Neues aus Afghanistan im April

In unserer monatlichen Kolumne fasst unsere Autorin Sahar Reza Neues aus Afghanistan zusammen. Diesen Monat geht es unter anderem um die zweite Wiener Gesprächsrunde.

Fotograf*in: Farid Ershad on unsplash

“Talk to Me, Not About Me.”

Wiener Gesprächsrunde

Die Teilnehmenden der zweiten Wiener Gesprächsrunde haben eine gemeinsame Erklärung geschrieben. Hierin fordern sie einen stärkeren Zusammenhalt zwischen politischen, sozialen, kulturellen, zivilen und unabhängigen Persönlichkeiten, die gegen die Taliban kämpfen. Sie riefen auch zur Anerkennung und Unterstützung aller Formen des Widerstands gegen die Taliban durch die internationale Gemeinschaft auf.

Afghanische Geflüchtete

Fast ca. 54.000 afghanische Geflüchtete, darunter Familien und Einzelpersonen, wurden aus dem Iran entweder zwangsweise oder freiwillig nach Afghanistan abgeschoben. Dies hat bei den Menschenrechtsorganisationen, die sich für die Rechte der Geflüchteten einsetzen, Besorgnis ausgelöst.

Afghanische Frauen

Die afghanische Frauenrechtsbewegung hat ihre Aktivitäten in der Provinz Herat aufgenommen. Am 13. April hat die Bewegung in einem Rundschreiben erklärt, dass sie nicht schweigen und bis an ihr Lebensende für die Menschenrechte der Frauen kämpfen wird.

Angesichts der anhaltenden Restriktionen gegen Frauen haben die Taliban die Autofahrer in der Provinz Herat gewarnt, keine unverschleierten Frauen in ihre Fahrzeuge zu lassen. Die „Moralpolizei“ ist überall in der Stadt präsent und kontrolliert die Autos.

Drohung

Der ehemalige Sprecher des Innenministeriums der Taliban hat in einem Tweet den Feinden der Taliban gedroht: „Tötet die Flüchtigen einen nach dem anderen mit Messern. Wenn jemand gegen das Land predigt, geht und tötet ihn. Sie sind sehr rücksichtslose und schreckliche Tiere.“ Er fügte hinzu: „Wir haben Hunderte von Freiwilligen in Europa und Amerika. Sie wollen nur Einigkeit und Führung.“

Reaktion auf Treffen in Doha

Die afghanische Zivilgesellschaft und Frauenorganisationen haben ein Schreiben verfasst, um auf das Treffen in Doha zu reagieren. Hier sprechen die UN und andere Länder über die Anerkennung der Taliban, während die Mitglieder der Zivilgesellschaft und die Mediengruppen ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt werden.

In dem Brief heißt es: „Wir fordern die UNO auf, alle ihre Pläne sofort abzubrechen, auch wenn es sich nur um kleine Schritte zur Anerkennung eines illegitimen Regimes handelt, das systematisch die Menschenrechte aller Afghanen verletzt und dessen Handlungen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind“: „Redet mit mir, nicht über mich“.

Brutalität gegen ehemalige  Regierungsmitarbeiter

Die Brutalität der Taliban gegen die ehemaligen Mitarbeiter geht weiter. Im vergangenen Monat wurde ein ehemaliger Regierungsmitarbeiter, General Abdul Manaf Khan Dara, von den Taliban in Kabul verhaftet. Auch in Badghis nahmen sie 2 ehemalige Soldaten fest und eine Polizistin, deren Schicksal unbekannt ist. In Nuristan wurde ein ehemaliger Militäroffizier erschossen.

Treffen

Der Iran, Tajkistan, China, Usbekistan, Turkmenistan und Pakistan sowie voraussichtlich der russische Außenminister werden an einem Treffen teilnehmen und sich über humanitäre Hilfe und politische Herausforderungen in Afghanistan austauschen. Die erste und zweite Runde des Treffens wurde von Pakistan und Iran via Zoomkonferenz ausgerichtet.

Neues aus Afghanistan aus dem letzten Monat findet ihr hier.

Bildquellen

Schlagwörter:
Sahar Reza
Sahar kommt aus Afghanistan und hat ihre Kindheit in Pakistan verbracht. Ihr Studium der  hat sie in Indien und Hamburg (Master Politik- und europäischen Rechtswissenschaft) absolviert. Sie hat im Management und im Journalismus gearbeitet. Seit langem setzt sie sich für Menschenrechte (besonders Frauen-, Kinder- und Flüchtlingsrechte) ein. Für kohero (früher Flüchtling-Magazin) ist sie seit 2017 aktiv. „Ich arbeite für das kohero-Magazin, weil das Magazin mir eine Stimme gibt und ich habe die Möglichkeit, über verschiedene Themen zu schreiben und kann in meinem Arbeitsbereich Journalismus in Deutschland weiterarbeiten und aktiv sein.“

Zum Abo: 

Mit deinem Abo können wir nicht nur neue Printausgaben produzieren, sondern auch unsere Podcasts und das Online-Magazin weiter kostenlos anbieten.

