Neues Einbürgerungsgesetz: Ja zu Fachkraft, nein zu Menschen

Die Ampelkoalition will Zuwanderung nach Deutschland erleichtern. Jetzt wurden zwei Gesetze zur einfacheren Einbürgerung beschlossen, die genau diese Pläne umsetzen, weitere sollen folgen. So richtig überzeugt sind davon aber nur Grüne, SPD und die Hälfte der Bevölkerung.

Fotograf*in: Markus Winkler on Unsplash

„Wir wollen, dass Menschen, die gut integriert sind, auch gute Chancen in unserem Land haben. Dafür sorgen wir mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht“, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Am 2.12.22 hat der Bundestag mit 371 Stimmen, darunter SPD, Grüne und FDP, das neue Einbürgerungsgesetz beschlossen. Die Änderungen im Kurzüberblick:

Eine „Chance“ für einen dauerhaften Aufenthalt bekommen Menschen, die am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben und keine Vorstrafe haben (kohero berichtete). Sie haben 18 Monate Zeit, um die Voraussetzungen für einen dauerhaften Aufenthalt zu erfüllen. Dazu gehören Sprachkenntnissen und die Sicherung des Lebensunterhaltes. Rund 137.000 Menschen können von dem neuen Gesetz profitieren.

Eine weitere Änderung in der Migrationspolitik betrifft die Dauer von Asyl(gerichts)verfahren. Diese dürfen nach dem Beschluss des Bundestages vom 2.12.22 maximal sechs Monate dauern und weniger bürokratisch ablaufen. Eine Verlängerung auf 18 Monate ist unter Umständen aber möglich.

Die Pläne von Bundesinnenministerin Faeser (SPD) beinhalten weitere Aspekte, zu denen noch keine konkreten Beschlüsse vorliegen. Für die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland wurde über Eckpunkte der Neuerungen abgestimmt. Doch besonders ein Aspekt bei der geplanten Erleichterung der Einbürgerung sorgt für viele Diskussionen im Bundestag: die Staatsbürgerschaft.

Kritik von Union und FDP

„Wer auf Dauer hier lebt und arbeitet, der soll auch wählen und gewählt werden können, der soll Teil unseres Landes sein, mit allen Rechten und Pflichten, die dazugehören“, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Auftaktveranstaltung des Gesprächsformats „Deutschland.Einwanderungsland: Dialog für Teilhabe und Respekt“ in Berlin. Während sich Scholz für die Pläne seiner Parteikollegin Faeser ausspricht, kommt von der Fraktion und Teilen der eigenen Koalition Gegenwind.

Die Union ist dagegen, grundlegend die Doppelstaatsbürgerschaft zu ermöglichen. Auch Koalitionspartnerin FDP äußert Kritik. „Eine Entwertung der deutschen Staatsbürgerschaft wird es mit der FDP nicht geben“, so FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr sprach davon, dass man Migration in den Arbeitsmarkt lenken müsse „und nicht in die sozialen Sicherungssysteme“. Ob er sich zu dieser Befürchtung mit Friedrich Merz, Parteivorsitzender von CDU/CSU, ausgetauscht hat? Durch die Erleichterung müsse, so Merz im Bericht aus Berlin, vermieden werden, dass eine „Einwanderung in unsere Sozialsysteme“ erfolge. Er ordnet die deutsche Staatsbürgerschaft als „etwas sehr Wertvolles“ ein, „doppelte Staatsangehörigkeiten sollten der Ausnahmefall sein.“

Die stellvertretende Vorsitzende der Union, Andrea Lindholz, sieht im Zulassen der doppelten Staatsangehörigkeit eine Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Alexander Dobrindt, auch Unions-Vize, sprach sogar von einem „Verramschen“ der deutschen Staatsangehörigkeit.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD) reagiert auf die Kritik von Union im Interview mit der Funke Mediengruppe: „Wir wollen ein modernes Einwanderungsland gestalten. Dazu gehört, dass wir schneller, besser und mehr einbürgern.“ Deutschland sei auf Fach- und Arbeitskräfte, die „gerne zu uns kommen und bleiben“, angewiesen. Das Institut für Wirtschaft (IW) errechnete den Bedarf an jährlich rund 500.000 Fachkräften aus dem Ausland.

Meinung der deutschen Bevölkerung

Die ARD hat zu den neuen Gesetzen eine Umfrage (DeutschlandfunkTrend vom 1.12.2022, Infratest dimap) durchgeführt. Das Ergebnis: 49 % der Deutschen sind der Meinung, die erleichterte Einbürgerung gehe in die „richtige Richtung“. Es heißt aber auch, dass die andere Hälfte der Bevölkerung in den Neuerungen eine „falsche Richtung“ erkenne (45 %). Und das liegt entweder daran, dass den Menschen die Reformen zu weit oder nicht weit genug gehen. Aufgeschlüsselt nach Parteiangehörigkeit unterstützen Grünen- (86 %) und SPD-nahe Menschen (67 %) Faesers Pläne, Linke (58 %) überwiegend. Parteianhänger*innen von FDP (47 %) und Union (44 %) sind sich so uneinig wie die Politiker*innen selbst, von Anhänger*innen der AfD bekommt die erleichterte Einbürgerung – auch nicht überraschend – wenig Zuspruch: 72 % sind gegen die Reformpläne.

Menschen den Aufenthalt zum Arbeiten, aber nicht zum Mitgestalten und Leben zu ermöglichen, erinnert an die Debatten um die Bleibemöglichkeiten der Gastarbeiter*innen – sprich: an die 90er Jahre. Das Erheben der deutschen Staatsbürgerschaft auf ein Podest, an das man nur durch Anpassung an die neue Heimat und das Abschütteln der alten herankommt, ist wortwörtlich abgehoben.

Es ist egal, ob Menschen als Arbeitskräfte, aus persönlichen Gründen oder wegen der Situation in ihrem Herkunftsland nach Deutschland kommen. Menschen sind nicht wertvoll, weil sie wertvoll für die Wirtschaft eines Landes sind, sondern weil sie Menschen sind. Es ist Zufall, wo wir geboren werden. Und eine Staatsbürgerschaft ist auch kein Privileg, das man sich verdienen muss. Deutschland ist längst ein Einwanderungsland. Wir müssen unser Miteinander gemeinsam gestalten können.

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