Abschiebung – Mutter der Lösungen in der Migrationspolitik?

Lösung aller Probleme oder Mittel im Wahlkampf? Innenministerin Nancy Faeser überprüft Abschiebungen nach Afghanistan, obwohl die Lage vor Ort sich nicht gebessert hat. Was hat das mit ihrer Kandidatur in der hessischen Landtagswahl zu tun? kohero-Chefredakteur Hussam kommentiert.

Fotograf*in: Markus Spiske auf unsplash
Seit August 2021 gibt es keine Abschiebungen aus Deutschland nach Afghanistan. Wir erinnern uns: die Machtübernahme der Taliban, der chaotische Abzug der ausländischen Militärs, darunter auch die der NATO und Deutschland. Der damalige Innenminister Horst Seehofer (CSU) begründete den Abschiebestopp 2021 damit, dass sich die Sicherheitslage vor Ort so schnell geändert habe, dass Rückführungen nicht machbar oder zu rechtfertigen sind. Ja, der Horst Seehofer, der im Sommer 2018 noch die Abschiebung von 69 Afghanen zu seinem 69. Geburtstag gefeiert hatte. Die ZEIT hatte danach recherchiert, wo die abgeschobenen Männer waren. Die Autor*innen konnten viele finden, manche Männer waren krank, verschwunden, oder zurück auf der Flucht nach Deutschland. Jetzt, im März 2023 lese ich die Nachricht: Innenministerin Nancy Faeser (SPD) prüft Abschiebungen von sogenannten Gefährdern nach Afghanistan. Wartet, hat sich die Lage in Afghanistan geändert? Obwohl meine Kollegin Sahar jeden Monat eine Zusammenfassung der wichtigen Nachrichten aus Afghanistan für kohero schreibt, habe ich nicht mitbekommen, dass die Menschen in Afghanistan jetzt sicher sind. Vielleicht hat unsere Innenministerin andere Nachrichten mit anderen Quellen gelesen? Was sicher ist, ist dass unsere Innenministerin die Innenpolitiknachrichten aus Deutschland liest, insbesondere die mit Blick auf die Landtagswahlen in Hessen. Denn im Oktober will Nancy Faeser für die SPD die Wahl dort gewinnen. Gleichzeitig hatte Faeser vor ein paar Monaten doch die Abschiebung von Afghanen in ihr Heimatland abgelehnt, mit der Begründung, dass die Sicherheitslage es nicht erlaubt. Auf Twitter hatte Faeser letzten August noch geschrieben, sie arbeite an einem Bundesaufnahmeprogramm für Afghan*innen. Warum ist die Lage jetzt anders? Das Innenministerium weiß, welche Herausforderungen zu bewältigen sind, um eine Abschiebung überhaupt durchzuführen. Als Erstes muss es eine Form von Anerkennung oder Zusammenarbeit mit der Taliban Regierung geben, weil ohne ihre Erlaubnis keine Abschiebung nach Afghanistan möglich ist. Wie die Innenministerin diese Anerkennung der Taliban bekommen möchte, wissen wir nicht.

Menschenrechte nicht vergessen

Als nächstes stellt sich die Frage der Sicherheit der Beamten im Flugzeug. Oder die Frage der Menschenrechte von den Abgeschobenen, auch wenn sie Straftäter waren. „Angesichts der außerordentlich schwierigen Sicherheitslage und der Tatsache, dass keine international anerkannte Regierung in Afghanistan existiert, sind somit schwierige Fragen zu klären“ sagte ein Sprecher des Innenministeriums am 20.03. Schön, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem die Gesetze am Ende entscheiden, was unsere Ministerin plant und prüft. Laut der Europäischen Menschenrechtskonvention ist die Abschiebung von Menschen in Gebiete, in denen ihnen Misshandlungen oder Verfolgung drohen, verboten. Auch in Fällen von Straftätern sollten die Menschenrechte nicht vergessen werden. Mal wieder frage ich mich, warum Abschiebung als Lösung für alle Probleme in Deutschland diskutiert wird, obwohl sie rechtlich, moralisch und realistisch ein so schwieriger Prozess ist. Warum müssen unsere Politiker*innen immer wieder versuchen, mit dieser Nachricht “mehr Abschiebungen” zu punkten? Und warum wird dabei so ungenau Innen- und Außenpolitik vermischt? Und wir sollten alle fragen: Was sagen jetzt die Afghan*innen zu dieser Diskussion? Viele haben keinen vollen Asylschutz bekommen, sondern Duldungen und Abschiebeverbote. Diese bieten wenig Sicherheit und noch weniger Perspektiven in Deutschland. Fühlen sich diese Menschen von der aktuellen Diskussion betroffen, auch wenn sie keine Straftäter sind? Und warum sollten sie diesen Druck aushalten? Nur weil die Innenministerin jetzt etwas überprüfen möchte, wovon wir fast sicher wissen, dass es sich nicht ändern wird? Achso, weil bald Landtagswahlen in Hessen sind.

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Hussam studierte in Damaskus Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Parallel dazu arbeitete er als schreibender Journalist. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Er ist Gründer und Chefredakteur von kohero. „Das Magazin nicht nur mein Traum ist, sondern es macht mich aus. Wir sind eine Brücke zwischen unterschiedlichen Kulturen.“

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Hussam studierte in Damaskus Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Parallel dazu arbeitete er als schreibender Journalist. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Er ist Gründer und Chefredakteur von kohero. „Das Magazin nicht nur mein Traum ist, sondern es macht mich aus. Wir sind eine Brücke zwischen unterschiedlichen Kulturen.“

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