Italien ruft Notstand aus: hohe Migrationszahlen

Nachdem wieder zahlreiche Menschen nach der Flucht über das Mittelmeer in Italien angekommen sind, hat Ministerpräsidentin Meloni den Notstand ausgerufen. Maßnahmen zur Aufnahme Geflüchteter sollen hiermit einfacher umgesetzt werden können – doch wird es so auch passieren? Und wo sind die anderen Staaten der Europäischen Union? Natalia Grote kommentiert, warum ein einheitliches Vorgehen der EU im Umgang mit Migration dringend nötig ist

Fotograf*in: Janosch Diggelmann on unsplash

Vor knapp einem Monat habe ich einen Beitrag für unsere wöchentliche Kolumne kommentiert über den Umgang der italienischen Regierung mit der Seenotrettung Flüchtender geschrieben. Zwei Wochen vorher hat Hussam ein Unglück auf dem Mittelmeer kommentiert. In Italien hat die Regierung nun wegen der hohen Anzahl Flüchtender den Notstand ausgerufen. Hier kommt also Europas Versagen beim einheitlichen Vorgehen mit Migration Teil 3.

Rund 31.000 Menschen sind seit Januar dieses Jahres über das Mittelmeer nach Italien geflüchtet. Doch im gleichen Zeitraum sind laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mindestens 441 Menschen auf dieser Route gestorben – so viele wie seit 2017 nicht mehr. Die IOM macht Verzögerungen bei staatlichen Rettungsmaßnahmen und die Behinderung der Such- und Rettungsaktionen von NGOs für diese Tode verantwortlich, kurz: die europäische Abschottungspolitik.

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni reagiert auf die hohen Zahlen mit dem Ausrufen eines sechsmonatigen Notstandes im Land. Allein über die Osterfeiertage kamen nach Angaben der Behörden etwa 2.000 Menschen auf der Insel Lampedusa an. Nun soll ein*e Sonderbeauftragte*r ernannt werden, dem 5 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das Aufrufen des Notstandes ermöglicht der Regierung außerdem, Maßnahmen ohne parlamentarisches Prozedere durchzusetzen. Wie der Spiegel berichtet, sollen damit neue Aufnahmezentren für die ankommenden Menschen gebaut werden.

Ein gutes Signal – oder?

Aus Regierungskreisen heißt es dagegen, so die tagesschau, dass die Verordnung des Notstandes genutzt werde, um Abschiebungen unbürokratisch und schneller durchzuführen. Welcher Ausgang wahrscheinlicher ist, zeigt wohl schon die Rechtsorientierung der italienischen Regierung. Bereits in ihrem Wahlkampf warb Giorgia Meloni damit, die Zuwanderung nach Italien einzudämmen. Dass von dem Geld aus dem Notstandsfond also geflüchtete Menschen profitieren, ist wohl unwahrscheinlich.

Solange es Fluchtgründe gibt, werden Menschen flüchten

Doch in Teilen ist Italiens Vorgehen verständlich. Länder wie Italien und Griechenland, in denen die meisten geflüchteten Menschen in der EU ankommen, werden sich selbst überlassen. Wie verschiedene Medien berichten, sagt Zivilschutzminister Nello Musumeci: „Um es klar zu sagen, das löst das Problem nicht, dessen Lösung an eine vernünftige und verantwortliche Intervention der Europäischen Union geknüpft ist.“

Solange es Fluchtgründe gibt, werden Menschen flüchten. Abschottung löst keine Kriege und bietet Verfolgten keine Sicherheit – im Gegenteil. Wenn man eine rechte Regierung mit der Aufnahme so vieler Geflüchteter allein lässt, nimmt man den Tod dieser Menschen in Kauf. Es kann nicht die mögliche “Lösung” dieser Situation sein, Migration zu begrenzen. Vielleicht muss die EU anerkennen, dass das Dublin-Verfahren nicht mehr funktioniert.

Und hier sind wir wieder bei der Sache mit dem politischen Willen, wonach wir in dieser Kolumne so häufig fragen. „Die Rettung von Menschenleben auf See ist eine rechtliche Verpflichtung für Staaten“, so IOM-Direktor Vitorino, „wir brauchen eine proaktive Koordinierung der Such- und Rettungsmaßnahmen unter der Leitung der Staaten. Im Geiste der geteilten Verantwortung und der Solidarität rufen wir die Staaten auf, zusammenzuarbeiten und den Verlust von Menschenleben entlang der Migrationsrouten zu verringern.“ Wie lange muss ein gemeinsames Vorgehen in Europa noch gefordert werden?

