Vom Erhalt von Staatsangehörigkeiten und von solchen, die man nicht los wird

Persis ist Deutsche, Iranerin, Belgierin und vorallem Mensch. Ein persönlicher Bericht über die Bedeutung von Staatsangehörigkeiten.

Fotograf*in: Ryoji Iwata auf Unsplash

„Ich bin Deutsche.“ Ich sage das nüchtern, so wie ‚ich bin 25 Jahre‘ oder ‚ich bin 1,60m‘. Ich bin nicht damit geboren, es ist dazu gekommen, so wie die Jahre zu meiner Altersangabe oder die Zentimeter zu meiner Körpergröße. Wobei es kein passiver Vorgang war, ich habe den Prozess von ‚nicht vorhanden‘ zu Häkchen bei der Auswahlkategorie ‚deutsche Staatsangehörigkeit‘ selbst angestoßen.

Der Antrag

Der Antrag kostete mich 255 Euro + 10 Euro für die Beantragung meiner Geburtsurkunde + die Kopierkosten für Unterlagen wie Schulabschlusszeugnis und Bafög-Bescheid als Gehaltsnachweis. Da ich in Deutschland geboren und zur Schule gegangen bin, entfiel für mich der Einbürgerungs- und Sprachtest. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Einbürgerungstest ohne Vorbereitung bestanden hätte, aber der deutsche Staat hat Vertrauen in seine Schulbildung. Die auszufüllenden Formularseiten fand ich auch interessant. Wie bei einer Multiple-Choice Aufgabe galt es beispielsweise auszuwählen, ob ich einer rechts- oder linksradikalen, antisemitischen oder terroristischen Vereinigung angehöre oder aber keinem von allen.

Termin im Standesamt

Der Termin, der mir dann als Zwanzigjährige (ich habe das Datum auf der Einbürgerungsurkunde nachgeschaut) den Zusatz zu meinen Personenangaben beschert hat, fand im Standesamt statt. Nicht zum ersten Mal, oder zum ersten Mal so konkret kam mir die Frage: Gibt es in Deutschland ein Standessystem, gibt es höhere und niedrigere Stände? Laut der Website der Bundeszentrale für politische Bildung sei die deutsche Ständegesellschaft in der Zeit vom Mittelalter bis 1918 zu verorten. Ab 1918 gäbe es keine Vorrechte mehr für eine bestimmte Personengruppe.

Tatsächlich habe ich den Antrag auf Einbürgerung oder anders gesagt auf Veränderung meines Standes aber gestellt, um ein Vorrecht zu gewinnen. Nämlich das Vorrecht auf Landes- und Bundesebene wählen zu dürfen. (Da ich durch Geburt eine andere EU-Staatbürgerschaft besaß, hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits das Vorrecht, auf kommunaler Ebene in Deutschland zu wählen.)

Aufregung

Ob ich im theoretisch nicht vorhandenen deutschen Ständesystem nun von hinten nach vorne oder von außen nach innen gerutscht bin, ich erinnere mich, ich war aufgeregt. Jetzt kann ich den Tag nicht mehr nennen, selbst das Jahr nicht auf Anhieb, nur dass es vor Corona war und nach 2017 (da lebte ich noch nicht in Marburg und ich weiß, den Antrag habe ich in Marburg gestellt). Ich erwarte, dass es mir bei dem einen Termin, den die meisten als erstes mit dem Standesamt verbinden, nicht so gehen wird. Es gibt wohl Wichtigeres im Leben als die Aufnahme einer Staatsbürgerschaft. Manchen mag es anders gehen.

Bei dem Termin auf dem Standesamt in einem Raum wie jedem anderen Raum in solchen Ämtern, bekam ich von einer Angestellten, ich gehe mal davon aus einer Standesbeamtin, ein Papier in die Hand gedrückt. Ich sollte es vorlesen, etwas wie „ich will das deutsche Grundgesetz halten“, stand darauf.

Auf einer Ecke ihres vollgepackten Schreibtischs musste ich dann unterschreiben, dass sie mir mitgeteilt hatte, dass der deutsche Staat unter gewissen Umständen nicht zu mir halten kann. Dort, wo ich andere Staatsangehörigkeiten besitze, in meinem Fall Belgien und Iran. Diese beiden Staatsangehörigkeiten durfte oder musste ich von deutscher Seite aus behalten. Die belgische, weil es eine Regelung gibt, dass eine EU-Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung in Deutschland behalten werden darf; die iranische, weil das iranische Zivilgesetz mich diese Staatsangehörigkeit nicht aufgeben lässt.

Die iranische Staatsbürgerschaft

Das Interessante ist dabei, dass der iranische Staat nichts von meiner Existenz weiß, da ich in Deutschland geboren bin und mein Vater nie bei irgendeinem iranischen Amt angegeben hat, dass ihm in Deutschland eine Tochter geboren wurde. Der deutsche Staat aber, wie immer bestrebt superkorrekt zu sein, kennt das iranische Zivilgesetz. Das besagt, wer einen iranischen Vater hat, hat automatisch die iranische Staatbürgerschaft. So wurde dies auch bei mir im Geburtenregister erfasst. Bis ins Alter von sechzehn Jahren wusste ich nichts davon.

