Als Migrantin mit Depressionen umgehen

Wie wird mit Depressionen in anderen Kulturkreisen umgegangen? Jesina teilt ihre Erfahrungen.

Fotograf*in: Nathan Dumlao auf unsplash

Am 10. Oktober war der offizielle Mental Health Day. Ein Tag, der uns alle dazu mahnt, umsichtiger mit uns selbst umzugehen, uns eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und uns bei psychischen Problemen die Hilfe zu suchen, die wir brauchen.

Mehr als nur Traurigkeit

Psychische Gesundheit ist ein Thema, welches auch immer mehr Beachtung auf den Sozialen Medien findet. Das Gute an der vermehrten Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen ist, dass man so auch den Vorurteilen entgegenwirken kann, dass Depressive ja nur gerade „eine traurige Phase“ haben, Menschen, die unter Burnout leiden, einfach nur faul sind oder schlichtweg keinen Bock haben zu arbeiten.

Ich selbst bin in dieser Spirale der Depressionen seit etwa drei Jahren gefangen. Ich bin mittlerweile dreißig Jahre alt, habe mein Jurastudium abgeschlossen und bin – statt ins Berufsleben zu starten – in die Depression abgerutscht. Sie kam schleichend, ich merkte zu Beginn kaum etwas. Ich zog zu Beginn meines Referendariats in eine neue Stadt, ich wollte etwas erleben, neue Menschen kennenlernen, etwas lernen. Ich fühlte mich selbstbewusst und war offen für neue Herausforderungen.

Depressionen sind nicht nur im Kopf

Bald merkte ich, dass mir die Arbeit beim Landgericht, bei dem ich während der Zeit meines Referendariats angestellt war, einfach keinen Spaß machte, zu viel war, ich fühlte mich nicht gut genug. Die Gedanken kreisten, und bald schon stellte ich mir Fragen wie: Bist du überhaupt gut genug, um Volljuristin zu sein?  Sind die anderen nicht viel besser, klüger, schneller als du?

Ich begann alles, was ich tat, zu hinterfragen. Das Selbstbewusstsein und die Freude, die ich zu Beginn noch empfand, verschwand von Tag zu Tag mehr. Bald auch begann die Depression körperlich, und nicht nur gedanklich, an mir zu zehren. Ich war immer häufiger krank, hatte Magenbeschwerden, Kopfschmerzen, Angstzustände und hatte das Gefühl, innerlich gelähmt zu sein. Ich weinte viel, und kämpfte tagtäglich mit dem Gedanken, meine juristische Karriere an Ort und Stelle zu beenden. Doch was dann?

Darüber spricht man nicht

Über all das sprach ich nie mit meinen Eltern. Denn darüber spricht man in unserem Kulturkreis nicht, fast so, als wären psychische Erkrankungen nicht existent und was für Leute „aus den westlichen Ländern“.

Dazu muss man sagen, dass meine Eltern ursprünglich aus Sri-Lanka stammen. Sie kamen als Flüchtlinge 1984 nach Deutschland, um dem Krieg im Norden des Landes zu entfliehen und ihrer Familie ein Leben in Sicherheit zu bieten. Als sie herkamen, entschieden sie sich gleichzeitig auch dazu, ihr altes Leben, ihre Jobs, einen Teil ihrer Familien und ihre Heimat hinter sich zu lassen.  Stattdessen waren sie in einem Land, in dem sie wieder ganz bei Null anfangen mussten. Einen Uni-Abschluss konnten sie hier nie machen. Dazu fehlten die Sprachkenntnisse, die finanziellen Mittel und die Möglichkeiten.

Die Last der Erwartungen

Ihre Kinder sollten es da besser haben. Mit Bildung sollte es uns möglich sein, mal ein gutes Leben zu führen, uns zu integrieren und ein Leben in dem Land zu führen, welches  für meine Eltern nie hätte zu ihrer Heimat werden können. Umso höher war natürlich auch der Druck für mich, dem Standard meiner Eltern gerecht zu werden.

Diesem Druck sind viele Kinder geflüchteter Eltern ausgesetzt. Dass mir dieser Druck auch ziemlich oft zu viel war, habe ich selten nach außen hin gezeigt. Gerade in dem südasiatischen Kulturkreis, aus dem ich stamme, sind psychische Erkrankungen selten bis gar kein Thema. Wieso dies so ist, weiß ich selbst nicht.  Was ich aber weiß ist, dass die Hoffnung auf finanziellen Wohlstand auf dem Rücken vieler Kinder geflüchteter Eltern lastet.

 

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Jesina Sivapalan
Ich bin Jesina und komme ursprünglich aus dem Ruhrgebiet, ich wohne seit 2019 in Essen und bin studierte Juristin. Meine Eltern stammen ursprünglich aus Sri Lanka und leben seit fast 40 Jahren in Deutschland, daher sind die Themen Kultur, Migration und Integration von großer Bedeutung für mich. In meiner Freizeit beschäftige ich mich zudem mit Kunst, Kultur, Musik und Umwelt.

