Viele Menschen fliehen immer noch vor Krisen und Konflikten in ihren Heimatländern und suchen Schutz in der EU, vor allem in Deutschland. Etwa 600 Menschen aus unterschiedlichen Ländern wurden seit Mitte Juni 2023 in die neue Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes in Mülheim-Raadt, einem kleinen Stadtteil am Rande der Stadt, untergebracht.
Für die Anwohner*innen des Stadtteils hat sich seitdem vieles geändert. Sie erheben Vorwürfe gegen die neuen Bewohner*innen in ihrem Viertel. Sie berichten vor allem von „eingeschränkter Lebensqualität“. Einige äußern jetzt wegen Belästigungen durch Lärm und Müll lautstark Kritik. Vor Kurzem verfasste eine Anwohnerin des Stadtteils eine E-Mail an Politiker*innen, darunter NRW-Innenminister Herbert Reul und Integrationsministerin Josefine Paul. Die E-Mail sorgte in den Medien für viel Aufmerksamkeit. Die Anwohnerin beklagte in ihrem Schreiben eine Zunahme von Lärm und Müll in der Umgebung und erwähnte sogar einen versuchten Einbruch. Die Polizei untersuchte die Vorwürfe und gab Entwarnung. Ein Einbruch konnte nicht nachgewiesen werden.
Die Meinungen der Anwohner*innen gehen weit auseinander
Wir treffen ein Ehepaar an, das gerade einen Spaziergang in dem Wohnblock macht. Sie berichten uns von ihren Beobachtungen: Einige Anwohner würden sich schon so sehr bedroht von den Geflüchteten fühlen, sodass sie nun Waffenscheine erwerben. Andere wiederum reagieren entspannter. Vor allem sei für die Reaktionen der Anwohner*innen die Entfernung zwischen ihrem Haus und der Flüchtlingsunterkunft maßgeblich. Das Ehepaar weist auch darauf hin, dass die Stadt bisher keinen verbindlichen Ansprechpartner*innen für die Anwohnenden zur Verfügung stellte. Sie selbst sind etwas unentschlossen, welche Haltung sie im Umgang mit den geflüchteten Menschen einnehmen sollen. Einerseits möchte man die Willkommenskultur aufrechterhalten, andererseits weiß man nicht so genau, wie man mit diesem „ungewohnten Klientel” umgehen soll. Den zunehmenden Lärmpegel bestätigt das Ehepaar und sie sind auch darum besorgt, dass der Marktwert ihres gekauften Hauses sinken könnte.
Wir sprechen mit einer weiteren Familie, deren Haus auf die Flüchtlingsunterkunft schaut. Sie haben wenig Verständnis für die übertriebenen Reaktionen ihrer Nachbar*innen, denn sie heißen Diversität und Multikulturalität absolut willkommen im Ruhrgebiet. Lediglich der Lärmpegel habe etwas zugenommen, weil 600 Leute durch ihre Straßen schlendern. Das sei für die Familie aber absolut kein Problem. „Natürlich könnte es auch mit der Zeit Probleme geben durch vereinzelte Täter“, aber sie würden niemanden vorverurteilen wollen.
Diese Anwohner*innen haben vor allem das Gefühl, dass mit dem Brief an den Innenminister nur eine Seite der Wahrheit dargestellt wurde. Sie zumindest haben keine Probleme mit den geflüchteten Menschen und fühlen sich auch weiterhin sicher.
Geflüchtete: Wir wollen das Leben der anderen nicht beschränken
Manal kam vor einem Monat mit ihrer Familie nach Deutschland und wohnt derzeit in der Unterkunft in Mülheim-Raadt. Sie kann die Sorgen und Beschwerden der Nachbar*innen nachvollziehen: „Wir können dagegen nichts tun. Wer so viele Menschen auf einmal in einer Sammelunterkunft unterbringt, muss damit rechnen, dass es zu Konflikten kommen kann.“
Dieser Aussage stimmt Arnela Sejdic zu. Seit acht Monaten lebt die Bosnierin mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in Deutschland und vor drei Wochen sind sie in der Mülheimer Sammelunterkunft untergebracht worden. „Hier gibt es keinen Spielplatz, wo die Kinder spielen oder einen Park, wo wir die Zeit verbringen können. Also, entweder bleiben wir 24 Stunden in der Unterkunft oder gehen gemeinsam in die Mülheimer Innenstadt. Und wahrscheinlich gefällt das unseren Nachbarinnen und Nachbarn nicht, dass wir uns in Gruppen bewegen“, erklärte sie.
Die betroffenen 600 Menschen sind vor allem Menschen, die ihre Länder aufgrund des Krieges und der Unterdrückung verlassen haben. Ali (Name geändert) aus Nordsyrien berichtet auch von Lärm aus der Unterkunft und könne die Angst und die Befürchtung der Anwohnenden auch verstehen. „Aber wir wollen das Leben der anderen nicht beschränken, sondern wir wollten hier nur einen sicheren Ort finden, an dem wir unser Leben wieder aufbauen können“, so der 59-Jährige. Doch der Syrer kann sich nicht vorstellen, dass alle Geflüchteten in der Unterkunft pauschal kritisiert wurden: „Wir sind mehr als 500 Personen. Deshalb, jede Person präsentiert sich selbst. Also wenn jemand Lärm verursacht, heißt es nicht, dass wir alle das Gleiche tun. Wenn jemand seinen Müll nicht vernünftig in die Mülltonne wirft, bedeutet das nicht, dass wir alle unseren Müll auf der Straße schmeißen.“
Bezirksregierung in Düsseldorf bietet Bürgersprechstunden an
Die Bezirksregierung in Düsseldorf, die für die ZUE zuständig ist, kündigt am Montag, den 31. Juli, an, Bürgersprechstunden anzubieten. Die erste Sprechstunde soll am Dienstag, 8. August, um 19.30 Uhr in die Kantine der ZUE stattfinden. Weitere Termine sind hier zu finden.