Karim ist deutscher Staatsbürger geworden: “Hier bin ich”

“Wenn ich das heute alles nochmal machen müsste, hätte ich es vielleicht nicht geschafft”. Karim* ist 2014 aus Afghanistan nach Deutschland geflohen. Zwischendurch lebte er in Norwegen, wo er allerdings zwei Mal abgelehnt wurde und nach Afghanistan zurückreisen sollte. Schließlich kommt er nach Hamburg. In Deutschland hoffte Karim auf ein sicheres Leben und eine neue Chance. Lest seine Geschichte in diesem Beitrag zum Schwerpunktthema von zu.flucht.

Karim verließ noch vor 2015, einem Jahr, in dem sehr viele Menschen flohen, seine Heimat. Erst dann wurden neue Gesetze und Regulationen zu Migration und Flucht beschlossen, wodurch Karim es zu Anfang sehr schwer hatte. “Ich wusste anfangs nicht, wohin mit mir, ich kannte niemanden und hatte kein Ziel.” Karim meldete sich bei der Polizei, nachdem er am Hamburger Hauptbahnhof ankam, die ihn dann nach Schleswig-Holstein schickte. Weil seine Fingerabdrücke aber in Norwegen registriert waren, wurde es kompliziert. “Die ersten drei Jahre waren sehr, sehr schwer. Ich hatte jede Woche Post und musste ständig was erklären, bearbeiten oder vorlegen. Das war wirklich ein Kampf”, sagt er heute.

„Ich wollte endlich friedlich schlafen können“

Karim tauchte ein halbes Jahr unter, bis seine Fingerabdrücke in Norwegen gelöscht wurden. In Neumünster stellte er dann einen neuen Asylantrag. Er fing wieder bei Null an. Schon drei Monate nach seiner Ankunft in Deutschland begann er seinen Führerschein und belegte Sprachkurse. Doch heraus kam nur ein Abschiebeverbot, keine längerfristige Perspektive, um das neue Leben endlich richtig zu beginnen. “Für mich war das keine Sicherheit, denn es kann von heute auf morgen zurückgenommen werden”, sagt Karim, “Doch man darf nicht aufgeben. Ich wollte endlich friedlich schlafen können und meine Ruhe haben.”

Nach einer gewonnenen Klage für seinen Aufenthalt und ein Jahr nach seinem Umzug nach Hamburg hat Karim eine unbefristete Niederlassungserlaubnis bekommen. Karim hatte in all den Jahren Menschen um sich, die ihn unterstützt haben. Etwa ein paar Freunde, Teamkollegen aus seiner Fußballmannschaft, aber auch juristische Beratung. Auf dem Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft hat ihn die Anwältin Angelika Willigerod-Bauer begleitet. Sie erinnert sich an den Einbürgerungsprozess von Karim: “Irgendwann sagte er zu mir, dass er deutscher Staatsbürger werden möchte. Wir haben uns dann zusammen hingesetzt, den seitenlangen Antrag ausgefüllt und alle Dokumente zusammengesucht. Das mit der Einwanderungsbehörde hat aber ein bisschen gedauert.”

„Ich wollte beweisen, dass ich der richtige Kandidat für die deutsche Staatsbürgerschaft bin“

Um den ganzen Prozess zu beschleunigen, erwähnen Karim und Angelika immer wieder, dass man sofort alle geforderten Dokumente in einem Ordner sammeln sollte, wenn man die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. Auch zusätzlich Dokumente wie Freiwilligenbescheinigungen und Zeugnisse können helfen. Karim hat seinen vollständigen Ordner mit allen erdenklichen Extra-Zertifikaten vorgelegt, sich dabei persönlich vorgestellt und innerhalb von fünf Minuten auf Mails der Einwanderungsbehörde geantwortet – auch, wenn ihm drei Mal die gleichen Fragen gestellt wurden. “Ich wollte beweisen, dass ich der richtige Kandidat für die deutsche Staatsbürgerschaft bin. Und hier bin ich.”

Denn anders als in Karims Fall kann der ganze Prozess auch mehrere Jahre dauern. Das kann an fehlenden Dokumenten oder auch an der Behörde liegen. “Ich hatte mal einen Fall, wo wir wegen Untätigkeit geklagt haben. Das ging durch. Mein Klient hatte eineinhalb Jahre nichts gehört und bei Anfragen per Mail oder Telefon war die Sachbearbeiterin nie da. Innerhalb einer Woche, nachdem die Klage zugestellt war, war dann die Einbürgerung auch da. Zum Gück ist es im deutschen Recht so geregelt, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Das heißt, man kann gegen jeden Verwaltungsakt, der dort erlassen wird oder eben nicht erlassen wird, rechtlich vorgehen”, erzählt Angelika.

Nach all den Jahren in Deutschland ist die Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft für Karim ein Akt der Bürokratie. Seine Einbürgerungsurkunde bekommt er in einem nüchternen Zimmer einer Hamburger Behörde überreicht, erinnert sich Angelika. Doch sein deutscher Ausweis bringt ihm vor allem Sicherheit und Freiheit. Karim muss sich nie wieder Gedanken darüber machen, abgeschoben zu werden, friedlich schlafen, er kann arbeiten und wohnen, wo er möchte. Und er kann reisen. Die ersten Ziele: Neuseeland oder Kanada.

 

*Name geändert. Der richtige Name ist der Redaktion bekannt.

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Natalia ist in den Bereichen (Mode-)Journalismus und Medienkommunikation ausgebildet und hat einen Bachelor in Management und Kommunikation. Derzeit studiert sie Digitalen Journalismus im Master. Besonders gerne schreibt sie über (und mit!) Menschen, erzählt deren Lebensgeschichten und kommentiert gesellschaftliche Themen. Sie leitet die Redaktion und das Schreibtandem von kohero. „Ich arbeite bei kohero, weil ich es wichtig finde, dass die Geschichten von Geflüchteten erzählt werden – für mehr Toleranz und ein Miteinander auf Augenhöhe.“     (Bild: Tim Hoppe, HMS)

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