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Natalia ist in den Bereichen (Mode-)Journalismus und Medienkommunikation ausgebildet und hat einen Bachelor in Management und Kommunikation. Derzeit studiert sie Digitalen Journalismus im Master. Besonders gerne schreibt sie über (und mit!) Menschen, erzählt deren Lebensgeschichten und kommentiert gesellschaftliche Themen. Sie leitet die Redaktion und das Schreibtandem von kohero. „Ich arbeite bei kohero, weil ich es wichtig finde, dass die Geschichten von Geflüchteten erzählt werden – für mehr Toleranz und ein Miteinander auf Augenhöhe.“     (Bild: Tim Hoppe, HMS)

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Im Oktober war ich noch Hamburger des Monats und jetzt?

Rechte Fake-News im Netz verbreiten Angst:  Da kann Angst entstehen. ABER: Manchmal ist etwas passiert, jedoch nicht mit Syrern oder Flüchtlingen, manchmal ist das auch nur in Träumen passiert. Die Medien machen das und schaffen Angst, nicht alle natürlich. Durch das Internet kann man mit einer kleinen Webseite in kleinem Kreise viele Fake-News veröffentlichen und die großen Medien können nichts gegen Fake-News machen. Dadurch bekommen die Menschen Angst vor uns. Aber warum lesen Menschen diese Webseiten? Was können wir dagegen machen? Was ist mit mir passiert? Leider kann ich nicht in Frieden, auch nicht hier in Deutschland, leben. Ein gefakte Nachricht über mich ging vor drei Tagen durchs Netz. Sie nahmen mein Foto und veröffentlichten es mit einer schlechten und bösen Nachricht. Das hat mich sehr verletzt, weil ich nicht verstehen kann, woher sie diesen Hass gegen mich haben, warum sie gegen mich sind!? Warum machen sie das mit mir? Fake-News, weil ich ein Syrer bin, weil ich ein Flüchtling bin, weil ich Ausländer bin. Fake News, weil sie nicht möchten, dass die Gesellschaft in Frieden lebt. Fake-News, damit wir Angst voreinander haben. Fake-News, damit wir Hass gegeneinander haben. Fake-News, weil sie nur Lügen und Hass kennen. Aber warum gibt es diese Menschen? Warum leben sie noch mit uns? Warum hassen sie uns?Warum sind sie gegen uns? Was ist die Lösung? Ich weiß es nicht. Gibt es eine Lösung? Heute war ich es, gestern war es der Mann, der mit Frau Merkel sein Selfie gemacht hat, morgen wird es ein anderer Syrer/Flüchtling sein. Immer wieder. Was ist genau passiert? Eine russische Website, die auf Deutsch verfasst ist und kein Impressum hat, setzte mein Foto, welches in der Szene Hamburg veröffentlicht wurde, unter einen Artikel mit einer schlechten und unglaublichen Nachricht über einen schrecklichen Vorfall in Berlin mit einem Pony. Der Untertitel lautet: Ein Syrer, 23 Jahre alt, hat das

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Wer nach Freiheit ruft, muss auch Freiheit leben – meint der Autor dieses Kommentars, Hussam Al Zaher. Eine neue Fatwa  zur Ehe von muslimischen Männern in nicht-muslimischen Ländern mit nicht-muslimschen Frauen, aktuell veröffentlicht vom syrischen Islamrat, spricht jedoch eine ganz andere Sprache.

