Geflüchtete haben in fünf Jahren viel geschafft

Hier geht es um Geflüchtete, die zu Fuß über Tausende Kilometer nach Europa und damit auch nach Deutschland gekommen sind. Sie sind oft erst in den Iran geflohen, dort konnten sie nicht bleiben und wurden dann wieder zurückgeschickt.

Wir sind auf dem Weg zu schaffen.

Sehr geehrte Leser*innen, erinnert ihr euch noch an das Jahr 2015, als Geflüchtete in unser Land kamen? Die meisten waren aus Afghanistan und Syrien.

Ja, ich gebe zu, ich war auch ein wenig stolz, in einem Land zu leben, wo Menschen in Not so herzlich aufgenommen wurden. Es gab auch Familien, die noch Platz in ihrem Haus hatten und deshalb einen Geflüchteten bei sich aufgenommen haben. Ich habe selbst solche Menschen getroffen. Da ich ehrenamtlich im Kreis Bad Segeberg tätig bin, habe ich viele Geflüchtete aus Afghanistan und Syrien kennengelernt. Doch hier geht es nicht um mich.

„Wir schaffen das“

Am 31. August jährte sich der Tag zum fünften Mal, an dem Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel diesen Satz zum ersten Mal geäußert hat. Sie hat ihn danach noch viele Male wiederholt. Ich war begeistert. Die Regierung hatte doch tatsächlich verstanden, dass hier Menschen kommen, nicht weil sie hier Urlaub machen möchten oder nur unsere Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen, sondern weil sie einfach in einer Notlage sind.

Plötzlich wurde dieser Satz nur noch selten gesagt, dann gar nicht mehr.

Was war passiert?

Eigentlich nichts, aber der Bundestagswahlkampf hatte begonnen. Damit verschoben sich die Prioritäten. Es kam die Angst auf, dass die AfD in den Bundestag einziehen könnte, was nicht unbegründet war, wie wir heute wissen. Trotzdem war und bleibt es falsch, eine richtige Überzeugung plötzlich infrage stellen zu wollen.

Hinzu kam noch eine schleichende Veränderung der Sprache. Das trug mit dazu bei, dass sogar Morde an Personen verübt wurden, die sich für Geflüchtete einsetzten z.B. Walter Lübcke. Aber schon Jahre vorher wurden immer wieder Worte wiederholt, welche sich bei manchen Menschen mit entsprechender Gesinnung festsetzten “Flüchtlingskrise, Flüchtlingsstrom usw.“. Das nennt man metaphorisches Framing. Stimmt die Gesinnung oder fehlt ein kritisches Hinterfragen, dann glauben die Menschen alles. Jedenfalls war von diesem Optimismus der „Willkommenskultur“ nichts mehr übrig, was die Regierung angeht.

Heute allerdings, sind die Horrorszenarien weitgehend verschwunden.

Wer sind „Wir“?

„Wir schaffen das“! Wir, sind die Menschen, die sich engagiert haben: Politiker und Unternehmen, die die nötigen Maßnahmen getroffen haben, um den vielen Geflüchteten die Möglichkeit zu schaffen, sich hier eine Existenz aufzubauen.

Existenz? Ja, ich benutze die Worte „sich integrieren“ nicht so gerne. Denn Menschen, die sich integriert haben, also ohne Wenn und Aber zu unserer Gesellschaft gehören, dürften dann auch nicht mehr von einer Abschiebung bedroht sein. Dem ist leider nicht so, obwohl sie sich gut integriert haben. Aber Integration ist keine Einbahnstraße.

Den größten Teil des „Wir“ jedoch, haben die Geflüchteten selbst geschafft. Sie mussten in unglaublich kurzer Zeit eine neue Sprache und eine neue Schrift lernen. Ich habe viele positive Geschichten verfolgt, wo Schüler*innen ihr Abitur mit Bestnoten absolviert haben, wo es Erwachsenen gelang nach drei Jahren bereits eine Ausbildungsstelle zu finden oder ein Studium anzufangen. Es sind ca. 50 Prozent aller Geflüchteten, die seit 2015 gekommen sind, welche entweder die Schule oder eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen oder sogar ein Studium begonnen haben.

