Dabkeh und Sufi im WhyNotCollective

Ahmad Shihabi berichtet, wie das WhyNotCollective mit Dabkeh und Sufi zwei sehr unterschiedliche Tanzformen in einer Performance vereint.

Fotograf*in: Adnan Abdalrahman

In den Räumen der Szenischen Forschung in der Bochumer Innenstadt wird derzeit hart gearbeitet, um eine atemberaubende Performance auf die Beine zu stellen. Das Team des WhyNotCollective ist voller Energie und Begeisterung, denn es bereitet sich auf die Aufführung einer Mischung der traditionellen Tänze Dabkeh und Sufi vor. 

Regisseurin Romy Schmidt hat großes Interesse daran, den Sufi-Tanz ästhetisch zu untersuchen. „Ich habe in Sufi sehr viel gesehen, und das hat mich berührt. Das wollte ich gerne tiefer untersuchen. Man findet jedoch sehr wenig, vor allem wenn man jetzt nur in der Lage ist, auf Deutsch oder Englisch zu recherchieren.  Deswegen musste ich mich mit Experten in Kontakt bringen und austauschen“, sagt sie. 

Klischees abbauen

Mit dem Projekt „Universal Rotation“ plant das Ensemble eine neue Konzeption für eine Performance in den Disziplinen Tanz, Komposition, Sound Design und Medienkunst mit dem Schwerpunkt Choreografie. Ziel sei es, Klischees über Dabkeh und Sufi-Tanz abzubauen. „Sufi-Tanz wird oft von außen betrachtet. Es wird hier in Deutschland als etwas Islamisches oder Spirituelles gelesen. Mit unserem Projekt wollten wir diese islamophobischen Gedanken abschaffen“, so Tänzerin Paulina Nafer. Die aus Chile stammende Künstlerin lebt und arbeitet in NRW. Sie wirkt als Tänzerin, Performerin oder Choreographin in Tanz-, Theater- und Filmproduktionen. 

Das Team habe nach einer langen Auseinandersetzung mit dem Thema daran gearbeitet, wie diese Form von Tanz hier in Deutschland dargestellt wird. „Damit wir diese Stereotypen nicht bedienen, haben wir lange überlegt, welcher Effekt, welche Art von Darstellung, welche Kameraarbeit dazu dienen könnte, diesen Tanz von diesen Vorurteilen zu verfremden oder zu abstrahieren“, so Nafer. 

„Leidenschaft für den Tanz verbindet uns“

Die Gruppe besteht aus einer Tänzerin (Paulina Nafer) und einem Tanzer (Mohammad Tamim), die aus verschiedenen Ländern stammen. Trotz ihrer unterschiedlichen Hintergründe und Erfahrungen haben sie eine gemeinsame Leidenschaft für die orientalischen Tänze und Kulturen entdeckt. Nafer und Tamim verbringen Stunden damit, ihre Bewegungen zu perfektionieren und die Choreografie zu verfeinern. Die Proben sind intensiv, aber die beiden sind motiviert und wissen, dass harte Arbeit und Hingabe der Schlüssel zum Erfolg sind.

„Es ist eine Herausforderung, aber es macht auch unglaublich viel Spaß“, sagt der Tänzer Tamim. Der Palästinenser stammt aus Syrien und beherrscht seit seiner Kindheit den Dabkeh-Tanz. „Wir alle haben eine gemeinsame Leidenschaft für den Tanz und die Kultur, und das verbindet uns“, sagt er. 

Widerstand als Ausdrucksform

Doch Dabkeh und Sufi sind zwei verschiedene Tanzformen mit unterschiedlichen Ursprüngen und Charakteristiken. Der Dabkeh ist ein fröhlicher und energetischer Gruppentanz aus dem Nahen Osten, der bei gesellschaftlichen Anlässen aufgeführt wird. Die Tänzerinnen und Tänzer bilden eine Reihe oder einen Kreis und führen synchronisierte Schritte und Sprünge aus. Hingegen ist der Sufi-Tanz ein meditativer und spiritueller Tanz, der auf die Verbindung zum Göttlichen abzielt. Die Bewegungen sind fließend, langsam und repetitiv. Der Fokus liegt auf der inneren Kontemplation und Hingabe an das Göttliche.

Also, wie diese ganz verschiedene Tanzformen zusammenkommen: „Aus biografischen Gründen“, sagt Schmidt und ergänzt: „Trotz des Unterschieds zwischen den beiden Tänzen haben sie mit Widerstand zu tun. Sie sind nur anders aufgebaut und werden anders praktiziert. Allerdings gibt es darin eine Verbindung. In dem wir solche Performance auf eine Bühne bringen, sprechen wir zu den Menschen aus verschiedenen Diaspora, die vielleicht da eine Verbindung spüren oder etwas sehen, und herausfinden, was sie gemeinsam verbindet“. 

Allgemein bietet der Tanz eine kreative körperliche Ausdrucksform, um Widerstand zu zeigen und auf soziale, politische oder persönliche Themen aufmerksam zu machen. „Der Widerstand ist für jeden von uns auf ganz verschiedene Art und Weise definiert. Und er findet jeden Tag in der alltäglichen Praxis statt“, so Schmidt.

Widerstand sei in den Augen vieler eine Art von Gewalt. Doch das Ensemble sehe, dass Widerstand eine Art von Erinnerung sei. „Für uns bedeutet der Widerstand, nicht zu vergessen und etwas am Leben zu halten. Indem wir diese Tänze hier in Deutschland nicht aussterben lassen, versuchen wir diese Erinnerungen an unsere Familien oder kulturellen Hintergründe nicht verschwinden zu lassen“, erklärt Nafer. 

