Seit Mitte Juni ist die Priorisierung bei der Impfkampagne in Deutschland aufgehoben. Dadurch haben auch viele Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit, ein Impfangebot zu bekommen, egal zu welcher Altersgruppe sie gehören. Allerding lehnen einige von denen die Impfangebote ab. Dem RKI zufolge war die Impfquote bei Personen ohne Migrationshintergrund bis zum 09. Juni höher als die von Personen mit Migrationshintergrund (siehe Grafik).
Die Impfbereitschaft unter Menschen mit Migrationshintergrund ist offenbar bisher relativ niedrig. Nachdem die Möglichkeit der Impfung angekündigt wurde, gehen die Meinungen über den Impfstoff und seine Wirksamkeit unter Geflüchteten auseinander. Einige halten den Impfstoff für sinnvoll, andere waren davon nicht überzeugt.
Der 35-jährige Tamim aus Bochum bestätigt, dass er sich ohne zu zögern impfen ließ, als er das Impfangebot von seinem Hausarzt bekam, und fügt hinzu, „um die Zahl der Infektionen zu reduzieren, damit wir uns und insbesondere die älteren Menschen schützen“.
Hend (31), glaubt an Wissenschaft, lässt sich deshalb impfen. „Natürlich werde ich mich impfen lassen, damit ich meine Kinder schütze, denn wenn mein Mann und ich uns mit Corona schwer infizieren, wer wird sich dann um unsere Kinder kümmern?“, sagt sie.
Aber warum weigern sich manche, sich gegen „Covid-19“ impfen zu lassen und welche Begründungen geben sie? Und was tun Kommunen, um Menschen mit Migrationshintergrund zur Impfung zu motivieren?
Keine Garantie
Gerüchte, die über Social-Media-Plattformen verbreitet werden, tragen dazu bei, die Angst vor dem Corona-Impfstoff zu erhöhen. Viele Menschen, die sich über Social Media informieren, glauben, dass die Pandemie und der Impfstoff nichts anderes als eine Verschwörung sind. Diese zielt darauf ab, Menschen zu kontrollieren. „Ich lasse mich sicherlich nicht impfen. Ich kenne die Vorteile und die Nachteile der Impfung nicht. Außerdem gibt es keine Garantie dafür, dass sie wirksam ist, sondern viele sagen, dass Menschen nach der Impfung unfruchtbar werden könnten“, sagt A. K. (38).
Die schnelle Entwicklung des Impfstoffs
Einer der Gründe für die Ablehnung des Impfstoffs bei Menschen mit Migrationshintergrund ist die Geschwindigkeit, mit der der Impfstoff gegen das Corona-Virus entwickelt wurde. Deshalb lehnen sie den Impfstoff nicht direkt ab. Vielmehr warten sie, um zu sehen, wie andere Menschen auf den Impfstoff reagieren. „Ich kann nicht ja oder nein sagen, ich werde abwarten, wie die Impfung gegenüber anderen wirkt und dann eine Entscheidung treffen“, teilt Obaida mit.
Keine ausreichenden Infos
Die Gespräche mit Menschen mit Migrationshintergrund über die Corona Impfkampagne zeigen, dass Personen mit Migrationshintergrund schlechter über die Vorteile und Risiken der Impfung informiert sind. Häufig können sie die Informationen der Kampagnen aufgrund fehlender Deutschkenntnisse nicht verstehen. Daher nehmen nur wenige ihr Impfangebot in Anspruch. „Meine Gesundheit ist zurzeit gut und mir wird diese Pandemie nicht schaden. Ich habe keine Informationen über den Impfstoff, den ich erhalten soll“, sagt ein 50-jähriger Mann.
Mehrsprachige Impfkampagne
Die Ablehnung der Impfung betrifft zwar nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund, sondern viele Menschen deutschlandweit. Es ist jedoch wichtig auch diese Gruppe mit Informationen zu erreichen, um ihnen den sichern Weg zur Impfung zu zeigen.
Beispielweise platzierte die Stadt Herne mehrsprachige Plakate und Banner mit dem Appel sich impfen zu lassen. Diese Impfkampagne ist in Deutsch, Englisch, Französisch, Türkisch, Polnisch, Russisch, Rumänisch, Bulgarisch und Arabisch im gesamten Stadtgebiet angebracht worden, berichtet Christoph Hüsken, Leiter des Pressebüros der Stadt. Außerdem gab es mit der Unterstützung des türkischen Generalkonsuls Lautsprecherdurchsagen in verschiedenen Sprachen, die auf Sonderimpfaktionen hinwiesen, so Hüsken.
Auch stehen alle Informationen zu den Impfungen über die Homepage der Stadt Herne in verschiedenen Sprachen zur Verfügung. Außerdem gab es gezielte Ansprachen von Multiplikatoren, über die bei Zugewanderten für die Impfung geworben wird. Die Stadt Herne plant auch, weitere Personen mit Zuwanderungsgeschichte durch Impfbusse zu erreichen. Gezielt adressiert man mit dieser Aktion Schüler*innen ab 16 Jahren, erklärte Hüsken.
Andere Strategien
Nicht alle Menschen mit Migrationshintergrund lehnen den Impfstoff ab. Aber ein Prozentsatz von ihnen zögert immer noch, was die Verlässlichkeit und Wirkung des Impfstoffs angeht – genaue Zahlen gibt es nicht, denn bei den Impfungen erfolgt in Impfzentren keine Erfassung nach Staatsangehörigkeit. Daher sollte es andere Strategien geben, um die Menschen mit Migrationsgeschichte über die Vorteile des Impfstoffs aufzuklären. Beispielsweise könnte man Seminare organisieren, die sich gezielt an Geflüchtete in ihrer Muttersprache richten und ihnen den Impfprozess in leichter Sprache erklären.
Unser Autor Ahmad Shihabi kommt aus Herne. Daher sind die Beispiele im Text dort verortet.