Wir machen Journalismus, der zugänglich für alle sein soll. Mit dem Rabattcode koherobedeutetZusammenhalt kannst du einzelne Ausgaben günstiger bestellen. 

Erste Post auf Instagram über Sprachweham 11.4.2019

Sprachweh

Als ich Ende 2015 in Deutschland angekommen bin, habe ich mich entschieden, dass ich hier in die Gesellschaft integriert, und auch ein engagiertes Mitglied sein möchte. Mein erster Schritt war, mit Unterstützer:innen zusammen das kohero Magazin (damals noch Flüchtling Magazin) zu gründen. Ende 2017 erlebte ich aber einen Schockmoment. Ich habe zum ersten Mal eine unschöne Seite der deutschen Gesellschaft (wie ich sie damals kannte) gesehen. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft fühlte ich mich unsicher in Hamburg.  Zu dem Zeitpunkt hatte ich nur wenig Kontakt mit anderen Syrer:innen oder arabischsprachigen Menschen, was vielleicht einige überraschen mag. Es wird ja oft über Geflüchtete und Migrant:innen gesagt, sie „bleiben unter sich“ in Deutschland, als ob das automatisch etwas Schlechtes ist. Ich war zu der Zeit sehr mit dem Aufbau meines Magazins beschäftigt und arbeitete 99% der Zeit mit Deutschen und deutschsprachigen Kolleg:innen. Es kam alles so zusammen, dass ich plötzlich ein tiefes Fremdgefühl spürte und meine Muttersprache, Arabisch, sehr vermisste.  Sprache ist zum Beschreiben, zum Träumen, zum Nachdenken, zum Austauschen, zum Erinnern und und und… Ich habe mich damals mit diesem Gefühl beschäftigt, weil es auch für mich neu war. 2014 musste ich aus meinem Heimatland Syrien flüchten, warum also fühlte ich drei Jahre später diesen Wunsch nach meiner Muttersprache? Ich habe auch versucht, ein Wort auf Deutsch zu finden, was mein Gefühl beschreibt. Weil ich viel an Heimweh gedacht habe, kam ich dann auf Sprachweh. Ich hatte Sprachweh.  Ich verstehe Heimweh so, dass ein Mensch die eigene Heimat so stark vermisst, dass es zu einer Sehnsucht wird. Sprachweh bedeutet für mich, wenn ich viel an meine Muttersprache denken muss und sie so sehr vermisse, weil es keinen Ort hier für mich gibt, die Sprache zu erleben. Ich brauche Sprache, um Worte auszudrücken, aber ich brauche sie auch noch für viel

Weiterlesen …
Geflüchteten

Streit zwischen alten und neuen Geflüchteten

Am 21. September 2019 wurde ein Video auf Facebook veröffentlicht, in dem ein Journalist einer Berliner Redaktion eine Frau fragt, ob sie dafür ist, die Grenzen wieder für syrische Flüchtlinge zu öffnen, die von russischer Seite und von Assads Armee angegriffen wurden. Sie antwortete: “Natürlich bin ich nicht dafür. Ich denke dreißig Jahre zurück, ich möchte wieder entspannt leben. Jetzt ist das Leben stressig, weil so viele Menschen in die Stadt gekommen sind.”  Man denkt wahrscheinlich, dass es sich um eine Berlinerin ohne Migrationshintergrund handelt. Oder um jemanden, der einfach keine Ausländer*innen mag. Aber es war eine libanesische Frau mit Kopftuch, die auf Arabisch, nicht auf Deutsch antwortete. Leider können wir nicht mehr erfahren, was sie genau gemeint hat, was sie genau sagen wollte. Denn der Journalist hat sie nicht gefragt.    Streit zwischen ‚alten‘  und ’neuen‘ Geflüchteten Für mich zeigt dieses kurze Interview viel über den Streit zwischen ‘alten’ und ‘neuen’ Geflüchteten, den wir jetzt im Zusammenhang mit den neuen Flüchtlingen aus der Ukraine wieder erleben. Viele Libanes*innen sind in den 80er Jahren vor dem Bürgerkrieg geflüchtet. Leider hat sich die Politik damals nicht um sie gekümmert, oder mindestens nicht so wie sie es heute tun könnte. Es gab keine staatlich bezahlten Sprachkurse, keine Starthilfen, keine Willkommens-Cafés oder Initiativen. Das Motto war: Willkommen in Deutschland, aber erwartet keine Unterstützung oder zivilgesellschaftliches Engagement. Jede*r ist für sich selbst verantwortlich. Als dann 2014 bis 2016 die vielen syrischen Geflüchteten nach Deutschland kamen, war nicht nur ein Teil der Libanes*innen sauer, sondern auch ein Teil der Syrisch-Deutschen (Deutsch-Syrer*innen), die hier seit langer Zeit leben und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Sie wollten zur Mehrheit gehören und poistionierten sich wegen der vorherrschenden Mehrheitsmeinung ebenfalls gegen die neuen Geflüchteten. Auch wenn diese Syrer*innen sind. Deshalb hat nur ein kleiner Teil der Deutsch-Syrer*innen damals den Geflüchteten