Erst mit einem Umzug von einer deutschen Stadt in die nächste und die Anmeldung des neuen Wohnsitzes auf dem Bürgeramt fiel mir dieser kleine Zusatz unter den Angaben zu meiner Person auf. Ich war mir sicher, dass es sich um einen Tippfehler handelte und wollte, dass man das Adjektiv iranisch strich. Die Sachbearbeiterin war überfragt und wandte sich an ihren Chef. Der lud mich in sein Büro und erklärte mir, dass alles richtig sei, ich sei Iranerin, ob ich wollte oder nicht. Also fand ich mich damit ab: „Ich bin Iranerin.“

Dass ich Iranerin bin, wird mir unmissverständlich vor Augen geführt, wenn ich in Israel einreise. Egal ob ich den belgischen oder deutschen Pass am Flughafenschalter für das Touristen-Visum vorzeige, die erste Frage lautet immer: „What is the origin of your family name?“ und die zweite: „Where was your father born?“ Dann wird mein Pass einbehalten und ich zu intensiven Befragungen geschickt, dazwischen lange Wartezeiten. Da sitze ich dann, ohne Pass. Und der Pass, den ich vorgezeigt hatte, scheint eh nicht von Belang, den alles was hier zählt, ist die Staatangehörigkeit, die mir vererbt ist und sich nicht ablegen lässt.

Im Marburger Standesamt

Aber jetzt zurück ins Marburger Standesamt ins Jahr 2018. Und zurück zur Info, dass ich im Iran als Iranerin behandelt werde und  bei Schwierigkeiten, die mir dort womöglich begegnen, der deutsche Staat sich nicht für mich einsetzten werde. Da ich bis dato nie im Iran war und mir sowieso nichts anderes übrigblieb, unterschrieb ich. Nach diesem recht mechanischen Vorgehen von Vorlesen und Unterschrift leisten, bekam ich die Einbürgerungsurkunde überreicht. Wobei überreicht zu feierlich klingt, eher ausgehändigt. Einen Pass oder Personalausweis habe ich nicht in die Hand gedrückt bekommen, den musste ich nochmal extra beantragen und extra bezahlen. Ich habe meine Jacke wieder angezogen und das Gebäude verlassen, so wie bei jedem anderen Termin auf einem deutschen Amt.

Einladung des Bürgermeisters

Ein paar Monate nach dem Termin im Standesamt, kam eine Einladung von der Stadt Marburg. Der Bürgermeister lud alle in diesem Jahr Eingebürgerten zu einem Empfang ins Rathaus ein. In mir machte sich Vorfreude breit. Die steckte meine Eltern und großen Bruder, die ich gefragt hatte, ob sie mich zu diesem Empfang begleiten wollen, nicht an. So ging ich mit einer Freundin, in langem Kleid mit hochgesteckten Haaren zu dem Termin. Nach der Rede des Bürgermeisters und dem Rahmenprogramm mit Musik und Gedichtlesung, wurde jede anwesende neu eingedeutschte Person einzeln nach vorne gerufen, insgesamt ca. 30 Personen.

In einem Saal mit Holzvertäfelung, großen Gemälden und schicken Stühlen, überreichte mir der Bürgermeister nach kurzem Händeschütteln feierlich eine Orchidee. Ich habe sie nicht gehegt und gepflegt, sondern bei der nächsten Gelegenheit weiter verschenkt. Danach gab es noch Sektempfang mit Häppchen und Smalltalk. Zwei Kinder von einem meiner ägyptischen Uni-Dozenten waren da. Kurz sprach ich mit einem Iraner, einer Frau aus Südamerika und hielt nach einem Mitstudenten Ausschau, der die Einbürgerung auch in diesem Jahr beantragt und erhalten hatte.

Er war nicht da. Ich weiß nicht wie viele nicht da waren. Zu meinem Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft habe ich dank diesem Event ein Foto, auf dem ich mit Tina und Orchidee vor dem Marburger Rathaus stehe, sowie die oben geschilderten bruchstückhaften Erinnerungen.

Zu dem Erhalt meiner anderen beiden Staatsangehörigkeiten gibt es auch ein Foto. Die neugeborene Persis mit zusammengekniffenen Augen im Arm ihrer Mutter im Krankenhausbett. Wobei ich wie gesagt, bis zu meinem 17. Lebensjahr immer davon ausgegangen bin ich sei nur belgische Staatsbürgerin. Und das dachte ich, sei fest, könnte mir keiner absprechen, außer ich selbst vielleicht.