Cancel Culture

Durch Bewegung, Symbolik und gemeinschaftliche Darstellung wollen Tänzerinnen und Tänzer nicht nur die Botschaft des Widerstands eindrucksvoll vermitteln, sondern auch sie wollen das kulturelle Erbe des Dabkeh zeigen, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. „Seit meiner Kindheit tanze ich Dabkeh. Dieser Tanz hat mit meiner Identität als Palästinenser viel zu tun. Als Staatenloser in Deutschland möchte ich diese Identität nicht verlieren. Denn Dabkeh spielt eine wichtige Rolle bei der Ausdrucksform und dem Gefühl der Zugehörigkeit“, sagt Tamim. 

Zwar hat Dabkeh immerhin keine direkte Verbindung zur Cancel Culture oder zu den damit verbundenen sozialen Diskussionen und Debatten, es kann jedoch vorkommen, dass bestimmte kulturelle Ausdrucksformen, einschließlich des Dabkeh, im Kontext der Cancel Culture diskutiert werden. Dabkeh ist der traditionelle palästinensische Volkstanz und damit Teil der palästinensischen Identität. Wegen der aktuellen Diskussion in der deutschen Politik und Gesellschaft befürchtet das Ensemble, dass diese Tanzform aus politischen Gründen gecancelt werden. Daher versuche das Ensemble an Strategien arbeiten, um das zu verhindern.

„Uns ist bewusst, wie gefährlich das Thema ist, deswegen versuchen wir neue Strategien zu finden, und zwar: durch indirekte Symbole und nicht mit klaren Texten oder Wörter, die direkt ein Tabuthema thematisieren“, so Schmidt. 

Das transnationale Kollektiv „Why Not?“ widmet sich seit seiner Gründung im Jahr 2018 den zentralen Themen und Fragen um Sichtbarkeit und Repräsentation außereuropäischer und diasporischer sowie (p)ostsozialistischer Narrative in Kultur und Medien. 

 

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Ahmad Shihabi
Ahmad Shihabi ist Journalist aus Syrien. Seit 2015 ist Ahmad in Deutschland, arbeitet als freier Journalist für Kohero und berichtet vor allem aus dem Ruhrgebiet. Aktuell arbeitet Ahmad als Reporter bei der Neuen Ruhr/Rhein Zeitung. Auch ist er Mentor beim NRW-Mentoring-Programm der Neuen Deutschen Medienmacher*innen.

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"Das Lächeln des Diktators" von Bachtyar Ali, Unionsvertrag

Bachtyar Ali – Das Lächeln des Diktators

Bachtyar Ali nimmt uns mit diesem kleinen schmalen Essay-Band mit auf eine Reise. Reise durch sein ureigenstes Universum: als Kurde geboren und aufgewachsen im Irak, in einer muslimisch durchtränkten Gesellschaft, zweisprachig. Und er enthüllt der Leserin und dem Leser nicht nur ein Thema, sondern er wickelt es aus, er entfaltet es (Willemsen). Das Lächeln des Mächtigen Kenntnisreich als Seismograph seiner Welt, bringt er uns viele, oft unbekannte Facetten näher. In „Das Lächeln des Diktators“ leuchtet er die Persönlichkeit Saddam Husseins, eines Diktators par excellence, aus. Der präsentierte sich als Bühnenfigur, demonstrierte in Selbstinszenierungen seine Macht. Der Satz Ludwig des VIX „ L’etat c’est moi“ passt wie maßgeschneidert auf diesen Mann und sein Herrschaftssystem. Das Lachen bei seiner Hinrichtung war kein Zeichen von Tapferkeit, Furchtlosigkeit oder Todesverachtung, sondern eine seiner Inszenierungen: Das Lächeln des Mächtigen. Das Lächeln des Ge-Mächtigen. Die 43 lächelnden Gesichtsmuskeln mit passenden makellosen Zähnen sind eine moderne Währung.. Er wäre ein perfekter Instagrammer geworden. Die Moderne als Erobererin In „Gott, der Staat und die Technik“ wird die Moderne als Erobererin beschrieben, Maschinen, die in die Dörfer und Städte des Orients einrollten, sie überrollten. Die Franzosen und Engländer zerstörten mit ihren technischen Monstern ganze Regionen. Für den Orient waren die Produkte der Technik etwas Wesensfremdes. Man hatte keinen Gegenentwurf zum wissenschaftlichen Fortschritt, keine Erneuerung der Weltbilder, sondern blieb im Status quo. Dan Diner nennt es in seinem Buch über den Islam die „Versiegelte Zeit“. Schon Al Afghani (1838 bis 1897) fragte, warum der Orient so rückschrittlich sei: „Wie kann es sein, dass Muslime, die Gott am Nächsten stehen, derart schwach und unterjocht sind?“ Homo faber und Homo consumens waren die neuen Götter des Westens, sie läuteten die Veränderung der Gesellschaft ein, im Orient ruhte man sich auf den hochzeitlichen Diwanen der arabischen wissenschaftlichen Kultur aus und es kam lediglich

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Èric Plamondon – Taqawan

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Ahmad Shihabi
Ahmad Shihabi ist Journalist aus Syrien. Seit 2015 ist Ahmad in Deutschland, arbeitet als freier Journalist für Kohero und berichtet vor allem aus dem Ruhrgebiet. Aktuell arbeitet Ahmad als Reporter bei der Neuen Ruhr/Rhein Zeitung. Auch ist er Mentor beim NRW-Mentoring-Programm der Neuen Deutschen Medienmacher*innen.

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