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Das Flüchtlingsthema hat in Deutschland einen Gipfel erreicht. Am Mittwoch wurden die Ergebnisse eines Treffens zwischen Kommunen, Ländern und Bund, genannt Flüchtlingsgipfel, bekannt. Es ging auch in den Tagen und Wochen davor vor allem um die starke Belastung der Kommunen durch Geflüchtete. In vielen Kommunen können Sprachkurse nicht stattfinden und die Kitas und Schulen sagen, sie sind an ihrer Belastungsgrenze. Und es fehlt überall an Wohnraum und Unterbringungsplätzen. Natürlich stellt sich die Frage, warum die Kommunen nicht auf eine mögliche Notsituation vorbereitet sind? Haben sie nicht darüber nachgedacht, oder fehlt ihnen die Kreativität? Oder sind wir jetzt in dieser Notsituation angekommen, ohne dass es die breite Öffentlichkeit bemerkt hat? Auch wenn wir als Gesellschaft viel seit 2015 gelernt haben, wird “das Flüchtlingsthema” sehr oft mit Belastungen, Problemen und Krisen verbunden. Ich frage mich, warum das so ist. Liegt es daran, dass die Opposition ein Thema gegen die Regierung braucht und dieses Thema am besten funktioniert? Oder wollen die Kommunen Druck machen, weil sie dringend mehr finanzielle Unterstützung wollen? Oder liegt es daran, dass die Medien und Journalisten sich nicht mehr für den Kontakt zu Geflüchteten interessieren? Warum sprechen wir so viel über Belastungen, jetzt, wo 80% der neuen Geflüchteten aus der Ukraine kommen? Die Mehrheit der deutschen Gesellschaft und Politiker*innen haben sich zu Recht für die Aufnahme und Unterstützung von Ukrainer*innen entschieden. Das ist also eine Last, die wir als Gesellschaft tragen wollen. Diskussion über dir Finanzierung Die Diskussion fokussierte sich in den letzten Wochen aber vor allem auf die Fragen der Finanzierung. Wer zahlt für Unterbringung, Sprachkurse, Schulen und Gesundheitsversorgung? Die Unterbringung und Integration von Geflüchteten ist Aufgabe der Länder und Kommunen, so steht es im Grundgesetz. Der Bund hat in den letzten Jahren Milliarden investiert, um sich zu beteiligen. Seit 2015/16, also seit der sogenannten Flüchtlingskrise, wurden 15

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Syrische Identität – was bedeutet das?

Seit vier Jahr lebe ich in Deutschland und beschäftige mich sehr viel mit deutschen Medien. Meine Frage heute: Was bedeutet deutsche Identität? Hat Deutschland eine Identität? Wer kann die deutsche Identität bestimmen und beschränken? Gehören zur deutschen Identität hamburgische Fische oder ein persischer Leberkäse oder Kölsch oder Altbier? Oder vielleicht sind alle ein Teil der deutschen Identität?  Am Ende zählen die gleichen Werte in Grundgesetz.  Fast alle Deutschen glauben an das Grundgesetz. Es gibt es keine Unterschiede zwischen Köln und Dresden (obwohl Köln mehr Geld hat als Dresden). Das demokratische System, das Grundgesetz, europäische Werte (obwohl europäische Werte nur für Europa gelten) und das Christentum sind Teile der deutschen Identität.  Warum bin ich Syrer? Zu meiner Frage gehört auch der Gedanke: Warum bin ich Syrer? Was bedeutet meine syrische Identität? Was ist die Verbindung zwischen den Damaszenern und Aleppern? Was ist die Verbindung zwischen mir und den Kurden? Zwischen syrischen Muslimen und Christen? Die alte oder neue syrische Geschichte lässt uns als Syrer keine gemeinsame Identität zu finden. Syrien war schon immer eine kleine Region, die zu großen Reichen der Römer, Byzantiner, Umayyaden oder Abbasiden gehörte. Obwohl  es zur Schwäche des abbasidischen Staates  führte, wurden mehrere Staaten in Syrien geschaffen. Aber diese Länder waren klein und  kämpften gegeneinander wie in Aleppo oder Damaskus.  Sogar der Begriff Syrien ist ein alter Begriff. Die Gelehrten sind sich nicht einig, woher dieser Name kam (von den Assyrern oder von den Griechen). Einig sind sie sich nur darin, was Syrien als Begriff bedeutet und dass die Levante in einem weiteren Sinne alle arabischen Länder in der Levante aus Jordanien, Palästina, Libanon und sogar einige Teile des Iraks umfasst. Dazu Sinai, Ägypten, für einige auch Teile Nord-Saudi-Arabiens und Zypern als Teil des Großraums Syrien. Die syrische Identität fehlte. Genauer gesagt: Aufgrund der Macht der arabischen und islamischen

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