Dave Rahimi: “Der liebe Gott hat mir geholfen und deshalb helfe ich”

“Ich bin in Gefangenschaft geraten, und das war Horror, da betete ich zu Gott und sagte, bitte hilf mir, dann werde ich mein ganzes Leben Kindern und Jugendlichen helfen.” Dave Rahimi ist afghanischer Geflüchteter und hat sein Versprechen an Gott gehalten. Seit 20 Jahren arbeitet Dave mit Kindern und Jugendlichen zusammen und engagiert sich seit 10 Jahren als Jugendwart im Hamburger Boxverband.

Fotograf*in: Cefina Gomez

Dave Rahimi und ich sitzen am Esstisch, der ordentlich mit Keksen, Tee und Kaffee bestückt ist. Seine Frau Susanne leistet uns Gesellschaft, schnell wird klar warum: Dave ist viel unterwegs, von Turnieren bis hin zu Meisterschaften sowohl national als auch international. Möglich wäre das in dem Umfang aber nur, verrät Dave, weil er mit Susanne jemanden gefunden hat, der ihn vollkommen unterstützt.

Aus Zusammenhalt werden Kämpfer geboren

Seit 25 Jahren ist das Ehepaar Rahimi nun ein eingespieltes Team und teilen sich dabei nicht nur Kinder, Haus und Hund, sondern auch dieselbe Leidenschaft, Kindern und Jugendlichen zu helfen. Für Dave sind es aber nicht die Ergebnisse, die er mit den Kindern und Jugendlichen bei Meisterschaften und Turnieren verzeichnen kann, die unter die Haut gehen, sondern der Zusammenhalt, den er immer wieder beobachten darf.

”Ich habe tatsächlich geweint, weil drei Kinder kein Geld hatten und wir nach Rostock zu einem Turnier wollten.” Eine Fahrt zu einem Turnier ist nicht unbedingt eine günstige Angelegenheit, so Dave. Benzingeld, Hotelkosten, Mittagessen und Abendbrot,  ein Ausflug würde pro Tag und pro Kopf mindestens 60 Euro kosten. Manchmal übernimmt Dave die Kosten, aber alles stemmen kann er schließlich auch nicht: “Und da sagte ich, ich kann nicht alle mitnehmen und darüber bin ich sehr traurig und auf einmal kam: ‘10 Euro zahle ich’, ‘20 Euro zahle ich‘, ‚5 Euro zahle ich’. Die Kinder haben das ganze Geld gesammelt und da liefen mir tatsächlich die Tränen runter vor Glück.”

Boxen als Katalysator

Viele von Daves Schützlingen haben selbst eine Migrations- oder Fluchtgeschichte und dadurch auch mit Flucht-Traumata zu kämpfen. Gefühle herunterschlucken gehört nicht zu Daves Repertoire. Mit seinen eigenen Fluchterfahrungen geht Dave sehr offen um und möchte damit auch anderen Menschen Mut machen, mehr darüber zu sprechen, um das Erlebte zu verarbeiten.

Mit dem Training am Boxsack können die Kinder ihre Gefühle friedlich katalysieren und haben mit Dave einen Trainer an ihrer Seite, der nicht nur mehrere Sprachen spricht, sondern auch die nötige Sensibilität mitbringt, um die Kinder auch außerhalb des Rings zu unterstützen.

Daves Hauptaufgabe als Boxtrainer besteht eher darin, mit den Kindern zu sprechen, Liebe zu spenden und ihnen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Schließlich sollen die Kinder in erster Linie lernen, „zu helfen, füreinander dazu sein, und zwar ganz ohne Gewalt. Beim Boxen muss man nicht kämpfen, man haut erstmal den Sandsack und der haut garantiert nicht zurück.”

