Hallo miteinander

"Hallo miteinander" ist eine Kolumne zwischen Anna Heudorfer, der Redaktionsleiterin und Hussam Al Zaher dem Chefredakteur unseres Magazins. Sie diskutieren miteinander über aktuelle Themen - jeder aus seiner Prospektive und mit seinen Gedanken. "Hallo miteinander" erscheint ein Mal im Monat.

Anna und Hussam. Foto: Eugenia Loginova.

Hallo Anna,

Heute habe ich einen Termin mit einem „Bio“ Deutschen, meine Verlobte war auch dabei. Als wir ihn gesehen haben, hat sie ihre Hand ihm gegeben. Aber er lehnte ab, und er hat gesagt „Seit Corona kam, grüße ich niemanden mehr mit der Hand.“ Ich habe das nicht verstanden. Und die Frage war, ob ich das akzeptieren sollte, obwohl ich es nicht verstehe, oder ob ich es erst verstehen sollte und danach das akzeptieren? Das ist worüber wir nachdenken sollten.*

Wir haben seine Entscheidung total akzeptiert, ohne sie zu verstehen, weil das seine Entscheidung war und weil wir in einem demokratischen System leben und jeder Freiheit hat. Aber es erinnert mich an eine andere Diskussion…

Wir hätten ihm auch sagen können, dass wir in Deutschland leben und dass Herr de Maizière uns die deutschen Werte erklärt hat. Wie er gesagt hat, ist ein sehr wichtiger deutscher Wert, dass wir mit der Hand in Deutschland grüßen und alle Leute, die in Deutschland leben, auch dazu zwingen. Und eigentlich sollte die Bild Zeitung sofort darüber berichten, dass jemand nicht die Hand gibt und die Debatte über diese respektlose Art nochmal anfangen.

Die Debatte wäre dann, dass alle „Bio“ Deutschen die nicht mit der Hand grüßen, gegen unsere Werte sind. Dann sollten sich schnell auch die Politiker dazu äußern, damit der Bundestag noch diesen Monat versucht ein neues Gesetz zu machen und alle Leute, die hier nicht die Hand geben, ihren deutschen Pass verlieren…

Diese Geschichte könnte so passieren, aber die Frage ist, warum sollte es so sein? Warum sollten wir nicht einfach die Entscheidung von allen Leuten akzeptieren und Toleranz üben?

Hallo Hussam,

Ich denke, das Motiv war in dieser Situation ein besonderes… es geht darum, sich (und andere) vor einer Krankheit zu schützen. Trotzdem gebe ich dir Recht: Man misst in Deutschland oft mit zweierlei Maß. Sobald es um Religion geht – und hier vor allem um den Islam – sind viele Leute sehr empfindlich. Dabei geht es oft um Symbole.

Nicht die Hand zu geben wird als Respektlosigkeit, v.a. gegenüber Frauen gewertet. Das Problem ist, dass sich die meisten Menschen aber nicht wirklich mit der Stellung der Frau im Islam befassen wollen. Nein, man beseitigt einfach die Symbole, indem man z.B. dafür sorgt, dass alle sich brav die Hand geben. Denn sonst wäre man sehr schnell an dem Punkt, wo man sich generell mit der Gleichberechtigung von Frauen und Männern beschäftigen müsste. Und dann wird es unbequem.

Hallo Anna,

Ja du hast recht. Ich hatte diese kleine Geschichte auch auf Facebook veröffentlicht und habe dort ein paar Kommentare bekommen, dass man nicht zwischen Äpfeln und Bananen vergleichen kann. Aber hier möchte ich nicht vergleichen, sondern Fragen stellen. 

Die Frage hier ist nicht was die Motivationen sind, aber wie ich (oder du) mit diesem Thema umgehen? Ich frage mich, wann wir Toleranz gegen andere Werte, von anderen Kulturen zeigen sollten? Warum sind wir so sensibel wenn es um andere und andere Kulturen geht? Ist die Angst das Problem, oder die Unwahrheit, oder Vorurteile, oder… ? 

Hallo Hussam,

Stimmt, die Frage, wie man damit umgehen kann, ist wirklich nicht einfach. Ich wäre auch vor den Kopf gestoßen, wenn mir jemand den Handschlag verweigert, weil ich eine Frau bin. Aber: Man kann entweder vom Besten oder vom Schlechtesten im Menschen ausgehen. Mein Gegenüber könnte ein Frauenhasser sein.

Oder er ist einfach mit bestimmten Werten aufgewachsen, für die er erstmal nichts kann. Werte kann man reflektieren und darüber diskutieren. Das funktioniert aber nicht, indem ich jemanden zum Handschlag zwinge! Sondern nur, indem man sich kennenlernt und miteinander spricht. Oder was denkst du? Was wäre eine gute Lösung?

Hallo Anna,

Die Lösung sollte von beiden Seite kommen. Toleranz und Respekt füreinander. Meine Werte sind nicht wichtiger als deine Werte.

Oder, was sagt ihr dazu?

*Seit dem Ereignis sind ein paar Wochen vergangen. Heute ist es selbstverständlich, sich in der aktuellen Lage nicht mehr die Hand zu geben, sondern Abstand zu halten. Natürlich auch für uns.

Diese Diesig hat mit Anna Heudorfer  geschrieben.

Schlagwörter:

Zum Abo: 

Mit deinem Abo können wir nicht nur neue Printausgaben produzieren, sondern auch unsere Podcasts und das Online-Magazin weiter kostenlos anbieten.

Wir machen Journalismus, der zugänglich für alle sein soll. Mit dem Rabattcode koherobedeutetZusammenhalt kannst du einzelne Ausgaben günstiger bestellen. 

Nicht alle sind willkommen

Aktuell herrscht europaweit eine große Bereitschaft, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen und zu unterstützen. Selbst osteuropäische Länder wie Polen und Ungarn, die ansonsten eine extrem restriktive Asylpolitik betreiben, heißen Geflüchtete

Weiterlesen …

Fluchtursachen

In der ersten Folge unserer neuen Kolumne kommentiert Shadi Al Salamat, wie die Diskussion um Migration aktuell geführt wird. Er findet: Der Fokus liegt zu sehr auf Reformen des Asylrechts anstatt auf den Fluchtursachen.

Weiterlesen …
Foto: Nghia Le on Unsplash

Ich genieße die Demokratie und die Freiheit

Shadi Al Salamat hat eine klare und überzeugende Botschaft. Nicht nur mit Worten: Vor allem durch seine Arbeit, durch seine aktive Teilhabe am Leben mit der ganzen Familie, durch sein Engagement für Freiheit und Demokratie will er die fremdenfeindlichen Vorurteile der Rechten entkräften.

Weiterlesen …
Kategorie & Format
Hussam studierte in Damaskus Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Parallel dazu arbeitete er als schreibender Journalist. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Er ist Gründer und Chefredakteur von kohero. „Das Magazin nicht nur mein Traum ist, sondern es macht mich aus. Wir sind eine Brücke zwischen unterschiedlichen Kulturen.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kohero Magazin