Meta – ein Chatbot als Brücke in einem Meer von Diskriminierung

Der gebürtige Hamburger Said Haider ist Gründer von Meta. Dieses Projekt arbeitet an der Entwicklung des weltweit ersten Antidiskriminierungs-Chatbots. Im Interview spricht Said über Metas Mission und Bedeutung von Diversität.

In einem Meer von Diskriminierung soll Meta für Betroffene von Diskriminierung eine Brücke zu der Insel mit Anwält*innen und der Insel mit Berater*innen sein. Als eine erste Anlaufstelle informiert er über rechtliche Handlungsempfehlungen in Diskriminierungsfällen und Antidiskriminierungsberatungsstellen in der Nähe. Für den Erfolg des Projektes steht für Said Haider die Diversität seines Teams an erster Stelle.

Was genau ist Meta überhaupt? Wie kann man sich eine Beratung durch Meta vorstellen?

Ziel von Meta ist es, den Menschen eine angemessene Handlungsempfehlung zu geben. Das heißt, sie über ihre Rechte aufzuklären, also was sind ihre Rechte? Wie können sie sie sichern? Außerdem sollen sie über Beratungsangebote in ihrer Nähe informiert werden. Viele Menschen, die Diskriminierungserfahrungen machen, kennen ihre Rechte überhaupt nicht. Meta soll ihnen zeigen, welche Rechte sie haben und aufzeigen, wie andere Menschen in ihrer Situation diese Rechte durchsetzen konnten.

Said, was hat Dich als Jurist dazu gebracht, einen Antidiskriminierungs-Chatbot zu erfinden?

Viele Konflikte in unserer Gesellschaft sind konstruiert. So denken zum Beispiel viele Menschen, Migration stelle eine Gefahr für „unsere Werte“ dar. Als Schüler*in findet man aber kein Gehör, also wollte ich etwas machen, was einen Einfluss auf die Gesellschaft haben kann. Deshalb habe ich damals angefangen Jura zu studieren, um den nötigen Werkzeugkasten zu haben, diese Konflikte zu dekonstruieren und zu lösen. Nach dem zweiten Staatsexamen haben mir die beruflichen Perspektiven, um etwas zu ändern aber nicht mehr gereicht. Also habe ich mir etwas anderes überlegt.

Es gibt bereits einige Antidiskriminierungsberatungsstellen. Wozu braucht es dann noch Meta?

Es gibt zwar Beratungsstellen, allerdings nicht flächendeckend und nur mit begrenzten Kapazitäten. Betroffene müssen teilweise viele Kilometer fahren oder aber lange warten, bis sie beraten werden können. Der Chatbot ist also einsetzbar, wo es noch an Menschen fehlt und steigert außerdem die Qualität der „analogen“ Beratung. So sind die Betroffenen schon vorinformiert, wenn sie in die Beratung kommen, zum Beispiel bezüglich Fristwahrung und Beweissicherung. Die Fristen, um rechtlich gegen Diskriminierung vorzugehen sind nämlich besonders kurz. Das erscheint fragwürdig, vor allem wenn man bedenkt, dass es ja auch meist erst einmal Zeit braucht, Diskriminierungserfahrungen emotional zu verarbeiten. Zudem gibt es eine Sache, die analoge Beratungen nicht bieten können und das ist Anonymität. Das verhindert zum Beispiel die Stigmatisierung Betroffener als „jemand, der sich als Opfer sieht“.

Bezüglich der emotionalen Verarbeitung muss ich zugeben, dass es mir schwerfällt, mich in die Situation einer betroffenen Person hineinzuversetzen, da ich selbst nie Diskriminierungserfahrungen machen musste. Die erste kritische Frage aber, die mir beim Nachdenken über einen Antidiskriminierungs-Chatbot in den Sinn kam, war, ob eine Person, die gerade eine Diskriminierung erlitten hat, sich an einen Roboter wenden mag, um ihre Erfahrung mit ihm zu teilen.

Ich denke, dass Betroffene emotional ohnehin von ihrem sozialen Umfeld wie ihrer Familie und Freund*innen unterstützt werden, wenn sie eine Diskriminierungserfahrung machen, und nicht von einem/einer Berater*in. Außerdem können diese Vertrauenspersonen den Chatbot für sie bedienen. Das Optimum wäre natürlich, wenn es bei der Diversität, die wir in unserer Gesellschaft haben, immer und überall Beratungsangebote gäbe. Da es aber nun einmal kein Profitgeschäft ist, sondern Beratung hauptsächlich durch Spenden und Ehrenamt ermöglicht wird, ist das schwer umsetzbar. Deshalb wollen wir Berater*innen entlasten.

