Am 10. Oktober war der offizielle Mental Health Day. Ein Tag, der uns alle dazu mahnt, umsichtiger mit uns selbst umzugehen, uns eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und uns bei psychischen Problemen die Hilfe zu suchen, die wir brauchen.
Mehr als nur Traurigkeit
Psychische Gesundheit ist ein Thema, welches auch immer mehr Beachtung auf den Sozialen Medien findet. Das Gute an der vermehrten Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen ist, dass man so auch den Vorurteilen entgegenwirken kann, dass Depressive ja nur gerade „eine traurige Phase“ haben, Menschen, die unter Burnout leiden, einfach nur faul sind oder schlichtweg keinen Bock haben zu arbeiten.
Ich selbst bin in dieser Spirale der Depressionen seit etwa drei Jahren gefangen. Ich bin mittlerweile dreißig Jahre alt, habe mein Jurastudium abgeschlossen und bin – statt ins Berufsleben zu starten – in die Depression abgerutscht. Sie kam schleichend, ich merkte zu Beginn kaum etwas. Ich zog zu Beginn meines Referendariats in eine neue Stadt, ich wollte etwas erleben, neue Menschen kennenlernen, etwas lernen. Ich fühlte mich selbstbewusst und war offen für neue Herausforderungen.
Depressionen sind nicht nur im Kopf
Bald merkte ich, dass mir die Arbeit beim Landgericht, bei dem ich während der Zeit meines Referendariats angestellt war, einfach keinen Spaß machte, zu viel war, ich fühlte mich nicht gut genug. Die Gedanken kreisten, und bald schon stellte ich mir Fragen wie: Bist du überhaupt gut genug, um Volljuristin zu sein? Sind die anderen nicht viel besser, klüger, schneller als du?
Ich begann alles, was ich tat, zu hinterfragen. Das Selbstbewusstsein und die Freude, die ich zu Beginn noch empfand, verschwand von Tag zu Tag mehr. Bald auch begann die Depression körperlich, und nicht nur gedanklich, an mir zu zehren. Ich war immer häufiger krank, hatte Magenbeschwerden, Kopfschmerzen, Angstzustände und hatte das Gefühl, innerlich gelähmt zu sein. Ich weinte viel, und kämpfte tagtäglich mit dem Gedanken, meine juristische Karriere an Ort und Stelle zu beenden. Doch was dann?
Darüber spricht man nicht
Über all das sprach ich nie mit meinen Eltern. Denn darüber spricht man in unserem Kulturkreis nicht, fast so, als wären psychische Erkrankungen nicht existent und was für Leute „aus den westlichen Ländern“.
Dazu muss man sagen, dass meine Eltern ursprünglich aus Sri-Lanka stammen. Sie kamen als Flüchtlinge 1984 nach Deutschland, um dem Krieg im Norden des Landes zu entfliehen und ihrer Familie ein Leben in Sicherheit zu bieten. Als sie herkamen, entschieden sie sich gleichzeitig auch dazu, ihr altes Leben, ihre Jobs, einen Teil ihrer Familien und ihre Heimat hinter sich zu lassen. Stattdessen waren sie in einem Land, in dem sie wieder ganz bei Null anfangen mussten. Einen Uni-Abschluss konnten sie hier nie machen. Dazu fehlten die Sprachkenntnisse, die finanziellen Mittel und die Möglichkeiten.
Die Last der Erwartungen
Ihre Kinder sollten es da besser haben. Mit Bildung sollte es uns möglich sein, mal ein gutes Leben zu führen, uns zu integrieren und ein Leben in dem Land zu führen, welches für meine Eltern nie hätte zu ihrer Heimat werden können. Umso höher war natürlich auch der Druck für mich, dem Standard meiner Eltern gerecht zu werden.
Diesem Druck sind viele Kinder geflüchteter Eltern ausgesetzt. Dass mir dieser Druck auch ziemlich oft zu viel war, habe ich selten nach außen hin gezeigt. Gerade in dem südasiatischen Kulturkreis, aus dem ich stamme, sind psychische Erkrankungen selten bis gar kein Thema. Wieso dies so ist, weiß ich selbst nicht. Was ich aber weiß ist, dass die Hoffnung auf finanziellen Wohlstand auf dem Rücken vieler Kinder geflüchteter Eltern lastet.