Kinderschutzbund: Paten für minderjährige Geflüchtete

Der Deutsche Kinderschutzbund, Landesverband Hamburg e.V., will  vor allem die Grundrechte und Interessen von Kindern vertreten. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Kinder zu ergreifen. Das schließt minderjährige, unbegleitete Geflüchtete mit ein. Damit diese Kinder und Jugendliche nicht auf sich allein gestellt sind, können ehrenamtliche Paten sie langfristig und verbindlich betreuen. Der Kinderschutzbund qualifiziert und begleitet diese fachlich. Unser Autor Leonardo De Araújo hat mit Sevil Dietzel über die Projekte des Kinderschutzbundes und über geflüchtete Kinder gesprochen.

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kohero: Frau Dietzel, wie funktioniert in der Praxis die Aufnahme und das Training der Interessenten an einer Patenschaft oder Vormundschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge beim Kinderschutzbund?

In der Praxis treten die interessierten Bürger aus Hamburg in Kontakt mit uns und werden in einem vier-Augen Gespräch über alle Aspekte und Besonderheiten einer solchen Tätigkeit informiert. Sollten sie weiterhin diese Aufgaben aufnehmen wollen, werden sie zu einer der regelmäßig stattfindenden Schulungen eingeladen.

kohero: Werden die betroffenen Kinder nach erfolgreicher Aufnahme auch bei den Paten wohnen?

Die Patenschaft oder Vormundschaft hat nichts mit dem Aufenthaltsort des Kindes zu tun. Die unbegleiteten Jugendlichen, die nach Hamburg kommen, werden von geschulten und erfahrene Fachkräften der Jugendhilfe in freien oder öffentlichen Jugendhilfeträgern betreut. Wir versuchen dieses Regelangebot zu ergänzen, indem den Jugendlichen eine Person zur Verfügung gestellt wird, die sich einzig und allein um sie kümmert und außerhalb von Institutionen steht.

kohero: Sie verfügen über eine langjährige Erfahrung mit der Aufnahme und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Wie kommen diese Kinder überhaupt nach Europa?

Es gibt ja unterschiedliche Wege, je nachdem aus welchem Herkunftsland das Kind kommt. Ich möchte aber betonen, dass ich mir das Wissen darüber anlese. Von den Jugendlichen selbst erfahre ich nichts. Ich frage auch nicht danach.

Ich führe ein Gespräch mit den Betroffenen, um erfahren zu können, wonach sie suchen, welche Art von Vormund oder Paten ich für sie finden soll. Ein zweites Gespräch erfolgt, wenn die Jugendlichen erfolgreich vermittelt werden. Darauf ist der Kontakt beschränkt. Aufgrund der vielfältigen Belastungen und Traumatisierungen wäre es unsachlich oder auch unethisch in nur zwei Gesprächen tiefer nach den Gründen oder Wege der Flucht zu fragen.

Ich beschäftige mich ganz intensiv mit dem Hier und Jetzt. Wie ist die Situation jetzt, was können wir für sie tun, was kann ein Pate für sie leisten, was erwarten sie. Das hat sich in der Vergangenheit als gut praktikabel erwiesen. Auch in der pädagogischen Bewältigung eines Traumas ist das der bessere Weg in diesem kurzen Kontakt mit den Jugendlichen.

Sevil Dietzel vom Deutschen Kinderschutzbund an ihrem Schreibtisch
Sevil Dietzel. Foto: Deutscher Kinderschutzbund, Landesverband Hamburg e.V

kohero: Inwiefern erhält der Kinderschutzbund staatliche Unterstützung bei seinen Projekten?

Beide Projekte des Kinderschutzbundes für minderjährige, unbegleitete Geflüchtete sind Zuwendungsprojekte. Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration der Hansestadt Hamburg finanziert unsere Projekte und unterstützt uns so bei der Durchführung. Das Projekt Patenschaften für UMF (unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge) entstand durch den ausdrücklichen Wunsch der Behörde und wurde 2016 initiiert.