Respekt

Vor diesen Menschen habe ich größten RESPEKT! Diesen Respekt sollte jeder haben, denn, das behaupte ich jetzt mal, die wenigsten Deutschen, hätten das in dieser Zeit in einem arabischen Land geschafft, mich eingeschlossen. Solche Menschen sind eine Bereicherung und eine Chance für unser Land. Ich hoffe, dass das auch von fast allen Politikern erkannt wird, eine Partei bleibt da selbstverständlich immer ausgenommen.

Eine wahre Geschichte

Jetzt kommt noch eine kleine wahre Geschichte, die ich selbst erlebt habe:

Hilde* wohnte in einer kleinen Straße in einem Doppelhaus, sie war körperlich sehr eingeschränkt, ihre Nachbarn waren zwei geflüchtete Familien, die eine aus Syrien und die andere aus Afghanistan.

Auf der Rückseite des Hauses gab es einen kleinen Garten. Hilde war nicht mehr in der Lage alle Dinge in ihrem Haushalt zu erledigen, kleine Reparaturen u.a. Da traf sie zufällig Bashir vor ihrer Haustür, als sie gerade nach der Post schauen wollte. Bashir kommt aus Afghanistan und macht eine Ausbildung zum Bäcker. Sie fragte ihn, ob er sich mal den Fernseher anschauen könnte, der lief plötzlich nicht mehr. Er war sehr hilfsbereit, „klar kein Problem“ sagte er. Es war auch bloß eine Kleinigkeit. Danach lief der Fernseher wieder. So gab es immer wieder Dinge, wo Bashir gerne geholfen hat. In der syrischen Familie war das 12-jährige Mädchen Naila die gute Seele, sie ging regelmäßig für Hilde einkaufen. Nailas Vater, er spricht noch nicht so gut deutsch und hatte den Spitznamen „Chef“, mähte wie selbstverständlich auch Hildes Rasen.

Mittlerweile lebt Hilde in einem Seniorenheim, da sie auch unter Demenz leidet. Ich werde diese Hilfsbereitschaft nicht vergessen. Diese Menschen haben es auch verdient, dass man ihnen hilft, wenn sie Hilfe benötigen.

Mit dieser Geschichte beende ich diesen Artikel. Sie zeigt, wie viel die neuen Mitbürger*innen schon geschafft haben und darüber hinaus noch viel mehr. Selbstverständlich gibt es auch da schlechte Menschen, aber wo gibt es die nicht? Die gibt es überall, aber sie sind eine kleine Minderheit.

*   Name geändert

Schlagwörter:
Die Berliner Museumsinsel. Foto: Thomas Wolf via Wikimedia Commons unter CC BY-SA 3.0

Im Museum – ein Blick auf die eigene Kultur

In Berlin erlebte Zeina Shaheen, was es heißt, die eigene Kultur im Museum kennenzulernen. Sie ist fasziniert davon, was sie über ihre Herkunftsregion erfährt, aber auch über Deutschland und den Wiederaufbau nach dem Krieg. Was kann man daraus lernen, fragt sie sich. Unser zweiter Artikel der Reihe „Frieden zwischen Hier und Dort“.

Weiterlesen …
Rechte Weltbilder und die Norm weißer Männlichkeit

Rechte Weltbilder und die Norm weißer Männlichkeit

Im Zentrum rechter Weltanschauungen steht grundsätzlich eine Ungleichheit der Menschen, dargestellt als „natürliche“ Differenz. Die politische Rechte leitet Rollenverteilungen und Hierarchien daraus ab, die als gegeben und unveränderlich erscheinen. Diese

Weiterlesen …
Kategorie & Format
Autorengruppe
Michael Winsel
Michael ist gelernter Zahntechniker, hat aber nicht lange in diesem Beruf gearbeitet. Seine eigentliche Leidenschaft ist das Schreiben. Er hat zwei Bücher verfasst (Ist unser Gesellschaftssystem den Anforderungen der heutigen Zeit und in der Zukunft noch gewachsen?“ und „Die Chance für Deutschland“). Michael war sein ganzes Leben lang ein politisch engagierter Mensch. Aktuell setzt er sich im Kreis Bad Segeberg als ehrenamtlicher Helfer für Geflüchtete ein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kohero Magazin