Vor knapp einem Monat habe ich einen Beitrag für unsere wöchentliche Kolumne kommentiert über den Umgang der italienischen Regierung mit der Seenotrettung Flüchtender geschrieben. Zwei Wochen vorher hat Hussam ein Unglück auf dem Mittelmeer kommentiert. In Italien hat die Regierung nun wegen der hohen Anzahl Flüchtender den Notstand ausgerufen. Hier kommt also Europas Versagen beim einheitlichen Vorgehen mit Migration Teil 3.
Rund 31.000 Menschen sind seit Januar dieses Jahres über das Mittelmeer nach Italien geflüchtet. Doch im gleichen Zeitraum sind laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mindestens 441 Menschen auf dieser Route gestorben – so viele wie seit 2017 nicht mehr. Die IOM macht Verzögerungen bei staatlichen Rettungsmaßnahmen und die Behinderung der Such- und Rettungsaktionen von NGOs für diese Tode verantwortlich, kurz: die europäische Abschottungspolitik.
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni reagiert auf die hohen Zahlen mit dem Ausrufen eines sechsmonatigen Notstandes im Land. Allein über die Osterfeiertage kamen nach Angaben der Behörden etwa 2.000 Menschen auf der Insel Lampedusa an. Nun soll ein*e Sonderbeauftragte*r ernannt werden, dem 5 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das Aufrufen des Notstandes ermöglicht der Regierung außerdem, Maßnahmen ohne parlamentarisches Prozedere durchzusetzen. Wie der Spiegel berichtet, sollen damit neue Aufnahmezentren für die ankommenden Menschen gebaut werden.
Ein gutes Signal – oder?
Aus Regierungskreisen heißt es dagegen, so die tagesschau, dass die Verordnung des Notstandes genutzt werde, um Abschiebungen unbürokratisch und schneller durchzuführen. Welcher Ausgang wahrscheinlicher ist, zeigt wohl schon die Rechtsorientierung der italienischen Regierung. Bereits in ihrem Wahlkampf warb Giorgia Meloni damit, die Zuwanderung nach Italien einzudämmen. Dass von dem Geld aus dem Notstandsfond also geflüchtete Menschen profitieren, ist wohl unwahrscheinlich.
Solange es Fluchtgründe gibt, werden Menschen flüchten
Doch in Teilen ist Italiens Vorgehen verständlich. Länder wie Italien und Griechenland, in denen die meisten geflüchteten Menschen in der EU ankommen, werden sich selbst überlassen. Wie verschiedene Medien berichten, sagt Zivilschutzminister Nello Musumeci: „Um es klar zu sagen, das löst das Problem nicht, dessen Lösung an eine vernünftige und verantwortliche Intervention der Europäischen Union geknüpft ist.“
Solange es Fluchtgründe gibt, werden Menschen flüchten. Abschottung löst keine Kriege und bietet Verfolgten keine Sicherheit – im Gegenteil. Wenn man eine rechte Regierung mit der Aufnahme so vieler Geflüchteter allein lässt, nimmt man den Tod dieser Menschen in Kauf. Es kann nicht die mögliche “Lösung” dieser Situation sein, Migration zu begrenzen. Vielleicht muss die EU anerkennen, dass das Dublin-Verfahren nicht mehr funktioniert.
Und hier sind wir wieder bei der Sache mit dem politischen Willen, wonach wir in dieser Kolumne so häufig fragen. „Die Rettung von Menschenleben auf See ist eine rechtliche Verpflichtung für Staaten“, so IOM-Direktor Vitorino, „wir brauchen eine proaktive Koordinierung der Such- und Rettungsmaßnahmen unter der Leitung der Staaten. Im Geiste der geteilten Verantwortung und der Solidarität rufen wir die Staaten auf, zusammenzuarbeiten und den Verlust von Menschenleben entlang der Migrationsrouten zu verringern.“ Wie lange muss ein gemeinsames Vorgehen in Europa noch gefordert werden?
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