Wir haben aber nicht das Ziel sie zu ersetzen. Es ist klar, dass ein Chatbot keinen Menschen ersetzen kann. Meta soll Betroffene über ihre rechtlichen Handlungsmöglichkeiten aufklären. Dazu brauchen wir zurzeit die Expertise von Jurist*innen und Anwält*innen, um die besten Informationen darüber liefern zu können, wie man gegen Diskriminierung vorgehen kann, um etwas zu ändern. Gleichzeitig soll zwecks des psychosozialen Aufarbeitens an entsprechende Beratungsstellen verwiesen werden. In einem Meer von Diskriminierung soll Meta also die Brücke zu der Insel mit Anwält*innen und der Insel mit Berater*innen sein.

Du arbeitest nicht alleine an der Entwicklung von Meta, wie setzt sich eigentlich Euer Team zusammen und seit wann läuft das Projekt?

2019 habe ich einen ersten Hackathon ausgerichtet [bei einem Hackathon kommen Softwareentwickler*innen zusammen, um gemeinsam an der technischen Lösung eines gegebenen Problems zu arbeiten], um Menschen für das Projekt an Bord zu holen. Am 8. Februar 2021 haben wir dann den Prototypen des Chatbots gelauncht. Mittlerweile sind wir drei Hauptamtliche und 15 Ehrenamtliche im Team. Dabei steht an erster Stelle für den Erfolg von Meta die Diversität unseres Teams. Diversität schafft diverse Perspektiven und Meinungen.

 

 

Wenn ich fragen darf, haben Du und Dein Team eigene Erfahrungen von Diskriminierung gemacht, die einen Einfluss auf Meta haben? Wenn ja, helfen Euch diese Erfahrungen bei der Entwicklung von Meta?

Auf jeden Fall. Wir sind unfreiwillige Expert*innen, was die Perspektive der Betroffenen angeht, wir sind ein Teil der Zielgruppe des Projekts. Jedes Mal, wenn jemand von uns eine Diskriminierung erfährt – und das passiert ständig – versuchen wir in einem konstruktiven Gespräch Erkenntnisse daraus zu gewinnen, um Meta weiterzuentwickeln, damit andere nicht die gleichen Erfahrungen machen müssen.

Vor kurzem wurde Mark Zuckerbergs Facebook zu Meta umbenannt. Ist eine Namensänderung von Eurem Chatbot vorgesehen?

Ja, der fertige Chatbot soll einen neuen Namen erhalten, der ist aber noch geheim.

In den sozialen Netzwerken habt Ihr Eure Follower*innen nach Vorschlägen für einen neuen Namen gefragt. Welche Rolle spielt die Einbindung der Community grundsätzlich bei der Entwicklung des Chatbots?

Die eine „Community“ an sich gibt es eigentlich nicht. Der Chatbot soll allen Menschen mit Diskriminierungserfahrungen nützlich sein. Es gibt aber ganz viele verschiedene Gründe für Diskriminierung, also wollen wir auch unterschiedliche Communities erreichen. Deswegen sind wir darauf angewiesen, mit unseren Zielgruppen in Kontakt zu treten, um ihre Bedürfnisse kennenzulernen und mit dem Produkt bedienen zu können. Die Diversität unseres Teams bietet hier auch Zugänge zu den Communities.

Wie sieht die Zukunft des Chatbots aus? Was sind kurzfristige und langfristige Ziele?

Meta ist bisher nur ein Prototyp. Er diente vor allem dazu, Förder*innen und Investor*innen zeigen zu können, wie in etwa der fertige Chatbot einmal aussehen soll. Es ist nämlich nicht leicht, als erster Antidiskriminierungs-Chatbot finanzielle Unterstützung zu erhalten. Es gibt weltweit kein vergleichbares Projekt. Aber mit Hilfe des Prototyps haben wir Förder*innen und Investor*innen auf uns aufmerksam machen können, vor allem die Robert Bosch Stiftung und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Außerdem hatte der Prototyp im letzten Jahr bereits 1.500 Testuser*innen. Unser Ziel war 300. Das zeigt deutlich, dass eine hohe Nachfrage nach einem Antidiskriminierungschatbot besteht.

Unser Langfristiges Ziel ist daher die Produktreife. Momentan liegt dem Chatbot noch ein einfacher Entscheidungsbaum zugrunde, der keine Abkürzungen erlaubt. Der Chatbot, dann mit anderem Namen, soll mit einem höheren Level künstlicher Intelligenz ausgestattet werden, die ihn lern- und erinnerungsfähig macht. Spätestens nächstes, hoffentlich aber schon dieses Jahr soll der Chatbot dann voll einsatzbar sein. Ziel ist eine Verständnisrate von 80%. Um dem Chatbot hier noch unbekannte Fälle von Diskriminierung beizubringen, sind wir an dieser Stelle auch wieder auf die Einbindung unserer Zielgruppen angewiesen.

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Moritz kommt aus dem Ruhrgebiet und studiert derzeit Migration und Diversität im Master in Kiel. Seine große Leidenschaft ist die Musik. „Ich arbeite bei kohero, weil das Schreiben eine Möglichkeit bietet, sich näher mit gesellschaftsrelevanten Themen, die mich interessieren, auseinanderzusetzen und andere daran teilhaben zu lassen.“

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