Checkpoints von Asmi Bischara – eine Buchbesprechung

In den sechzig Episoden seines literarischen Erstlingswerks zeigt uns Asmi Bischara, arabischer Israeli, Autor, Politiker und Ex-Abgeordneter der Knesset, das Leben an und mit den Checkpoints im „Heiligen Land“. Er teilt diese Grenzmarkierungen ein in Checkpointstaat und Checkpointland.

Wie Fremdlinge im eigenen Land. (Hölderlin).

In seinen Skizzen beschreibt Asmi Bischara die „Herren und die Knechte“: das moralische Überlegenheitsgefühl der einen und die gedemütigten Seelen der anderen. Ironisch und humoristisch lässt er den Leser teilhaben am Alltag an den Checkpoints.

Unterschiedliche Szenen

Da gibt es Szenen von Hochzeitsfeiern, Beerdigungen und Leichenzügen, wartenden Krankenwagen und immer und überall Resignation. Lebendig beschreibt er das Reich der Plastiktüten, die Mobilität der Fliegenden Händler. Selbst Melonen werden zu Verdächtigem. Fliegende Sperren werden zum Spielzeug einer Soldateska, ganz im Sinne der Pawlow’schen Lehre der Reflexe. Dieses Ausgeliefertsein ist nicht nur resignativ und demütigend, sondern frisst sich in die Seelen, in das menschliche und soziale Gefüge.
Mir gefallen die kreativen Wortschöpfungen von Bischara wie Tagtäglichkeit, gecheckpointete Passanten, endverdächtigt, Gewehrsprache, westweit.

Menschliche Gegenpole

Er beschreibt zwei menschliche Gegenpole: die der Araber und die der Israelis.
Die sind nicht nur durch die Checkpoints und die 800 km „Mauer“ (gebaut zur Selbstverteidigung, so ähnlich nannten die Politiker der DDR übrigens auch „ihre Mauer“: als Hindernis zur Republikflucht) voneinander getrennt. Sondern durch ihr religiös-politisches Sendungsbewusstsein, durch internationale Sympathien und Solidarität für die einen wie auch für die anderen. Und durch steinewerfenden Widerstand und märtyrerhaften Terrorismus.

„Ein Volk, das ein anderes mit Checkpoints blockiert, hat selber einen inneren Checkpoint.“ Dieser äußert sich dann in Schulmeisterei, Machoallüren, narzisstischer Befriedigung durch die eigene Macht und die Ohnmacht der anderen, Halbstarkengehabe, den Exhibitionismus der Stärkeren und „selbstgefälliger Selbstbeifall der einzigen Demokratie im Nahen Osten“.

Asmi Bischara notiert Psychogramme derjenigen, die vor bzw. hinter den Checkpoints ihre Statistenrolle im politischen Spiel ausfüllen. Die einen hoffen auf die Auswanderung aller, damit man sie nicht abermals wie 1948 vertreiben muss. Die anderen hoffen – ja, auf was? Auf den Schlussstrich unter die Okkupation? Oder auf ihr Recht auf ihr Land? Auf Menschenwürde?

Lösung für das geteilte Land?

Wird es je eine Lösung für dieses geteilte Land geben? Für seine Bewohner diesseits und jenseits der Checkpoints? Werden die Menschen diesseits und jenseits der Checkpoints überhaupt noch eine gemeinsame menschliche Sprache sprechen können? In beiden Völkern sind Bewusstsein und Unbewusstsein geschädigt und verletzt.

Ist es ein von Jahwe oder von Allah verhängtes Schicksal oder ist es einfach nur Geopolitik? Gibt es Hoffnung? Stirbt die Hoffnung zuletzt?

Die Lektüre dieses aufschlussreichen Buches wirft viele Fragen auf und regt zum kritischen Nachdenken an.

Der Schrecken, den die Unterdrücker systematisch erzeugen, verselbstständigt sich, er geht in das System des Bewusstseins und des Unbewusstseins.
Manés Sperber

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