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Die Heimat unserer Kinder ist jetzt Deutschland

Ich bin verheiratet und habe drei Kinder: meine Tochter Tala ist vier Jahre alt, mein Sohn Elias zweieinhalb Jahre und das Baby Linda ist seit neun Monaten auf der Welt. Seit Mai arbeite ich in Hamburg bei Irey Dental Technik. Ich habe meinen Beruf in Syrien gelernt und arbeite seit 1995 als Zahntechniker. Ich habe auch lange Zeit in Libyen gearbeitet. Dort konnte man damals gutes Geld verdienen, umgerechnet etwa bis zu fünftausend Dollar pro Monat. So gut verdiente man in meinem Beruf nirgendwo sonst. Als der Krieg ausbrach, musste ich mit meiner Familie aus dem Land flüchten. Ich konnte ein kleines Boot für uns organisieren – das aber leider nicht unbedingt sicherer war – und wir flohen über das Mittelmeer. Meine Frau war schon mit unserem zweiten Kind schwanger. Zuerst sind wir in Mailand angekommen, wo wir 10 Tage verbrachten. Danach ging es nach Deutschland, in ein Heim. Wir wohnen zur Zeit in Neubrandenburg. Da ich meinen Job in Hamburg gefunden habe, muss ich täglich vier bis fünf Stunden mit dem Bus oder Zug pendeln. Das ist auf die Dauer sehr anstrengend. Auch für meine Familie. Es wäre toll, eine kleine Wohnung in Hamburg oder Umgebung zu finden! Vielleicht in einer Stunde Entfernung von meinem Arbeitsort. Wir können bis zu 900 Euro Miete bezahlen. Meine Frau Waad hat in Syrien Landwirtschaft studiert, jetzt bleibt sie bei dem Baby zu Hause. Meine beiden jüngeren Kinder sind in Deutschland geboren, gehen hier in den Kindergarten, lernen Deutsch. Sie haben Syrien nie gesehen, sie kennen Syrien nicht. Deutschland ist ihre Heimat geworden. Die Kinder verbinden uns mit diesem Land. Es gibt viele Vorurteile gegen Ausländer in Ostdeutschland. Und wenig Möglichkeiten die Sprache zu üben. Das macht die Integration nicht gerade einfach. Deswegen finde ich es wichtig, in die Migrationszentren zu gehen und

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© Eugenia Loginova

Ich suche Freundschaft im neuen Land

 Ich war ungefähr ein Jahr dort, länger durfte ich nicht bleiben, weil ich aus Syrien komme. Ich musste Saudi-Arabien verlassen und flüchtete nach Deutschland. Ich lebe seit ungefähr zwei Jahren hier. Erst war ich eineinhalb Jahre im Erstaufnahmelager Schnackenburgallee, aber vor zwei Monaten habe ich ein Zimmer in einer Wohnung gefunden. Ich lebe jetzt im Hamburger Stadtteil Harburg. Ich finde Harburg schön, weil es ein multikultureller Stadtteil mit Menschen aus vielen verschiedenen Ländern ist. Ich lerne jetzt deutsch und ich möchte eine Ausbildung als Buchhalter machen. Mein Wunsch wäre es, bei einer Bank zu arbeiten, und mit Deutschen Freundschaft schliessen zu können. In einem neuen Land brauchen wir Freunde! Ich versuche immer deutsche Menschen kennenzulernen.  

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Shangyrak: Meine Jurte

Jurte bedeutet auf kirgisisch und türkisch – Heim. Mikrokosmos. Ein Shangyrak ist ein kreuzähnliches Element in der Jurte. Aus Holz gemacht, befindet es sich an der Decke. Dort verbindet die kuppelförmige Öffnung. Der Shangyrak ist ein wichtiger Teil einer Jurte, weil durch ihn Sonnenlicht herein kommt und Rauch vom Feuer entweicht. Die Jurte ist für mich ein Symbol für das Heim, für das Zuhause. Deshalb will ich auch diesen Artikel mit einer Beschreibung meiner persönlichen Jurte anfangen! Heute möchte ich dich in meine private Jurte einladen und über Neuigkeiten aus meinem Leben von der letzten Zeit erzählen. Wanduhr und Kalender in der Jurte   Wenn du reinkommst, hängen auf der rechten Seite vom roten Holzbalken der Jurte, der Wandfunktion hat, zwei Gegenstände: eine runde Wanduhr und ein Kalender. Diese Gegenstände haben mir in den letzten Jahren in Deutschland einen gewissen Halt und Orientierung gegeben. Lineare Zeit ist ein besonderer Teil des kapitalistischen Systems in Deutschland, weil sie konkret und getaktet ist. Seitdem ich in Deutschland bin (2006), ist das auch in meinem Geist ein fester Bestandteil geworden. Ich habe mich immer an der linearen Uhrzeit orientiert und mich streng daran gehalten. Überall wollte ich pünktlich sein und in den 24 Stunden möglichst viele Aufgaben erledigen. Wochentage waren ebenso wichtig. Jeder Wochentag hatte für mich einen Charakter. Als ich noch als Angestellte gearbeitet habe, war der Montag für mich ein freier Tag. Während viele Menschen in die Arbeit gingen, bin ich an dem Tag zum Yoga gegangen oder habe andere Dinge gemacht. Deshalb war er für mich ein Lieblingstag. Dienstag war für mich der Anfang der Arbeitswoche, an dem ich gearbeitet habe, mich um meine Tochter gekümmert und den Haushalt erledigt habe. Es war ein gewöhnlicher Tag ohne ein bestimmtes Merkmal. Mittwoch war für mich wie ein kuscheliger Teddybär, weil er irgendwie

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Jesina Sivapalan
Ich bin Jesina und komme ursprünglich aus dem Ruhrgebiet, ich wohne seit 2019 in Essen und bin studierte Juristin. Meine Eltern stammen ursprünglich aus Sri Lanka und leben seit fast 40 Jahren in Deutschland, daher sind die Themen Kultur, Migration und Integration von großer Bedeutung für mich. In meiner Freizeit beschäftige ich mich zudem mit Kunst, Kultur, Musik und Umwelt.

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