als offen zu sein für neue Eindrücke und Verständnis für eine andere Kultur. Das betrifft auch die Kinder. Für diese ist es besonders schwer, sich in der neuen Welt zurecht zu finden, wenn sie von zu Hause keine Unterstützung bekommen.
Die Eltern leben zwischen Heimweh und dem Versuch, ihren Kindern eine Zukunft aufzubauen, die ihren eigenen Charakter tragen muss, sei es in religiöser oder sozialer Hinsicht. Also bauen sie eine Mauer, hinter der sie leben, um zu schützen, was sie behalten wollen. Das kann auch unbeabsichtigt sein.
Es ist dieselbe Mauer, die die meisten von uns in unseren Ländern aus Angst vor dem mörderischen Regime errichtet haben. Dies wirkt sich negativ auf die Integrationsfähigkeit der Kinder aus und führt sie dazu, einen von zwei Wegen zu wählen. Entweder die Überzeugungen der Eltern anzunehmen und aufrichtig zu verteidigen oder diese Ideen zu bekämpfen und ihnen zu entfliehen. Dies führt also zu einem Konflikt mit deren Eltern. Und wenn sich Fragen in unseren Köpfen einschleichen, lösen sie noch größere Ängste aus. Diese lassen die Mauer höher und höher werden.
Aber wir müssen diesem Gefängnis, das wir mit uns herumgetragen haben, widerstehen. Wir müssen es überwinden, offener und bewusster sein für das, was um uns herum passiert, damit wir unseren Kindern hier eine stabile Zukunft aufbauen können. Nur so können wir unsere Identität und Traditionen bewahren sowie die Gemeinschaft überzeugen, die meist schon offen für neue Kulturen ist.
Dieser Text ist im Schreibtandem mit Dagmar Esser entstanden.