Post von der belgischen Botschaft

Dann aber bekam ich in demselben Jahr, in dem ich mich in Deutschland einbürgern ließ, einen Brief von der belgischen Botschaft in Berlin. In dem Schreiben wurde ich darüber informiert, dass ich als im Ausland geborene Belgierin, die nie ihren Wohnsitz in Belgien hatte und eine andere Staatsbürgerschaft besitzt, mit dem Erreichen des 28. Lebensjahres meine belgische Staatsangehörigkeit verliere. Ich hätte aber die Möglichkeit einen Antrag auf Beibehaltung der belgischen Nationalität zu stellen.

Ich war schockiert. Ich war gerade dabei meine deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen, aber mein jüngerer Bruder nicht. Würde er die belgische Staatbürgerschaft verlieren, hätte er nur noch die iranische.

Aber auch ich wollte die belgische Staatbürgerschaft nicht verlieren. Denn wenn ich etwas seit meiner Geburt zum Thema Staatbürgerschaft über mich sagen konnte, war es das: „Ich bin Belgierin.“ Den Satz, „Ich bin Belgierin.“, wollte ich nicht aus meinem Repertoire streichen. Wie bei der Einbürgerung in Deutschland, galt es eine Gebühr zu zahlen. Ich weiß nicht mehr wie hoch, eine Geburtsurkunde und zudem Meldebescheinigung einzureichen.

Anders als beim deutschen Staat war meine finanzielle Situation, Sprach- oder Landeskenntnisse nicht von Belang. Kurz darauf wurde ich ins belgische Generalkonsulat in Berlin eingeladen, um dort die Urkunde auf Beibehaltung der belgischen Nationalität zu unterschreiben. Von der Mitarbeiterin, die mich dort empfing erfuhr ich, dass sie mich gewissermaßen aus Kulanz über den möglichen Verlust informiert hatte. Ich hätte die belgische Staatsbürgerschaft unbemerkt verlieren können. Ich hoffe, dass die eine Unterschrift genügt, um mir auf Lebenszeit die belgische Staatsangehörigkeit zu erhalten. Bisher verbindet mich zwar augenscheinlich nur die Wahlpflicht mit Belgien, denn wer in Belgien bei den nationalen Wahlen nicht wählt, bezahlt eine Strafe.

Ich bin ein Mensch

Missen will ich jetzt aber weder die belgische noch die deutsche Staatsbürgerschaft. Auch an die iranische habe ich mich mittlerweile gewöhnt, wobei ich diese zugegebenermaßen recht stiefmütterlich behandle. Wenn bei Formularen eine Staatsangehörigkeit angegeben werden soll, nenne ich meist zunächst die deutsche. Und in dem Feld für weitere Staatsangehörigkeiten notiere ich die belgische. Die iranische nenne ich nur dann, wenn ich mir sicher bin, dass diese auf positive Resonanz stoßen wird. Ansonsten lasse ich sie bei solchen unpersönlichen Abfragen meiner personenbezogenen Daten unter den Tisch fallen.

Im Gespräch mit Personen, die über eine einzige Staatsbürgerschaft verfügen, sind meine drei Staatsangehörigkeiten meist der Renner. Ich weiß nicht wie viele Gespräche ich darüber schon geführt habe. Zum ersten Mal habe ich jetzt auch darüber geschrieben, als Deutsche, Belgierin und Iranerin.

Vielleicht liegt die Faszination darin, dass eine Person, so viel mehr sein kann als eine Kategorie, ein Stand abbildet. Ich bin Inländerin, EU-Ausländerin und Nicht-EU-Ausländerin. Ich bin gleichzeitig Teil eines parlamentarischen Bundesstaats, einer parlamentarischen Monarchie und einer islamischen Republik. Das bedeutet manchmal wahrscheinlich viel mehr als ich begreifen kann und ein anders mal viel weniger als wonach es sich anhört. Und wenn ich oder jemand anderes dabei durcheinanderkommen sollte, oder mir die eine oder andere Staatsangehörigkeit abhanden käme, dann weiß ich: „Ich bin Mensch.“

 

Weitere Beiträge zum Thema Staatsangehörigkeit findest du hier.

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Persis liebt interkulturelle Orte und Menschen. Sie lebt in Berlin, schreibt Gedichte, Erzählungen, Briefe und ab und zu auch einen Artikel. Sie hat Nah- und Mitteloststudien in Marburg und Geschichte transkulturell in Erfurt studiert. Aktuell arbeitet sie bei der Vereinigung für Grundwerte und Völkerverständigung und nebenbei an der Bar im Prachtwerk in Neukölln. Persis ist in Deutschland, NRW geboren und hat iranisch-belgische Wurzeln.

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Persis liebt interkulturelle Orte und Menschen. Sie lebt in Berlin, schreibt Gedichte, Erzählungen, Briefe und ab und zu auch einen Artikel. Sie hat Nah- und Mitteloststudien in Marburg und Geschichte transkulturell in Erfurt studiert. Aktuell arbeitet sie bei der Vereinigung für Grundwerte und Völkerverständigung und nebenbei an der Bar im Prachtwerk in Neukölln. Persis ist in Deutschland, NRW geboren und hat iranisch-belgische Wurzeln.

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