Flüchtende aus der Ukraine – die wichtigsten Regelungen

Für Menschen aus der Ukraine, die jetzt in Deutschland Schutz suchen, stellen sich viele Fragen, die wichtig sind, um mit dem Leben hier zurecht zu kommen. Auch Deutsche, die den Geflüchteten zur Seite stehen, sind auf verlässliche Informationen angewiesen. Angelika erläutert hier die wichtigsten Regelungen rund um den Aufenthalt.

We Stand With Ukraine
Fotograf*in: Markus Spiske on Unsplash

Ukrainische Staatsangehörige und Personen, die in der Ukraine als anerkannte Geflüchtete gelebt haben, können mit einem biometrischen Pass ohne ein Visum nach Deutschland einreisen (§18 Aufenthaltsverordnung). Auf ein sonst erforderliches Visum (wenn die Flüchtenden aus Rumänien, Bulgarien oder Moldawien als Nicht-Schengenstaaten kommen) wird aus humanitären Gründen verzichtet.

Wenn sie in Deutschland sind, sollten sie sich unverzüglich bei einer Polizeidienststelle, der Ausländerbehörde in ihrem Aufenthaltsort oder einer Zentralen Aufnahmestelle melden. Dort werden sie registriert, medizinisch untersucht (u.U. gegen Corona geimpft) und erhalten eine Bescheinigung, dass sie in Deutschland registriert wurden. Sollten sie keine Unterkunft haben, werden ihnen Schlafplätze zugewiesen. Sie können sich im Übrigen frei in Deutschland bewegen und unterliegen nicht der sonst üblichen Residenzpflicht. Sollten sie privat eine Unterkunft haben, sind sie verpflichtet, sich dort spätestens nach 3 Monaten anzumelden.

Bitte keinen Asylantrag stellen – der Aufenthalt ist geregelt

Die aus der Ukraine geflüchteten Menschen können einen Aufenthaltstitel in Deutschland beantragen ohne ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Der Rat der Europäischen Union hat zum ersten Mal die sogenannte Massenzustromrichtlinie RL 2001/55 EG (diese war 2001 aufgrund der Jugoslawienkrise beschlossen worden) angewendet und am 3.3.2022 den dafür notwendigen Beschluss gefasst. § 24 Aufenthaltsgesetz regelt diesen Aufenthaltstitel in Deutschland. Die Aufenthaltsdauer beträgt dann zunächst ein Jahr und kann zweimal um jeweils sechs Monate und durch einen EU-Ratsbeschluss noch einmal um ein weiteres Jahr verlängert werden, sodass der Aufenthalt maximal drei Jahre umfassen kann. Ein solcher Aufenthaltstitel berechtigt die Menschen zu folgendem:

  • Erwerbstätigkeit in Deutschland: Eine selbstständige Tätigkeit ist ohne Beschränkung möglich (§24Abs.6S.1Aufenthaltsgesetz). Eine abhängige Beschäftigung ist nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde möglich (§24Abs.6S. 2Aufenthaltsgesetz). Es gibt jedoch eine behördeninterne Anweisung, diese Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit automatisch in den Aufenthaltstitel aufzunehmen.
  • Gesundheitsversorgung – die deutschen Krankenkassen haben bereits ihre Hilfe bei Geflüchteten aus der Ukraine zugesagt.
  • Finanzielle Hilfe: Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz können beim zuständigen Sozialamt beantragt werden. Aktuelle Höhe:
//www.bmas.de/DE/Service/Presse/Meldungen/2021/neue-leistungssaetze-asylbewerberleistungsgesetz.html
//www.bmas.de/DE/Service/Presse/Meldungen/2021/neue-leistungssaetze-asylbewerberleistungsgesetz.html

Menschen, die aus der Ukraine fliehen, können kostenlos die Angebote der Deutschen Bahn sowie auch den Nahverkehr in Deutschland nutzen. Als Fahrtberechtigung genügt in der Regel ein ukrainischer Pass oder ein Personaldokument. Mitreisende Kinder unter 18 benötigen kein Ausweisdokument. Die Regelung gilt zunächst bis zum 31. März.