“Wir sind gegen Gewalt” 

Bei dem Boxtrainer Dave Rahimi handelt es sich um einen Menschen, der das Herz am rechten Fleck hat und die Balance zwischen Fäuste schwingen und Kuschelkurs schafft. Für die Zukunft wünscht sich Dave, sich die Perspektive auf die Sportart Boxen ins Positive verändert und Vorurteile abgebaut zu werden. Per se gewaltvoll ist der Boxsport nämlich nicht. Schließlich werden die Kinder auch nicht automatisch in Kämpfe gesteckt. Jedes Kind wird individuell gefördert und gefordert. Für die einen kann es in Richtung Turniere gehen, während andere Kinder mehr von den wertvollen Übungen mit dem Boxsack profitieren. Boxen ist friedvoll und Boxen ist kinderfreundlich, zumindest mit dem richtigen Trainer.

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Von zwei Brüdern aus Eritrea, die nach Deutschland flüchteten

Es waren einmal zwei Brüder: Idris und Tesfalem (Namen geändert), kamen als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge* aus Eritrea vor 6 Jahren nach Deutschland. Sie wurden von ihren Eltern nach Deutschland geschickt, weil diese sie vor dem Militärdienst in Eritrea schützen wollten. Nach mehreren Wochen der Flucht erreichten Idris und Tesfalem Verwandte in Bonn. Die Eltern werden zur Zeit vermisst, es laufen Suchaufträge des Deutschen Roten Kreuzes. Wie viele Geflüchtete aus Eritrea hatten sie keine Identitätspapiere dabei. Sie stellten Asylanträge und warteten erst einmal.  Eine Freundschaft entsteht Die beiden hatten Glück, denn sie trafen auf Jennifer. Jennifer hatte deutsche Eltern, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach England geflüchtet waren, wo sie auch aufwuchs und lebt. Sie wollte sich nun in Deutschland im Rahmen eines Sabbaticals engagieren und lernte zunächst den jüngeren der beiden Brüder kennen. Dann auch Tesfalem. Es entstand eine wunderbare Freundschaft zwischen den Dreien. Sie half beim Erlernen der deutschen Sprache, unterstützte den Schulbesuch – bei Idris bis zum Abi, engagierte einen Anwalt, der es schaffte, nach dem ablehnenden Asylbescheid durch eine Klage den subsidiären Schutzstatus für Idris zu bekommen. Er macht mittlerweile eine Ausbildung, lebt in einer eigenen Wohnung, hat einen Reiseausweis für Ausländer, mit dem er reisen kann und wird demnächst die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen. Er ist mit Jennifer schon mehrfach ins europäische Ausland gereist. Aber was passierte mit seinem älteren Bruder?  Tesfalems Asylantrag wurde zunächst auch abgelehnt, der Anwalt reichte auch hier eine Klage dagegen ein, auch ihm wurde subsidiärer Schutz gewährt, aber das BAMF legte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berufung ein. Der Fall liegt jetzt beim Oberverwaltungsgericht, seit 2 Jahren gibt es keine Entscheidung. Das Problem ist, dass auch Tesfalem seine Identität nicht nachweisen konnte, aber sein Fall wohl bei einem anderen Sachbearbeiter beim BAMF bearbeitet wurde. Tesfalem lebt noch in einer Unterkunft, er darf

