Der Wille zum Verstehen und den Menschen sehen

Die meisten von uns sind in Deutschland zu einer Zeit in ein Leben hineingeboren, das von Anfang an viele Annehmlichkeiten mit sich bringt, die so selbstverständlich sind, dass man sie nicht gesondert benennt. Doch auch hier ist nicht jeder vor existenziellen Sorgen gefeit und das Leben bringt unterschiedlich hohe Hürden mit sich.

Foto: Jana Spieß

Probleme haben viele Gesichter

Probleme haben viele Gesichter. Wir alle wissen das. Es sollte daher niemals darum gehen, die Schwere der Last zu vergleichen. Eine deutsche Redensart nennt es „Äpfel mit Birnen vergleichen“ – Verschiedenes auf gleicher Basis beurteilen zu wollen, ergibt nur einen Diskurs um des Redens Willen, führt aber nicht zu Konsens oder Erkenntnis. Die Unterschiede zu sehen und anzuerkennen, bedeutet kein Wetteifern um das härteste Schicksal.

Verstehen bedeutet eine Aufgabe von Denkmustern

Ich glaube, dass der erste wichtige Schritt zu einem Miteinander ist, einander verstehen zu wollen. Die grundsätzliche Bereitschaft dazu öffnet den Geist, ist aber auch noch kein Garant. Es fällt manchmal schwer, Konditionierungen und daraus resultierende Gedankenmuster zu hinterfragen, um frei für eine ganz andere Perspektive sein zu können. Und ich glaube, dass man manches vielleicht wirklich nicht gänzlich verstehen kann, weil man es dafür selbst hätte erleben müssen. Trotzdem ist es möglich, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wenn man sich für einen Moment mal nicht so wichtig nimmt und richtig zuhört. Das gilt stets beiderseitig und ich weiß recht gut, dass das nicht immer leicht ist.

Jeder Mensch ist eine Geschichte

Auch ich habe mich schon dabei ertappt, in einer von mir vorgefertigten Schablone zu denken, um es mir irgendwie leichter zu machen. So funktioniert aber keine Annäherung zwischen Menschen. Erst recht dann nicht, wenn sie in komplett verschiedenen Kulturen aufgewachsen sind. Jeder von uns möchte, dass er als eigenständiger Mensch ernst- und wahrgenommen wird, wenn er in einen Dialog tritt. Und vermutlich kennt jeder von uns die Frustration, wenn er sich falsch verstanden und in eine Ecke gestellt fühlt, die ihn austauschbar macht. Wer wird schon gerne als Person nicht ernst genommen? Mit allem, was einen ausmacht. Jeder Mensch ist eine Geschichte. Und jeder sollte seine eigene schreiben dürfen.

Die Flucht in neue Zwänge

Die Freiheit des Menschen ist so lange ein philosophisches Dilemma, wie er noch ein Mindestmaß an Bewegungsfreiraum hat, um sich wenigstens nach seinen Entscheidungen zu definieren. Kann er diese jedoch nicht mal mehr für sich selbst treffen, weil ihn äußere Faktoren daran hindern, ist das schon hart genug. Nimmt er dann jedoch allen Mut zusammen, Entbehrungen hin und findet sich nach einem hartem Kampf schließlich in einem neu kontrollierten Radius wieder, der sein Ego zusammenstaucht – wie wird er sich fühlen? Woher soll er neue Kraft schöpfen, wenn es keine Menschen gibt, die ihn sehen und verstehen?

Wir teilen einen ganz natürlichen Wunsch

Miteinander Leben muss nicht heißen, dass man sich die Probleme eines anderen zu eigen macht. Es kann aber schon heißen, sie als eine Variante dessen zu begreifen, was man auch für sein eigenes Leben beansprucht: Das Glück, mit dem Gefühl zu leben, als Mensch angenommen ein selbstbestimmtes Leben zu führen, wie man es sich wünscht.

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