Sportvereine sind auf ehrenamtliche Beteiligung angewiesen, doch besonders viele Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte findet man in solchen Positionen nicht. Dabei könnte eine homogene Vereinskultur mit mangelnder Diversität in Sportvereinen zusammenhängen. Warum es so wichtig ist, dass Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte im Ehrenamt vertreten sind, erfahren wir von Dave Rahimi, einem afghanischen Geflüchteten, der sich seit 5 Jahren im Sportverein Eidelstedt engagiert.
Wie engagierst du dich zurzeit im Sportverein?
Ich bin beim Sportverein Eidelstedt als Boxtrainer tätig. Ich bin fast jedes zweite Wochenende mit meinen Jungs in ganz Deutschland unterwegs zu Turnieren und Kämpfen. National und international. Seit 10 Jahren bin ich Hamburger Jugendwart, da mache ich sehr viel – von deutscher Meisterschaften bis zu internationalen Turnieren. Seit mindestens 20 Jahren arbeite ich bereits mit Kindern und Jugendlichen zusammen.
Wie bist du dazu gekommen, dich ehrenamtlich zu engagieren?
Das ist eine lange Geschichte. Ich bin in Afghanistan in Gefangenschaft geraten, das war natürlich Horror und da betete ich zum lieben Gott und sagte: “Bitte hilf mir. Wenn du mir hilfst, werde ich mein ganzes Leben lang Kindern und Jugendlichen helfen.“ Tatsächlich wurde ich gerettet. Der liebe Gott hat mir geholfen und seitdem helfe ich.
Wusstest du damals schon, dass du Kindern und Jugendlichen mit Boxen helfen wirst?
Nein. Ich habe die Leidenschaft fürs Boxen gehabt, leider war ich wegen dem ganzen Krieg nie richtig frei, kopfmäßig, aber es hat mir immer geholfen. Dann kam ich irgendwann nach Hamburg und habe meine Frau kennengelernt. Als ich ihr erzählt habe, dass ich gerne wieder boxen würde, hat meine Frau einen Boxclub für mich gefunden. Als meine beiden Kinder selbst mit Boxen angefangen haben, habe ich den Trainerschein gemacht. Dabei habe ich gemerkt, dass ich nicht nur meinen Kindern helfen kann, sondern auch anderen. Und das ist eigentlich genau das, was ich mir wünsche. Derzeit arbeite ich mit Kindern und Jugendlichen im Gymnasium Dörpsweg als Pädagoge und Sportlehrer. Durch den SVE und mein Ehrenamt habe ich dort eine Festanstellung bekommen.
Wie war der Zugang für dich zum Ehrenamt?
Als mein Sohn mit 13 Jahren zur deutschen Meisterschaft nominiert wurde, habe ich jemanden aus dem Verband kennengelernt, der zu mir meinte: “Du bist der richtige Mensch, um anderen zu helfen und es wäre schön, wenn du das nächste Mal im Verein kandidierst.“ Ich habe zu dem Zeitpunkt schon 1-2 Jahre im Verein gearbeitet, die Leute kannten mich schon und dann habe ich es einfach probiert und bin dann tatsächlich zweiter Jugendwart geworden.
Welchen Vorteil hast du im Ehrenamt mit deiner Fluchtgeschichte?
Verständnis für die Kinder. Ich verstehe sie sehr gut. Wie sie reden, was sie erzählen. Mittlerweile spreche ich mehrere Sprachen. Von arabisch bis russisch über persisch und afghanisch und darüber hinaus. Ich arbeite in der Schule auch mit Kindern aus verschiedenen Ländern zusammen. Wenn du auf jemanden zugehst und seine Sprache sprichst, schaut er dich an, vertraut dir, öffnet sich und kommt zu dir. Als ich hierherkam, war das ganz anders, da wurde ich angeguckt, „sprich Deutsch“, obwohl ich diese Sprache noch nie vorher gehört habe. Dadurch, dass ich einiges erlebt habe, gehe ich mit den Kindern auch ganz anders um und die Kinder lieben mich und ich sie auch.
Braucht es mehr Menschen mit Fluchtgeschichte im Ehrenamt in Sportvereinen?
Ja. Es ist sehr wichtig. Gerade die Kinder, die jetzt kommen, die haben nichts Gutes erlebt. Die wenigsten haben freiwillig ihr Zuhause, ihr Leben verlassen, um irgendwohin zu gehen. Da muss man auf die Kinder ganz anders eingehen, sie aufbauen und integrieren. Sport ist dabei ein wichtiger Zugang und Katalysator.
Mehr zum Thema Diversität im Sport erfährst Du in unserer Printausgabe #6: „In Bewegung„
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