Wie die Geschichte politische Entscheidungen beeinflusst

Warum die aus der Türkei stammenden Deutschen (oder Deutsch-Türken) mit „Ja“ für das Präsidialsystem gestimmt haben. Als Deutscher sage ich, weil sie vielleicht eine Diktatur haben möchten. Aber wenn ich ein Türke bin, sage ich, ich möchte eine starke Türkei. Ich bin gegen den Militärputsch und möchte so etwas nicht wieder erleben.

Fotograf*in: Hussam Al Zaher

Alle sagen etwas, was sich auf ihre Geschichte bezieht. Die Deutschen vergleichen Erdogan mit Hitler. Die Deutschen erinnern sich immer daran, was Hitler gemacht hat und sie sagen, dass man nicht sein ganzes Vertrauen in eine Person legen soll. Wir sind immer gegen ein Präsidialsystem, gegen die Macht einer einzelnen Person. Erdogan hat sehr viel falsch gemacht. Er hat Oppositionelle und Pressevertreter eingesperrt und er hat die türkischen Medien eingenommen. Er möchte ein neuer osmanischer Sultan sein.

Die Türken, die für das Präsidialsystem gestimmt haben, erinnern sich, was beim vergangenen Putsch passiert ist. Alle Putschversuche sind gegen eine islamische Regierung gerichtet und es wurden alle islamischen Parteimitglieder eingesperrt. Der Putsch war falsch und auch eine Absage an die Demokratie. Er machte die Türkei schwach.

Erdogan ist vielleicht kein guter Mensch, vielleicht möchte er ein Diktator sein, vielleicht schickt er Flüchtlinge nach Europa, nach Deutschland, wenn die Türkei kein Mitglied der EU wird. Aber das passiert alles nur vielleicht. Allerdings benutzt er sicher die islamische Religion, er vermischt Religion mit Politik, weil er das türkische Volk, das sehr gläubig ist, kennt. Er profitiert aber auch davon, was in Europa passiert.

Europa hat drei Probleme

Die Europäischen Länder haben drei Probleme: Erdogan, den IS und natürlich europäische Rechtsextremisten. Was können die europäischen Länder machen? Sie müssen mit Erdogan zusammen gegen den IS arbeiten und sie müssen gemeinsam mit Erdogan eine Lösung für das Flüchtlings-Thema finden.

Aber wenn sie mit Erdogan arbeiten, bekommen europäische Rechtsextremisten viele Wählerstimmen. Wenn sie gegen Erdogan sind, dann erhält dieser viele Wählerstimmen. Er profitiert davon, weil er gesagt hat, Europa sei gegen eine starke Türkei, gegen den Islam.

Nehmen wir zum Beispiel, was mit der türkischen Familienministerin in den Niederlanden passiert ist. Laut der niederländischen Regelung durfte die türkische Familienministerin nicht in die Niederlande einreisen, um Wählerstimmen für den Verfassungsentwurf in der Türkei zu sammeln, weil in den Niederlanden auch Wahlen waren. Aber Erdogan hat von den Ereignissen profitiert, viele Türken in Europa haben ja für das Präsidialsystem gestimmt.

Sie machten das, um die europäischen Länder herauszufordern. Aus diesem Spiel gingen die beiden Parteien als Sieger hervor, die niederländische Regierung hat bei den Wahlen gegen die Rechtsextremisten gewonnen und Erdogan hat ebenfalls mit seinem Verfassungsentwurf gesiegt.

So funktioniert Politik. 

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Hussam studierte in Damaskus Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Parallel dazu arbeitete er als schreibender Journalist. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Er ist Gründer und Chefredakteur von kohero. „Das Magazin nicht nur mein Traum ist, sondern es macht mich aus. Wir sind eine Brücke zwischen unterschiedlichen Kulturen.“

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