Dialog über ein Lied – eindeutig zweideutig

Dialog über ein Lied:, Seit 8 Monaten ist Janita mit einem syrischen Flüchtling namens Feras liiert. In ihrer Beziehung kommen sie oft an ihre kulturellen Grenzen, sehen dies aber als Herausforderung. Vieles können sie an der Kultur des jeweils anderen nicht nachvollziehen. Also reden sie darüber, damit sie ihre Ängste abbauen können.

Foto: Zack Smith on Unsplash

„Feras-Honey, worum geht’s eigentlich in diesem arabischen Lied hier? Es klingt so traurig und jedes zweite Wort ist ‚Habibi“.  Singt er, dass er seine Freundin vermisst?“

„Oh, Schatz, unsere Lieder sind die schönsten der Welt! Er singt, dass ihr Gesicht der Mond ist. Ein Mal hat er sie gesehen und jetzt ist sie seine Seele, sein ‚Haya‘,  sein ‚Qalb‘. Und er sagt, dass er ihren Namen in einen Baum… Ähm, wie heißt das, wenn man das in einen Baum schreibt?“

„… Ritzen?!“

„… Genau. Er ritzt ihren Namen in den Baum. Und er ist neidig auf das Glas, das ihre Lippen berührt… “

“ Neidisch… “

“ Jaaaa, genau. Und ooooh, jetzt singt er, dass er den Boden küssen will, auf dem sie geht, dass er ihre Kleidung beneidet, weil sie sie berühren darf… “

„Aha.“

„Was denn???“

„Das klingt so furchtbar verzweifelt. So übertrieben unglücklich. Hier sagt das kein Mann zu einer Frau und wenn, dann halten ihn alle für ‚majnun‘. Keine gestandene Frau fällt auf so ein Lügenmärchen rein.“

„Ach, Schatz, ihr Deutschen seid so kalt. Die Frauen lieben das. Wir sind sehr gut mit Gedichten.“

„Wer glaubt denn solche übertriebenen Schnulzworte.“

„Ja, ihr könnt das nicht. Eure Lieder sind langweilig.“

„Stimmt, aber beide, also deutsche und arabische Lieder haben doch am Ende dieselbe eindeutige Aussage.“

„Welche?“

„Na, Sex.“

„Quatsch! Wir machen in unseren Liedern und Gedichten Komplimente und zeigen unsere Liebe.“

„Er will Sex. Eindeutig. Ist in jedem Lied über Liebe dasselbe.“

„Nein.“

„Doch. Ist bei unseren blöden deutschen Schlagern auch so. Wir sagen es dort auch durch die Blume.“

„Durch was?“

„Blume. Das bedeutet, du umschreibst etwas. Du sagst es nicht direkt, um nicht unhöflich zu klingen. Als du letzte Woche in der Parfümerie zu mir gesagt hast, dass ich schöner sei als je zuvor, hast du mir damit ‚durch die Blume‘ zu verstehen geben wollen, dass dein Badezimmer keinen Platz mehr für meine Kosmetik hat.“

„……“

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Kategorie & Format
Autorengruppe
Janita
Janita, ist 35 Jahre alt, wohnt in Halle/Saale und ist vom Beruf Krankenschwester. Sie ist mit einem syrischen Flüchtling namens Feras liiert, welcher zur Zeit Informatik studiert. Oft kommen die beiden in ihrer Beziehung an ihre kulturellen Grenzen, sehen dies aber als Herausforderung. Vieles können sie an der Kultur des jeweils anderen nicht nachvollziehen. Also reden sie darüber – und Janita schreibt für kohero über ihre Erfahrungen.

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