Schwarzer Rauch zieht über die Müllverbrennungsanlagen von Istanbul, Adana und Mersin – Rauch, der die Menschen, die ihm ausgesetzt sind, krank macht und noch dazu Umwelt und Tiere vergiftet. Dieser Rauch, der durch die Verbrennung von Plastik entsteht, ist auch auf den Anstieg des Exports von Plastikmüll aus europäischen Staaten in die Türkei zurückzuführen.
25 Jahre lang war China Hauptabnehmer für den europäischen Plastikmüll, bis die chinesische Regierung im Jahre 2018 verkündete, in Zukunft keinen Plastikmüll mehr importieren zu wollen. Andere Länder wie Vietnam, Malaysia und Thailand zogen nach. Eine neue Müllhalde fand Europa in der Türkei.
Anstieg der Plastikmüllexporte um 102 Prozent
Die Türkei stellt aufgrund der geografischen Nähe zu EU-Staaten sowie den guten Handelsbeziehungen zur EU ein attraktives Land dar, um Plastikmüll dorthin zu exportieren. Von 2019 auf 2020 sollen laut Greenpeace die Plastikmüllexporte aus Deutschland in die Türkei allein um 102 Prozent zugenommen haben. Insgesamt 136.083 Tonnen Plastikmüll landeten dort, womit die Türkei im Jahre 2020 der Hauptabnehmer für europäischen Plastikmüll war. Dort soll der Plastikmüll nach europäischen Standards recycelt und von der türkischen Industrie für erdölbasierte Produkte wiederverwertet werden.
Doch was als Win-Win-Situation verkauft wird, dient in erster Linie europäischen Interessen. Hauptmotivation ist wie so oft die Kapitalakkumulation, die auf dem Rücken von Ländern des Globalen Südens sowie Schwellenländern wie der Türkei ausgetragen wird. Denn der Export von Plastikmüll in Länder wie die Türkei rechnet sich, da das Recycling dort sehr viel billiger als in EU-Staaten wie Deutschland ist. Es verwundert nicht, dass Deutschland an dritter Stelle der Länder steht, die den meisten Plastikmüll in die Türkei exportieren.
Plastikmüll, der Menschen, Tiere und Umwelt vergiftet
Organisationen wie Human Rights Watch berichten, dass das Hauptproblem insbesondere darin besteht, dass kaum überprüft werde, ob der Recycling-Prozess tatsächlich nach europäischen Standards durchgeführt wird. Abnehmer*innen in der Türkei haben ein großes Interesse daran, möglichst viel des Mülls zu importieren, da es für sie ein lukratives Geschäft darstellt. Auf Seiten der europäischen Entsorgungsunternehmen werde häufig nur oberflächlich überprüft, ob die Abnehmer*innen tatsächlich geeignet dafür sind, den Müll richtig zu entsorgen. Ein Teil des Mülls landet dabei auf Zwischenlagern und wird einfach verbrannt.
Müll, der krank macht
Hinzu kommt, dass eigentlich nur sortenreines Plastik in die Türkei verschifft werden darf, dies aber häufig nicht eingehalten wird. Die Verpackungen bestehen dementsprechend häufig nicht aus reinem Plastik, sondern einem Plastik-Gemisch. Darin enthalten sind unter anderem Flammschutzmittel, Weichmacher und Farbstoffe, die krebserregend sind. Durch die Verbrennung dieser Stoffe potenziert sich ihre krebserregende Wirkung.
Bei dem Großteil des exportierten Mülls handelt es sich außerdem um Industriemüll. Das bedeutet, dass umweltbewusste Bürger*innen in Deutschland und anderen EU-Staaten, die ihren Plastikmüll reduzieren, hier kaum einen Unterschied machen können. Wie so oft, mangelt es in erster Linie an politischen Maßnahmen, um dem Plastikproblem Einhalt zu gebieten.
Müll an den Stränden und im Meer
Ein weiteres Problem ist, dass die Türkei bereits vor dem rasanten Anstieg des Plastikmüll-Imports mit der Verwertung des eigenen Mülls nicht hinterherkam. Türkische Straßen, Strände und das Meer sind seit Jahren von Müll übersät. Die türkischen Küstenregionen am Mittelmeer zählten so beispielsweise im Jahre 2019 zu einer der am schlimmsten mit Plastikmüll verschmutzten Küstenregionen der Welt.
Ich selbst konnte jedes Jahr Zeugin dieser immensen Plastikmüllverschmutzung werden, wenn ich im Sommer mit meiner Familie in Ayvalık, einem kleinen Küstenstädtchen an der türkischen Ägäis, war. Dort konnte man mehrmals am Tag die Strände ablaufen, Müll einsammeln und fand bei jedem Strandspaziergang nach nur wenigen Stunden neuen Plastikmüll vor. Meine Cousinen Ella und Lara haben auf einem dieser Strandspaziergänge Fotos der Plastikmüllverschmutzung aufgenommen.
Dass die Strände so schnell erneut von Plastik übersät sind, hängt auch damit zusammen, dass es in Küstenregionen wie Ayvalık oft sehr windig ist. Wenn der Müll nicht richtig entsorgt wird, wird er vom Wind überallhin und damit auch an die Strände und ins Meer getragen. Dort sterben letztlich Fische und andere Meereslebewesen durch den Verzehr des Plastikmülls, wie Organisationen wie WWF berichten.
Neues EU-Gesetz
Ein neues EU-Gesetz könnte dem massiven Plastikmüll-Export in Zukunft ein Ende setzen. So wurde von den Mitgliedern des Europäischen Parlaments am 17. Januar für ein Gesetz gestimmt, welches den Export von Plastikmüll in Nicht-OECD-Länder, also beispielsweise Länder wie Indonesien, verbieten soll.
Darüber hinaus soll sich das Gesetz auch auf Länder, die der OECD angehören, wie beispielsweise die Türkei, positiv auswirken, indem der Export in jene Länder innerhalb von vier Jahren ausschleichen soll. Eine Abstimmung des EU-Rates über das Gesetz steht noch aus. Geht das Gesetz durch, könnte dies einen positiven Effekt haben.
Organisationen wie Greenpeace fordern jedoch seit jeher, dass auch Mehrwegsysteme ausgebaut werden müssten, damit derartige Massen an Plastikmüll erst gar nicht entstehen. Jener Müll, der auch in Zukunft nicht zu verhindern sein wird, sollte dann unter hohen ökologischen und sozialen Standards entsorgt und wiederverwertet werden. Dies könnten Ansätze sein, um Industrienationen wie Deutschland, die einen großen Anteil an der Plastikmüllverschmutzung und damit auch den CO²-Emissionen haben, in Zukunft mehr in die Pflicht zu nehmen.
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Bildquellen
- Müll in Ayvalik: privat