Wann dürfen Handy-Daten von Asylsuchenden ausgelesen und verwertet werden?
Wir beginnen unseren Überblick über die wichtigsten Entwicklungen im Asylrecht mit diesem Thema: Wer in Deutschland einen Asylantrag stellt, kann aufgefordert werden, sein Handy dem BAMF zu übergeben, das dann die Daten daraus auswertet.
Zwar gibt §15a Asylgesetz dem BAMF das Recht, Datenträger auszuwerten – also auch die Handy-Daten. Voraussetzung ist aber, dass
- die Auswertung für die Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Asylsuchenden erforderlich ist und
- es kein milderes Mittel gibt, um den Zweck der Maßnahme zu erreichen.
Das Verwaltungsgericht Berlin (VG Berlin Urteil 1.6.2021, 9K135/20A) entschied im Fall einer afghanischen Asylbewerberin, dass es vom BAMF rechtswidrig war, ihr Handy zu verlangen und die Handy-Daten auszuwerten, ohne vorher die eingereichten Unterlagen zu übersetzen und zu prüfen. Sie hatte eine afghanische Geburts- und Heiratsurkunde beim BAMF eingereicht, konnte aber keinen Pass oder Passersatz vorlegen. Die Asylsuchende sei unzulässig in ihren Grundrechten verletzt. Das BAMF hätte zunächst alle milderen Mittel ausschöpfen müssen (die eingereichten Dokumente prüfen). Mehr
Kann der kurdische Asylbewerber aus dem Iran, der sich in Würzburg dem somalischen Angreifer (abgelehnter Asylbewerber) entgegenstellte und dadurch wahrscheinlich Menschenleben rettete, als „Belohnung“ die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten? Viele fordern dies.
„Bleiberecht und Bundesverdienstkreuz sind ja wohl das Mindeste“, „ehrenhafte Einbürgerung“ – so die Forderungen. In Frankreich ist dies möglich: ein Asylbewerber aus Mali rettete als Spiderman ein Kleinkind und wurde daraufhin eingebürgert. Eine solche einfache Einbürgerung sieht das deutsche Recht aber nicht vor. Lediglich Spitzensportler profitieren manchmal von einer sogenannten Ermessenseinbürgerung.
Es gibt viele Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen (u.a. Mindestaufenthalt in Deutschland, Lebensunterhaltssicherung). Im Asylverfahren des mutigen Kurden wird nun geprüft, ob und welche Gefahren ihm bei der Rückkehr in den Iran drohen. Ihm droht bei einer Rückkehr eine Haftstrafe, weil er einen muslimischen Menschen davon abgehalten hat, gottgefällige Taten zu vollbringen. Mehr
Europäischer Gerichtshof erteilt in einem aktuellen Urteil der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte zur Gewährung von subsidiärem Schutz eine Absage
Deutsche Verwaltungsgerichte haben sich bisher bei der Gewährung subsidiären Schutzes an den Statistiken über Todeszahlen in den Herkunftsländern orientiert. Das allein reicht aber nicht bei der Beurteilung.
In ihrem Urteil vom 10.6.2021 haben die Richter*innen des Europäischen Gerichtshofes festgestellt, dass das Verhältnis von zivilen Opfern zur Gesamtbevölkerung im Herkunftsland eines Geflüchteten kein entscheidender Ausgangspunkt sein kann, ihnen einen Schutzstatus zuzuerkennen oder ihnen abzusprechen. Es bedarf vielmehr einer quantitativen als auch qualitativen Gesamtwürdigung der Umstände.
Für Geflüchtete, insbesondere aus Afghanistan, ist das Urteil aus Luxemburg ein wichtiges Hoffnungszeichen. Die reine Mindestzahl an zivilen Opfern darf nicht ausschlaggebend sein. Eine ernste individuelle Bedrohung muss weit ausgelegt werden. Eine umfassende Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls muss geprüft werden. Mehr
Asylsuchende im Kirchenasyl haben Anspruch auf volle Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
Am 24.06.2021 hat das Bundessozialgericht Kassel in einem Urteil entschieden, dass die Inanspruchnahme von Kirchenasyl nicht ‚rechtsmissbräuchlich‘ im Sinne von § 2 Asylbewerberleistungsgesetz ist. Sogenannte Analogleistungen nach § 2 AsylbLG sind also auch dann zu gewähren, wenn sich der Leistungsberechtigte im offenen Kirchenasyl aufgehalten hat. Dieser Aufenthalt stelle sich nicht als rechtsmissbräuchliche Verlängerung der Aufenthaltsdauer dar.
Eine schwerbehinderte Äthiopierin im Kirchenasyl erhält nun doch höhere Sozialleistungen, denn „sie habe letztlich nur politische Absprachen zwischen dem Staat und den Kirchen genutzt, dass Flüchtlinge im offenen Kirchenasyl nicht abgeschoben werden“, urteilte das Bundessozialgericht. Mehr
Gibt es bald auch in anderen Bundesländern Antidiskriminierungsgesetze?
Vor einem Jahr trat in Berlin als erstem Bundesland das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, Personen vor Diskriminierung durch Behörden zu schützen. Also vor Racial Profiling durch Polizist*innen, vor Diskriminierung durch die Schule oder das Jugendamt. Zwar gibt es auf Bundesebene das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, aber dieses gilt nur für das Arbeitsleben und sogenannte Alltagsgeschäfte wie einen Restaurantbesuch oder den Abschluss einer Versicherung. Vor allem Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Thüringen könnten bald folgen. Mehr
Mindestlohn für ausländische Pflegekräfte
Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Urteil vom 24.6.2021 festgelegt, dass ausländische Pflegekräfte auf jeden Fall den gesetzlichen Mindestlohn von zur Zeit € 9,50 erhalten müssen. Hunderttausende Arbeitskräfte aus dem Ausland pflegen, umsorgen und unterstützen alte Menschen, bekommen aber für ihre Arbeit oftmals sehr wenig Entgelt. Mehr
Neue Studie zu „Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen im Kontext aktueller politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen Afghanistans“
Im Rahmen einer mehrjährigen Forschung ist es der Afghanistan-Expertin Friederike Stahlmann gelungen, Erfahrungen von 113 der 908 zwischen Dezember 2016 und März 2020 aus Deutschland abgeschobenen Afghanen zu dokumentieren. Gegen die Mehrheit dieser Menschen und deren Familien wurde in Afghanistan Gewalt ausgeübt. Die Taliban verfolgten sie, da sie ja in den Westen geflüchtete waren. Zum anderen besteht extreme humanitäre Not. 93% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, Abgeschobene haben in Afghanistan kaum Chancen. Rund 70% der nach Afghanistan Abgeschobenen sind wieder per Visum oder auf dem Fluchtweg nach Deutschland zurückgekehrt. Mehr