Zum Weltflüchtlingstag 2019

In Deutschland kamen 2018 knapp 162.000 Geflüchtete an, rund 36.000 weniger als im Vorjahr und 560.000 weniger als 2016. Der deutsche Bundestag verabschiedete im Mai neue Asylgesetze, die bis zu 18 Monate Aufenthalt in Ankerzentren und Abschiebehaft in regulären Haftanstalten ermöglichen. Die Zahl der Geflüchteten erreicht weltweit den neuen Rekord von 70,8 Millionen. Jeder sechste Geflüchtete stirbt beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren. 

Grenze zwischen den Menschen. Foto: Hussam Al Zaher

Diese Zahlen sind die Realität am internationalen Flüchtlingstag 2019. Man kann bei dieser Gelegenheit die Frage stellen:

Wo ist die „Willkommenskultur“ heute? War sie nur schöner Schein? Eine „Schein-Kultur“?

Wir hoffen nicht. Im August wollen wir uns im Magazin mit dem Thema beschäftigen: Wie wird die Willkommenskultur gelebt? Inwieweit war sie nur ein „Hype“? Wie wird heute über Flucht und Asyl diskutiert?

Geflüchtete als Menschen wahrnehmen

Die Zahlen zeigen auch, dass das Thema Flucht nicht aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden darf. Sie verdeutlichen auch, dass es fatal ist, rechten Kreisen die Meinungsmacht zu überlassen. Umso wichtiger finden wir es, Geflüchtete als Menschen wahrzunehmen und nicht als Zahl.

Wir beobachten, dass sich die Haltung gegenüber Geflüchteten bei vielen Menschen verändert hat. Nur 31% der Deutschen glauben, dass sich die meisten Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, erfolgreich integrieren können – vor zwei Jahren lag dieser Wert noch deutlich höher (37%). Über die Hälfte der Deutschen geht außerdem davon aus, dass die meisten Menschen, die Asyl beantragen, aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen und damit kein Recht auf Asyl hätten (Quelle: Ipsos-Studie zum Weltflüchtlingtag). Nach Willkommenskultur sieht das nicht aus.

Asylgesetze erschweren Situation für Geflüchtete

Auch faktisch wird die Situation für Geflüchtete in Deutschland schwieriger. Die Asylgesetze, die im Rahmen eines „Migrationspakets“ im Mai vom Bundestag beschlossen wurden, haben direkte und indirekte Auswirkungen (eine Übersicht über die neuen Regelungen gibt der Spiegel. Gerade die verschärften Abschieberegeln betreffen nicht nur abgelehnte Asylbeweber, sondern beeinflussen die öffentliche Wahrnehmung, wie Dr. Georgiana Banita von der Trimberg Research Academy (Universität Bamberg) erklärt: „Polizeieinsätze im Rahmen von Zwangsabschiebungen werden zur Routine, mit dem Ergebnis, dass der Asylsuchende selbst unter Verdacht gerät und Geflüchtete zunehmend mit Kriminalität in Verbindung gebracht werden.“

Ein gutes Leben für alle

Unser Ziel ist es, ein realistisches Bild von Geflüchteten, von Fluchtursachen, von Problemen und Erfolgen der Integration zu zeichnen. Integration bedeutet, einen Weg zu finden, um gemeinsam in einer Gesellschaft zu leben. Wichtiger wäre aber, gemeinsam eine neue Gesellschaft zu entwickeln, die ein gutes Leben für alle ermöglicht. Hierfür scheint es noch kein Wort zu geben.

 Hussam Al Zaher hat diesen Artikel geschrieben 

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