Aboassi selbst lebt seit 2015 in Deutschland. Schon kurz nach seiner Ankunft trat der 32-Jährige einer demokratischen Partei bei und fing seinen Master in Deutschem und Europäischem Recht an. Nun möchte er anderen Geflüchteten zeigen, wie sie am politischen Diskurs in Deutschland teilhaben können, obwohl sie noch keine Staatsbürger*innen sind. Aboassi ist der Auffassung: „Wir alle sind verantwortlich für unsere Gesellschaft. Man kann nicht zuschauen und sagen ,Das geht mich nichts an‘. Es ist wichtig, dass alle mitmachen, und das fängt mit Informationen an“.
Eine Brücke aus Informationen
Deshalb produziert das vierzehnköpfige Neuwähler:in-Team seit Anfang des Jahres Videos in einfacher Sprache mit arabischen Untertiteln. Sie stellen die Strukturen der deutschen Parteienlandschaft vor und arbeiten die Bedeutung aktueller Geschehnisse auf. „Politische Teilhabe kann nur dann funktionieren, wenn man die Leute dort abholt, wo sie stehen“, erläutert Esther Feiertag. Die 27-jährige Masterstudentin ist bereits seit Beginn des Projekts Teil des Neuwähler:in-Teams. Dabei ist sie unter anderem für das Schreiben der Video-Skripte zuständig.
„Wir wollen eine Brücke zwischen Migrant*innen und der deutschen Politik bauen“, ergänzt Aboassi. Durch die Erklärvideos und -posts sollen Partizipationsmöglichkeiten im deutschen System wie Parteien oder Integrationsbeiräte den Geflüchteten nähergebracht werden. Feiertag führt aus: „Wir sind davon überzeugt, dass alle Personen einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten haben. Deswegen gehört es zu einer Demokratie dazu, dass jeder auch eine Chance dazu bekommt mitzugestalten, wie wir gemeinsam leben wollen.“
Integration durch politische Teilhabe
Dass ein enormer Bedarf besteht, merke das junge Team allerdings nicht nur daran, dass ihre Community immer weiterwachse. Aboassi beginnt von einem Work-Shop zu erzählen, der einige Wochen zurückliegt. Das Interesse der Teilnehmer*innen sei groß gewesen, da bislang Informationen über die politische Struktur Deutschlands nur begrenzt zugänglich auf Arabisch seien. Entsprechend häuften sich die Fragen der Teilnehmer*innen über Wahlen und die unterschiedlichen Parteien.
„Es gibt in Deutschland Migrationskurse. Wenn man gute Noten hat, wird gesagt, dass man integriert ist“, bemängelt Aboassi. Die politische Dimension werde dabei nur bedingt beachtet, obwohl diese genauso wichtig sei. Sein politisches Engagement habe so auch ihn bereichert: „Wenn ich nur hier wäre, um zu arbeiten, hätte ich das Gefühl, nicht auf derselben Stufe zu stehen. So habe ich das Gefühl, dass ich zur Gesellschaft gehöre“.
„Eine Demokratie funktioniert nur dann, wenn sie alle Personen, die betroffen sind, miteinbezieht.“
„Wir sind eine vielfältige Gesellschaft. Das wird allerdings vor allem von institutioneller Seite kaum gelebt“, kritisiert Feiertag. Es brauche mehr Engagement, um Migrant*innen politisch zu integrieren. Natürlich müsse die*der Einzelne Motivation mitbringen. Doch insbesondere die Politik sei dafür verantwortlich, dass man Menschen erreicht und sie sich hierzulande eingeladen fühlen würden. Dafür müsse es mehr allgemeine Informationen auf verschiedenen Sprachen geben. Wünschenswert wäre zudem eine weitreichendere Unterstützung von Projekten wie Neuwähler:in seitens der Institutionen. Feiertag ist überzeugt: „Eine Demokratie funktioniert nur dann, wenn sie alle Personen, die betroffen sind, miteinbezieht“.
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