Liebes Jobcenter, ich habe einen Traum…

Wael Alkadrw kommt aus Syrien, flüchtete aber aufgrund des Kriegs nach Deutschland. Trotz seines Masters in Bio- und Chemie-Ingenieurswesen bekommt er hier keinen Job in dieser Branche und macht derzeit eine Ausbildung zum Maler. Seine Hoffnung, irgendwann wieder in seinem Traumberuf zu arbeiten, formuliert er in diesem Brief.

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Liebes Jobcenter,

ich bin Wael Alkadrw, der Mann mit der Kundennummer 632. Ich schreibe dir, weil ich weiß, dass dir Papier wichtig ist. Und ich hoffe, dass du dieses Dokument aufmerksam liest. Ich möchte etwas über meine Träume und die Entscheidungen schreiben, die du über mich triffst.

Ich freute mich auf die Zukunft 

Der Krieg in Syrien hat über mich entschieden, dass ich meine Heimat verlassen musste. Ich habe nie davon geträumt, ein Flüchtling in deinem Land zu sein. An der Universität von Damaskus habe ich von einer Karriere als Chemiker geträumt. Eine Zeitlang sah alles gut aus. Meine Eltern waren stolz auf mich und ich freute mich auf die Zukunft, die mir bevorstand.

Im Krieg konnte ich über ein Stipendium an eine Universität in Spanien gehen. Ich dachte immer: Wenn das Stipendium ausläuft, kann ich zurückkehren, in ein Land in Frieden. Stattdessen musste ich einen neuen Ort finden, der mir Asyl gewährt. So kam ich nach Deutschland.

Jetzt bin ich also hier. Das haben wir uns beide nicht so vorgestellt. Aber zum Glück haben wir eines gemeinsam: Wir beide wollen Arbeit für mich finden!

Du ahnst nicht, wie sehr ich meine Träume und Ziele aus meiner Heimat vermisse! Sie bekommen hier einfach keine Aufenthaltsgenehmigung …

Nun übermale ich meine Träume

Zum Glück gehöre ich nicht zu den Menschen, die leicht aufgeben. Ich möchte so gerne etwas Gutes tun für dieses Land, Deutschland, das mir den Frieden und die Sicherheit gegeben hat. Ich möchte eine aktive Person in dieser Gesellschaft sein!

Weil Du, liebes Jobcenter, es so entschieden hast, besuche ich derzeit eine Maßnahme, um den Beruf des Malers zu erlernen. „Man kann jede Arbeit lernen!“, sagte einer deiner Mitarbeiter (etwas unfreundlich) zu mir. „Von UNS bekommen Sie Ihr Geld! Deshalb treffen WIR die Entscheidungen!“ Ja, das ist richtig.

Für die Unterstützung des Jobcenters, die mir mein Leben sichert, bin ich jeden Tag dankbar. Und obwohl es mir überhaupt keinen Spaß macht, lerne ich nun das Malern. Ich kenne nun die deutschen Begriffe für alle Werkzeuge, die man braucht, um eine Wohnung anzustreichen. Ich kenne die Farben und kann alles weiß oder bunt malen.

Aber gleichzeitig übermale ich damit auch meine Träume.

In Spanien habe ich einen Master in Bio- und Chemie-Ingenieurwesen gemacht, in Syrien habe ich als Assistenzprofessor an der Universität gearbeitet. Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, auch hier in meinem Beruf arbeiten zu können. Chemische Prozesse laufen in Deutschland nicht anders, als in meiner Heimat.

Bitte, liebes Jobcenter, schau mir ins Gesicht und betrachte mich als einen Menschen, dessen Träume gerade dabei sind zu platzen. Ich bin keine Nummer. Sei bitte nicht so kalt wie das deutsche Wetter.

Mit freundlichem Gruß,

Dein Wael
Bochum, im Dezember 2017

Dieser Text von Wael Alkadrw erschien 2018 in der 10. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“

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