Wir waren dort schon gut bekannt, da die Vormundschaft bereits seit 22 Jahren besteht. Dieser Schwerpunkt des ehrenamtlichen Vormundes, für die Betreuung von Jugendlichen Bürger zu gewinnen und auszubilden, ist im BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) verankert. Des Weiteren wurde dieses Angebot wegen der großen Zunahme in der Anzahl von minderjährigen Flüchtlingen seit etwa 2010 erweitert.

Kohero: Anfang des Jahres haben Mitglieder der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ erfolglos versucht, Patenschaften oder Vormundschaften zu bekommen. Auf deren Homepage wird u.a. behauptet, dass Paten oder Vormünder bis zu 1.500 Euro bekommen, um sich um die Belangen der Kinder zu kümmern. Stimmt das überhaupt?

Ich weiß nicht, wie diese Zahl zustande kommt. Ehrenamtliche Paten oder Vormünder haben lediglich Anspruch auf eine jährliche Aufwandsentschädigung von derzeit 399 Euro, bei Mittellosigkeit des Mündels. Das ist eine gesetzliche Vorgabe. In Fällen der Mittellosigkeit können diese 399 Euro bezogen werden. Insofern ist die Behauptung auf der Homepage der „Identitären Bewegung“ schlicht und einfach falsch.

kohero: Bekommen Sie von den Paten oder Vormündern Rückmeldungen über deren Beziehungen zu den Kindern oder auch über die Fortschritte?

Neben der Akquise und Vermittlung geeigneter Bürger ist dieser Dialog einer der Schwerpunkte in der Zusammenarbeit. Über den gesamten Zeitraum der Paten- oder Vormundschaft – und darüber hinaus – begleiten wir die Ehrenamtlichen. Die Begleitung erfolgt in Form eines Treffens jeden Monat und zusätzlich durch interessante Fortbildungsseminare. Bei Bedarf bieten wir auch einzelne Beratungen oder Gruppenberatungen je nach Komplexität der Fälle.

In der zweiten Methode werden gezielt Ehrenamtliche dazu geholt, von denen wir wissen, dass sie zu einer Gruppe gut passen. Die Mitarbeiter der Vormundschaft sind auch außerhalb der Sprechzeiten, auch am Wochenende, mobil erreichbar. Sie können in Notfällen innerhalb von 24 bis 48 Stunden eine entsprechende Beratung anbieten.

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Pia von Pias Kids – eine Patin mit Herz

Pia ist seit fünf Jahren Patin einer sechsköpfigen syrischen Familie, die 2015 nach Deutschland flüchtete. Auf ihrem Instagram-Account “Pias Kids” hält sie ihre Erfahrungen fest und zaubert mit ihrem Projekt „Herzpost“ Farbe in den Alltag geflüchteter Kinder.

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Foto von Hussam Al Zaher

Mit dem ma-co in den Arbeitsmarkt

Das ma-co – maritimes competenzcentrum GmbH – ist Bildungsträger für deutsche Seehäfen und die hafennahe Logistik. Ein Team aus 35 festen Mitarbeitern qualifiziert mit zusätzlichen 60 freien Trainer*innen jährlich über 600 Teilnehmer*innen in sämtlichen Bereichen dieses umfang- und facettenreichen Arbeitsmarktes. Der Urspung des ma-co liegt in der 1975 in Hamburg und Bremen gegründeten Hafenschule. Heute bietet es auch vielen Geflüchteten und Schutzsuchenden die Chance zum Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt. Unser Autor Leonardo De Araújo hat sich mit ma-co-Mitarbeiterin und Ansprechpartnerin für Arbeitssuchende Svenja Steffens zu einem Interview getroffen, um mehr über diesen Weg in den Job zu erfahren.

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Stirbt die Hoffnung zuletzt?

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Autorengruppe
Leonardo De Araujo
Leonardo De Araujo, geboren in Rio de Janeiro, Brasilien lebt seit etwas mehr als 30 Jahren in Deutschland, vorwiegend in Hamburg. Nach einigen Berufsjahren in Werbeagenturen hat er 35 Jahre in der Fernsehproduktion gearbeitet. Nebenbei hat er sich auch als Drehbuchautor und Fotograf beschäftigt – und für das Flüchtling-Magazin, heute kohero, geschrieben.

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