Um die Kommunikation z.B. mit Angehörigen in der Ukraine zu erleichtern, haben viele Telekommunikationsunternehmen Telefonate und SMS für Festnetz- und Mobilfunkanschlüsse kostenfrei gestellt. Dazu zählen unter anderem die Deutsche Telekom, Vodafone, O2/Telefonica, Pyur, NetCologne, M-net, EWE, 1&1 sowie die Freenet-Gruppe mit den Anbietern Klarmobil und Mobilcom-Debitel. Roaming-Gebühren innerhalb der Ukraine fallen ebenfalls nicht an.

Immer mehr Kinder und Jugendliche kommen ohne ihre Eltern nach Deutschland – was ist zu beachten?

Etwa jeder vierte Flüchtling in der EU ist ein Kind oder Jugendlicher.

Sie brauchen besonderen Schutz und sichere Orte. Sie benötigen spezielle Begleitung, Schulbildung oder Ausbildung, Freizeit- und Integrationsangebote.

So kam etwa  ein elfjähriger Junge, der von seinen Eltern in der Ukraine in die Bahn gesetzt wurde, um so in Sicherheit in der Slowakei zu Verwandten zu gelangen. Der Vater durfte ihn nicht begleiten (alle Männer von 18-60 Jahren dürfen die Ukraine nicht verlassen). Die Mutter kümmert sich um ihre eigene pflegebedürftige Mutter. Wenn der Elfjährige nach Deutschland käme, würde er zunächst von einem Kinder- und Jugendnotdienst in Obhut genommen werden.

60% aller Inobhutnahmen von unbegleiteten minderjährigen Ausländern erfolgten seit 2013 in den 10 großen deutschen Städten (Hamburg, Berlin, Frankfurt an der Spitze). Es wird dann zunächst geprüft, ob Personensorge- oder Erziehungsberechtigte im Inland leben und ob das Alter tatsächlich unter 18 Jahren ist. Das zuständige Jugendamt veranlasst unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers beim Familiengericht. Solange vom Gericht noch keine Anordnungen beschlossen wurden, übernimmt das Jugendamt diese Funktionen. Es kann dem Gericht auch eine Privatperson vorgeschlagen werden. Nach der Entscheidung über die Inobhutnahme erfolgt eine Unterbringung in einer Erstaufnahmegruppe, einem Jugendhaus oder einer ähnlichen Kinder- oder Jugendeinrichtung. Im Übrigen besteht Schulpflicht für alle 6-16 Jährigen.

Stabilität für Betroffene enorm wichtig

Wenn Deutsche privat geflohene Kinder oder Jugendliche aufnehmen möchten, sollten sie sich an die zuständigen Jugendämter oder Pflegeeinrichtungen wenden. Für die Aufnahme geflohener Kinder müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu gehören unter anderem möglichst Erziehungserfahrung, ausreichend Platz zur Unterbringung, ausreichend Zeit für die Betreuung sowie ein erweitertes Führungszeugnis. Dies wird sehr sorgfältig von den Jugendämtern geprüft.

Die Hilfsbereitschaft in Deutschland ist sehr groß. Die Flüchtenden aus der Ukraine haben viel Leid erfahren und sehnen sich nach Stabilität, Ruhe und Sicherheit.

Der Rat vom Traumatherapeuten: Aufs Bauchgefühl hören. Zudem müsse man bedenken, dass die Menschen, die nun fliehen, täglich wieder mit dem Krieg konfrontiert werden, denn er ist noch nicht zu Ende. Daher sei Stabilität für Betroffene in dieser Situation enorm wichtig, ebenso Ablenkung. Vermeiden solle man, die Situation „klein zu reden“.

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Von : dgap.org

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Andere Kulturen und Menschen haben Angelika schon immer interessiert. Sie ist viel gereist und hat im Ausland gelebt. Als Rechtsanwältin ist sie auf Asyl- und Ausländerrecht spezialisiert. 2017 hat sie das Flüchtling-Magazin mit gegründet und ist seitdem für die Finanzierung und alle rechtlichen Aspekte zuständig. Bei kohero beantwortet sie die rechtlichen Fragen aus unserer Community. „kohero ist ein großartiges Medium für Geflüchtete und für Deutsche, um sich besser kennen zu lernen und die jeweils andere Kultur zu verstehen.“

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