Wir sind 87 Prozent

Wir haben es geahnt. Hätten es aber trotzdem nicht für möglich gehalten, dass eine Partei mit rechtsradikalem Diskurs und den entsprechenden Tendenzen, einen so gewaltigen Erfolg erreichen könnte. Aber die AFD hat 13% der Wähler mit ihrem stumpfsinnigen, zum Teil rassistischen und offen tendenziösen Programm überzeugen können.

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Kaum wurden die Zahlen bekannt gegeben, schon begann die große Abrechnung und Schuldzuweisung der etablierten Parteien. Politiker der drei größten Fraktionen rangen in den Medien mit den Wörtern, um den Wählern eine passable und einigermaßen nachvollziehbare Erklärung zu präsentieren, warum sie so viele Wählerstimmen verloren haben.

Wie werden wir mit dieser neuen deutschen, politischen Realität umgehen?

Das erste Opfer war die älteste Partei der BRD, die SPD. Selbst in alten Hochburgen mussten deren Vertreter zähneknirschend feststellen, dass auch sie viele Stimmen an die Blauen abgeben mussten.
Die Union musste das schlechteste Ergebnis seit 1949 verkraften. Verschiedene namhafte Medien haben bereits im Vorfeld und erst recht nach dem Wahlergebnis Debatten, Leitartikel und Kolumne über den raketenhaften Aufstieg der AFD veröffentlicht. Ich werde mich nicht diesem Journalistentross anschließen, dafür reicht der Platz des Magazins nicht. Vielmehr bewegt mich die Frage, wie werden wir, die anderen 87%, mit dieser neuen deutschen, politischen Realität umgehen? Wie wird die mögliche, neue Regierung der sogenannten Jamaika-Koalition mit den heiklen Themen umgehen, um mit glaubhaften Lösungen die Wähler wieder zu gewinnen?

Die absolute Mehrheit der AFD-Wähler, 89%, egal oder im Osten oder Westen, gaben Unzufriedenheit mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin an, um ihre Entscheidung zu begründen. Auch in Ortschaften, zum Teil recht klein zugegebenermaßen, wo kein einziger Ausländer oder Flüchtling weit und breit zu sehen ist, erreichte die blaue Partei eine abschreckende Mehrheit. Umso wichtiger wird es für die neue Regierung werden, mit belegbaren Fakten Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber wird die dieses wirklich wollen? Oder wird sie eher versuchen, mit Themen wie Rente und soziale Gerechtigkeit Zeit zu gewinnen, während im Hintergrund an einer Lösung des Flüchtlingsproblems mit welchen Mitteln auch immer gearbeitet wird?

Immense Herausforderungen

Die deutsche Regierung, in welcher Farbe auch immer, und andere Regierungen weltweit müssen anfangen, sich ernsthafte Gedanken zu machen, warum Millionen von Menschen zu Flüchtlingen gemacht werden. Ansonsten ist es gut vorstellbar, dass rassistische und rechte Parteien in unmittelbarer Zukunft eher einen noch größeren Zulauf genießen werden. Beispiele dafür stellen einige europäische Nachbarn, wo auch die Bürgerrechte und Pressefreiheit immer mehr leiden. Es ist mir vollkommend klar, dass der Versuch der Bildung einer Koalition mit Union, FDP und Grünen eine immense Herausforderung für diese Parteien darstellt, so groß gehen die Ziele und Meinungen auseinander. In Sachen Flüchtlingspolitik sollten die Vertreter dieser Parteien zumindest auf die Worte des Ministers für Entwicklungshilfe, Dr. Gerd Müller, zuhören. In seinem Buch „UNFAIR„ plädiert er für ein gemeinsames Zupacken und Lösungen vor Ort umsetzen. Da, wo Millionen von Menschen nicht anders können, als zu flüchten. Wovor auch immer. Dr. Müller gehört zur CSU, die neue Regierung dürfte also keine großen Probleme haben, seine ernsthafte Meinung zu berücksichtigen. Das wäre in unserem Interesse, um eine bereits komplexe Situation nicht eskalieren zu lassen. Wir sind die 87%, die an einem offenen Dialog ohne Tabus und vorgefertigte Meinungen glauben. Wir sind diejenigen, die mit demokratischen Mitteln alles unternehmen sollten, um populistische Gefahren von unserer Gesellschaft abzuwenden.

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Leonardo De Araújo, geboren in Rio de Janeiro, Brasilien lebt seit etwas mehr als 30 Jahren in Deutschland, vorwiegend in Hamburg. Nach einigen Berufsjahren in Werbeagenturen hat er 35 Jahre in der Fernsehproduktion gearbeitet. Nebenbei hat er sich auch als Drehbuchautor und Fotograf beschäftigt – und für das Flüchtling-Magazin, heute kohero, geschrieben.

2 Antworten

  1. Fakt ist: 6 Millionen Menschen haben das Afd gewählt und die Mehrheit davon haben Migrationshintergrund. Ich arbeite selber in eine Berufliche Schule als Lehrerin wo unsere Jugendlichen, die meisten auch mit Migrationshintergrund, NICHTS mit Flüchtlingen (hören sie auf sich Flüchtlinge zu nennen, ihr seid nicht mehr Flüchtlinge, ihr seid jetzt Migranten) etwas zu tun haben wollen. Mit verschiedene Projekte versuchen wir unsere Deutsche Schuler ein Schritt Nähe in der Zusammenarbeit, Kooperation und Interkulturelle Mediation mit Flüchtlinge. Ob das alles funktionieren wird, bin ja Mal gespannt!

  2. „wie werden wir, die anderen 87%, mit dieser neuen deutschen, politischen Realität umgehen?“

    Was bitte ist daran neu?

    Die Farbe blau?

    Deutschland hat eine ebenso lange wie unselige braune Tradition (die diesem Land im übrigen für sehr lange Zeit einen ungeheuren Fundus von Sympathie aus der arabischen Welt beschert hat), und nur weil in Zeiten des angeblichen wirtschaftlichen Niedergangs (der überall zu spüren ist ausser in Deutschland) diese Tradition wieder offener gelebt wird allgemeines Heulen und Zähneklappern auszurufen ist meiner Meinung nach mehr als nur heuchlerisch, es ist realitätsfremd.

    So fremd dass man sich schon fast wieder einmal fremdschämen muss dafür.

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