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Storytelling

Migrantisches Leben in Zeiten der Pandemie

„Migrant Lives in Pandemic Times“ ist ein internationales Digital Storytelling Projekt, dass aktuelle und persönliche Momentaufnahmen aus dem Leben von Menschen mit Migrationsgeschichte aufgreift, die sonst kaum in den Medien vorkommen. Ihre Erlebnisse während der Pandemie zeigen, was uns in Ausnahmesituationen und darüber hinaus als Menschen verbindet. Sophia Burton, Projektmanagerin und Mitgründerin von MIGRATION MATTERS, und Bernadette Klausberger, Creative Director und Produzentin, erzählen von den Anfängen, Zielen und Überraschungen des wissenschaftlich-künstlerischen Projekts.   Erfahrungsaustausch zwischen Migrant*innen und Wissenschafter*innen ,,Ausgangspunkt war die Frage, was diese spezielle Zeit der Pandemie mit Menschen macht, die migriert sind, und weit weg von Familie und Herkunftsort leben und arbeiten.“  Dabei sollten Menschen aus unterschiedlichen Ländern und sozialen und wirtschaftlichen Umgebungen porträtiert werden. „Warum Menschen migrieren hat so viele Gründe. Also haben wir nach einer möglichst großen Vielfalt in punkto Persönlichkeiten und Lebensumstände gesucht. Von der simbabwischen Doktorandin in Südafrika, die versucht ihr Studium abzuschließen, über die philippinische Haushaltshilfe in Sizilien, die wegen einer Covid-Infektion sofort gefeuert wird, bis zur chilenischen Barmanagerin in Kalifornien, die sich als Lehrerin beruflich völlig neu findet als die Gastronomie über Monate geschlossen bleibt – was die Porträtierten verbindet, ist die Tatsache, dass sie alle eine Migrationsgeschichte haben, die sich auf ihr Leben während der Pandemie unmittelbar ausgewirkt hat.“ Inwiefern, davon erzählen die Migrant*innen selbst, anstatt dass, wie so oft, nur über sie gesprochen wird.  ,,Ein Forschungsansatz hinter dem Projekt ist es, Erfahrungen von Migrant*innen teilbar zu machen – mit Wissenschafter*innen, mit einer breiten Öffentlichkeit, und schlussendlich auch mit politischen Entscheidungsträger*innen. Die Projektbeteiligten – Migrant*innen wie Wissenschafter*innen – zeigen aus ihrer Perspektive persönliche Herausforderungen und strukturelle Schwierigkeiten auf, die Menschen rund um den Globus gerade in dieser Zeit verbinden oder eben auch trennen.“   Was uns jetzt alle verbindet Es geht um Erlebnisse auf der Suche nach einem neuen Job oder

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Rahime Sürücü: Klimaschutz und Demokratie

Rahime Sürücü möchte den Klimaschutz demokratischer machen. Hier erzählt sie, wie ihre Kindheit ihre Leidenschaft für Umweltschutz geprägt hat und wobei die europäische Klimaschutzpolitik bisher versagt. „Ich glaube, das Nomadentum liegt in meinen Genen“, erklärt Rahime Sürücü gleich zu Beginn unseres Gespräches. Damit hat sie gar nicht unrecht: Rahime wächst in Ankara auf, doch jede Sommerferien verbringt sie in einem Dorf bei ihren Großeltern, die als Nomaden lebten. Rahime lebt schon seit 45 Jahren in Hamburg, doch sie gerät immer noch ins Schwärmen, wenn sie vom Dorfleben ihrer Kindheit erzählt. Der 62jährigen gelingt es in wenigen Sätzen, ihre Sehnsucht greifbar zu machen: Sie erzählt von den Schäfern, die abends mit der Herde und den Hunden zurück ins Dorf kamen, davon, wie das Dorf die ganze Nacht lang die Kühe molk. „Meine Mutter konnte so gut Pferde reiten, wir waren wahnsinnig stolz auf sie. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.“ Fragt man sie, ob das Nomadentum nicht ein hartes Leben ist, schüttelt sie lächelnd den Kopf. „Nie im Leben würde ich, heute ein Stadtmensch, sagen, dass meine Familie ein hartes Leben führt. Wenn die Nomaden weiterziehen, dann hinterlassen sie nichts. Im ganzen Dorf gab es keinen Müll, und Kleidung haben wir an unsere Nachbarn weitergegeben, wenn wir sie nicht mehr brauchten.“ Noch heute weiß Rahime, wie man aus Milch Käse und Joghurt herstellt und Töpfe und Teller mit Asche auswäscht. Aber was macht eine Nomadin wie Rahime dann in der Großstadt Hamburg? „Ich wusste immer, die Welt ist nicht nur Ankara, wo wir leben. Ich wollte noch mehr sehen und außerdem studieren.“ Rahime kommt also mit 17 Jahren und ihrem Abitur in der Tasche ganz alleine nach Hamburg. „Und ich habe mich direkt in Hamburg verliebt.“ Sagt sie, und das ist bis heute so: nur Hamburg gebe ihr

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Sahar Reza

Die Geschichte der geflüchteten Frau

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