Bildungszentrum Optimum – niedrigschwelliger Zugang zu Bildung

Drei Studenten haben eine mutige Entscheidung getroffen: Sie haben das Bildungszentrum Optimum gegründet, um Schüler*innen mit Migrationsgeschichte zu unterstützen.

Fotograf*in: privat

Efecan Köse (23), Ahmad Al Mefalani (26) und Mohammad Al Mefalani (23) studieren heute Maschinenbau. Während Efecan in Deutschland geboren ist und türkische Wurzeln hat, sind Ahmad und Mohammad 2015 aus Daraa in Syrien nach Deutschland geflohen. Gemeinsam wollen sie sich dafür einsetzen, dass jede Person Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Bildung bekommt. „Schule bedeutet nicht nur, zu unterrichten und den Schulstoff zu verstehen, sondern auch, erstmal mit dem Schulsystem klarzukommen. Wenn man ein Problem in der Schule hat, ist man nicht für den Empfang von Wissen bereit. Dabei wollen wir den Schüler*innen mit professioneller Unterstützung helfen”, so Efecan.

Die Schwächen des Bildungssystems

Efecan beklagt, dass im Schulalltag oft nicht umsetzbar sei, was im Bildungssystem theoretisch vorgesehen ist. Um zum Beispiel Lesen zu lernen, müssen bereits bei Schulbeginn ausreichende Sprachfähigkeiten vorhanden sein, die sich im Laufe der weiteren Entwicklung immer mehr verfeinern.

Überforderte Lehrer*innen kämen in zu großen Klassen jedoch an ihr Limit; sie können nicht ausreichend auf die verschiedenen Lerntypen sowie Lerntempos der Kinder eingehen. „Es geht alles zu schnell und es wird von den Kindern erwartet, dass sie sich zeitlich nur mit der Schule beschäftigen“, sagt Efecan. Darüber hinaus würden viele Schulen nur Hausaufgaben als Art der Lernförderung anbieten.

Efecan, Ahmad und Mohammad seien selbst oft mit den Schwächen des Bildungssystems konfrontiert gewesen. Das ist auch der Grund, weshalb sie das Bildungszentrum Optimum gründeten.  „Ob im Schulstoff oder im Leben – Wir können mit unserem Migrationshintergrund den Kindern Vieles auf den Weg mitgeben”, so Efecan. Das bestätige die positive Rückmeldung der Kinder und ihrer Eltern.

Kennengelernt haben sich die drei Studenten durch einen anderen Bildungsanbieter,  bei dem sie zusammengearbeitet und Schüler*innen Nachhilfe gegeben haben. „Nach einiger Zeit haben wir festgestellt, dass viele Schülerinnen und Schüler bei uns privat Nachhilfe haben wollten. Sie haben uns gesagt: ‘Ihr macht es so gut, macht daraus was eigenes’“, erzählt Efecan. Die Idee des eigenen Projekts entstand.

Vielfältiges Angebot mit professioneller Hilfe

Das neue Bildungszentrum bietet ein vielfältiges Angebot an Kursen für Kinder an.  Wichtig sei es ihnen, individuelle Förderung zu bieten. Von Konversationskursen bis hin zu Mathematik, Englisch und Naturwissenschaften – es deckt fast alle Fächer ab und gibt den Schüler*innen die Möglichkeit, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zu verbessern.

„Wir versuchen, den Kindern nicht nur im Unterricht, sondern auch mental zu helfen, indem wir sie zum Beispiel ihren eigenen Tee machen lassen. So haben sie kleine Erfolgserlebnisse“, sagt Efecan. Dabei bekommen die drei ehrenamtliche Hilfe von Freund*innen: „Mein Bruder ist eine pädagogische Lehrkraft. Er hilft uns dabei, die Kinder professionell zu unterstützen“, so Efecan.

Hart arbeiten für wenig Geld

Für die Studenten war es nicht einfach, das Projekt zu starten. Obwohl Sie keine externe finanzielle Unterstützung finden konnten, haben sie losgelegt.  „Wir haben unser Bafög in einen Topf getan und versucht, das Projekt zu finanzieren“, erzählen sie.

Bekannte halfen ihnen bei der Suche nach ersten Räumlichkeiten in Bochum, Tische und Stühle sammelten sie sich bei Kleinanzeigen und aus Büroauflösungen zusammen. Efecan, Mohammad und Ahmad verbrachten viele Stunden damit, Materialien zu sammeln und Kurse zu planen, um sicherzustellen, dass jede Schülerin und jeder Schüler das bestmögliche Lernerlebnis bekommt. Dafür zogen sie auch andere Expert*innen und Pädagog*innen zusammen, um das volle Potenzial der Schüler*innen auszuschöpfen.

Doch Geld verdienen sie damit bisher nicht. Alle Einkünfte fließen zurück in die Versicherungen, die Buchhaltung und in die Miete. Trotzdem haben sie entschieden, dass das Angebot günstig bleiben soll. Neun Euro kostet eine Stunde. „Das Ziel ist es, vor allem Schüler*innen und ihre Eltern, die wegen der Corona-Zeit viel Bedarf an Nachhilfe haben, und Familien, die mehrere Kinder haben, zu erreichen. Sie könnten solche Kurse ansonsten nicht bezahlen”, erklärt Efecan. Das Angebot sei monatlich kündbar. „Während der Ferien können Familien ihren Vertrag kündigen und brauchen keine Gebühren zu bezahlen, und können natürlich nach den Ferien wieder zu uns kommen”.

Das Bildungszentrum hat sich schnell einen Namen gemacht. Efecan, Mohammad und Ahmad sind stolz auf das, was sie erreicht haben. Sie planen, ihr Angebot weiter auszubauen und hoffen, dass sie in Zukunft noch mehr Menschen helfen können, Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Bildung zu erhalten.

 

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  • BZ Bochum- Privat: Privat
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Ahmad Shihabi
Ahmad Shihabi ist Journalist aus Syrien. Seit 2015 ist Ahmad in Deutschland, arbeitet als freier Journalist für Kohero und berichtet vor allem aus dem Ruhrgebiet. Aktuell arbeitet Ahmad als Reporter bei der Neuen Ruhr/Rhein Zeitung. Auch ist er Mentor beim NRW-Mentoring-Programm der Neuen Deutschen Medienmacher*innen.

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