Zuhause auf dem Papier 4: Unheimlich

Seit Maryam 2015 nach Deutschland gekommen ist, sucht sie nach ihrer Identität, nach Stabilität, nach einer dauerhaften Heimat. Auf der Suche hat sie viel verloren und viel erreicht. Durch das Schreiben hat Maryam auf dem Papier ein Zuhause gefunden. Dort fühlt sie sich wohl und kann sein, wer sie ist.

Das Verlangen, das mit Zigarettenrauch brannte und unter den Füßen zerbröckelte

Mein Körper vergisst nie seine Wunden und treibt so die Seele aus mir heraus

Hatte ich etwa keinen Platz in den Armen der Welt?

 

Ich bin eine Nacht voller Stürme,

eine, deren Heimat und Land gestohlen zu sein scheinen

Warum wurde ich nicht als Geisel genommen?

Sie haben mich nicht zu Hause eingesperrt

Ich wurde von einem Boden zum anderen geschoben

Ohne meinen Willen

Der Tod in der Heimat soll schöner sein als die Freiheit im Exil

 

Ich trank das Wasser von sieben Ländern,

aber kein Wasser war süßer als mein Land

Das Wasser der Heimatlosigkeit ist bitter,

bitterer als die Bitterkeit des Endes der Gurke

 

Was wäre, wenn der einzige Unterschied zwischen den Ländern der Zeitunterschied wäre?

Was wäre, wenn ich die Heimat überall hin mitnehmen könnte?

Wie eine Schildkröte sollte sich die Heimat auf meine Schulter legen

verbunden mit Knochen und Seele

 

Doch die Heimat liegt nicht auf meiner Schulter

Die Heimat ist sieben Länder weit weg

 

Was für ein gottloser Gott,

der den Tumor des Schmerzes in mir sieht und nichts tut

Ich denke, vielleicht ist er blind

Aber ein blinder Gott, der nicht sieht,

ist nicht zu gebrauchen.

 

Der Text entstand in Schreibtandem mit Nils Tremel. Maryams Texte werden in ihrer regelmäßigen Kolumne „Zuhause auf dem Papier“ veröffentlicht. Die Reihe wird von Irem Kurt illustriert.

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Autorengruppe
Maryam Jamalzade
Maryam Jamalzade ist im Iran geboren und aufgewachsen. 2015 ist sie mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen.  

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