„Refugees welcome – aber wie?“

Ein Interview mit Cornelia Springer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Studiendekanat der Fakultät für Geisteswissenschaften, und Leiterin des Projekts „Refugees welcome – aber wie?“.

Frau Springer, bereits im September 2015 bekamen Sie den Auftrag, an der Universität Hamburg eine Lehrveranstaltung für Studierende zu entwickeln, die sich ehrenamtlich für Geflüchtete einsetzen. War das sozusagen eine sehr schnelle Reaktion der Uni auf die so genannte „Flüchtlingskrise“?

Zu diesem Zeitpunkt wurde an der Uni Hamburg das Programm #UHHhilft initiiert, um Geflüchteten eine Studienorientierung zu bieten, die auf Grund ihrer Flucht das Studium abbrechen mussten. Für die Umsetzung dieses Programms wurde extra eine Professorin als Flüchtlingsbeauftragte eingesetzt. Ich bin im September 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die Uni gekommen.

Davor war ich ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit tätig und habe u.a. Qualifizierungsmaßnahmen für Ehrenamtliche organisiert. Die Nachfrage nach Fortbildungen war groß. Das passte gut zu dem Vorhaben des Dekanats, ein universitäres Qualifizierungsangebot für Freiwillige in der Flüchtlingsarbeit zu entwickeln. Schon im Wintersemester 2015/16 startete das erste Pilotprogramm von „Refugees welcome – aber wie?“ im Studium Generale mit vielen Studierenden aus allen Fakultäten und wurde bis zum Wintersemester 2017/18 fortgesetzt und weiterentwickelt.

Können Sie über den Erfolg dieses Programms berichten?

Ja, das Programm war definitiv erfolgreich! Das lässt sich aber nicht direkt in Zahlen ausdrücken. Ich bin gerade dabei, die letzten fünf Semester auszuwerten und möchte herausfinden, was das Programm insgesamt „gebracht“ hat. Mich interessieren die Potenziale und die Wirksamkeit von Engagement-Förderung an der Uni.

Eine großartige Bilanz

Es geht zum einen darum zu untersuchen, was die TeilnehmerInnen aus dem Programm mitgenommen haben – welche fachlichen Kompetenzen sie erworben und welche Soft Skills sie trainiert haben. Aber das ist ganz schwierig festzustellen, zumal die meisten Studierenden nur ein Semester an der Veranstaltung teilnehmen. Das ist ein extrem kurzer Zeitraum mit Blick auf Kompetenzentwicklung. Weit mehr als die Hälfte bleiben aber nach dem Semester als Freiwillige für Geflüchtete aktiv, wie aus den Fragebögen unserer Evaluation hervorgeht. Und nahezu alle geben die Einschätzung ab, dass ihr Einsatz etwas „bewirkt“ habe. Das ist eine großartige Bilanz.

Zum anderen möchte ich wissen, ob die Kooperation mit der Uni auch für die Einrichtungen und Institutionen ein Gewinn war, in denen die Studierenden sich engagiert haben. Bei den Interviews habe ich nur positive Rückmeldungen bekommen. Die Studierenden haben nicht nur die Ressourcen „Zeit und Personal“ eingebracht. In unserer Ringvorlesung und in ihrem Regelstudium haben sie sich viel theoretisches Hintergrundwissen angeeignet, das ihnen natürlich auch in der Freiwilligenarbeit zu Gute kam.

Dazu kommt, dass Studierende auch wertvolle analytische Fähigkeiten mitbringen, häufig mehrsprachig und nicht zuletzt jung sind – also ungefähr genauso jung wie viele Geflüchtete! Das erleichtert die Kommunikation erheblich. Außerdem sind sie hochmotiviert und stellen für die zivilgesellschaftlichen Partner eine echte Bereicherung dar.

Auch wenn diese Programme in Zahlen nicht messbar sind, können Sie die positiven Auswirkungen feststellen. Warum werden denn diese Studienangebote nicht fortgesetzt?

Die Antwort hierauf ist ganz einfach: Für die Verlängerung – und im Idealfall Verstetigung – müssten feste Stellen eingerichtet werden. So ein aufwändiges Programm kann man nicht mit Lehraufträgen fortsetzen. Und dann fragt sich, wo man es am besten strukturell verortet. Bisher waren die Lehrveranstaltungen im Studium Generale der Fakultät für Geisteswissenschaften angesiedelt.

Keine kreative Lösung für eine Weiterfinanzierung

Allerdings haben aus allen Fakultäten und sogar von anderen Unis, der HAW und der HCU, Studierende daran teilgenommen – ungefähr 45-50 pro Semester und pro Lehrveranstaltung. Es spricht also viel für eine zentrale Verortung. Die Strahlkraft in die Stadt Hamburg ist riesig, und alle Seiten profitieren von dem Programm. Umso bedauerlicher, dass es keine kreative Lösung für eine Weiterfinanzierung gibt.

Frau Springer, ich bedanke mich für das Interview.

Zu den Blogs der beiden Studienprogramme, auf denen die Ergebnisse ausführlich dokumentiert sind, geht es hier: Refugees welcome – aber wie?

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Leonardo De Araujo
Leonardo De Araújo, geboren in Rio de Janeiro, Brasilien lebt seit etwas mehr als 30 Jahren in Deutschland, vorwiegend in Hamburg. Nach einigen Berufsjahren in Werbeagenturen hat er 35 Jahre in der Fernsehproduktion gearbeitet. Nebenbei hat er sich auch als Drehbuchautor und Fotograf beschäftigt – und für das Flüchtling-Magazin, heute kohero, geschrieben.

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