Weiterlesen …

Jesus war auch Flüchtling

Und doch bleibt dieser Artikel aktuell – auch als Stimme für andere Geflüchtete. Wir haben nur unsere Kugelschreiber, um gegen Krieg für den Frieden zu kämpfen, um gut zusammen leben zu können.   In diesen Tagen feiern wir den Geburtstag von Jesus, er ist Bote der Liebe und des Friedens. Jesus und seine Mutter flüchteten, um Sicherheit und Liebe zu finden. Jesus war ein Geflüchteter, wie ich.   Ich bin geflüchtet vor dem Krieg, vor Hass und Mord, um Sicherheit zu finden, Liebe und Leben. Ja, ich komme aus Syrien, aus dem schönsten Land der Welt, aus Damaskus, aus einer der ältesten Städte der Welt. Damaskus nennt man Jasmin’s Stadt, weil es viel Jasmin in Damaskus gibt. Jasmin gehörte zu unserem Leben. Aber jetzt gibt es leider nur noch Krieg und Mord in Damaskus. Der Krieg zwingt uns zu fliehen. Jetzt sind wir Flüchtlinge. Wenn man Flüchtling ist, dann wird das Leben zu einem Leben ohne Seele, ohne Familie, ohne Freunde, ohne Träume – es bleiben nur die Schmerzen der Erinnerung. Das Land war unser Leben. Das Land gehört zu unserer Seele. Jetzt aber sind wir Flüchtlinge. Wir müssen Geduld und Hoffnung haben. Nur das brauchen wie jetzt. Auf der Suche nach Frieden und Freiheit Wir werden gefragt: Warum seid ihr nicht in eurem Land geblieben? Weil wir es hassen, Waffen zu tragen.  Weil wir nicht bereit sind, Waffen zu benutzen. Was wir tragen, ist die Kultur des Lebens. Wir erkennen unser Land nicht mehr, wenn in Syrien so viel getötet wird. Wenn nur noch Krieg herrscht, können wir dort nicht mehr leben. Mit dem Krieg gibt es nur noch Mord und Hass. Hier in Deutschland hat es auch einen großen Krieg gegeben. Hier wissen die Menschen, was Krieg bedeutet. Ich habe diesen Text vor einem Jahr geschrieben. Da war ich erst seit einem Jahr in Deutschland. Davor war

Weiterlesen …
Dunkle Meeresoberfläche

Seenotrettung: ein tödliches Politikum

Ein Fischerboot mit 750 Menschen an Bord ist am Mittwoch vor Pylos in Seenot geraten und gekentert. Das Boot kam aus Libyen, die Flüchtenden wollten wahrscheinlich über die Mittelmeer-Route nach Italien. Nur rund 100 von ihnen konnten gerettet werden. Viele werden noch vermisst. Bereits am Dienstag wurde das überfüllte Fischerboot lokalisiert. Die griechischen Behörden hätten sofort handeln müssen. Stattdessen sei es stundenlang nur beobachtet worden. Die Küstenwache behauptet, die Menschen auf dem Fischerboot hätten jede Hilfe abgelehnt. Das Boot habe nach Italien weiterfahren wollen, so der Sprecher der griechischen Küstenwache.  Bamdad Esmaili berichtet für den WDR aus Griechenland über das, was später viele als  “Unglück” bezeichnen, seinem Kollegen gegenüber hätten mehrere Überlebende unabhängig voneinander berichtet, dass von der griechischen Küstenwache versucht wurde, das Boot mit den flüchtenden Menschen in italienische Gewässer zu ziehen: Das Boot wurde gepushbackt. So kam es den Berichten nach zu der Katastrophe.  Diskriminierende Strukturen unter den Flüchtenden Nach Überlebenden wurde dem WDR nach am Donnerstag noch gesucht, die Überlebenschancen sind zum jetzigen Zeitpunkt überaus gering. Mehr als 500 Menschen sind wahrscheinlich ertrunken, unter ihnen alle Kinder und Frauen, die sich an Bord befanden. Schilderungen der Überlebenden zufolge seien ungefähr 100 Kinder auf dem Boot gewesen, die sich gemeinsam mit den Frauen im Zwischendeck und am Rumpf befanden und das kenternde Boot nicht rechtzeitig verlassen konnten. Die insgesamt 104 Überlebenden wurden in Kalamata in der Region Peloponnes untergebracht, einige befinden sich noch im Krankenhaus. Von den geretteten Menschen werden 9 Männer aus Ägypten verdächtigt, als Schlepper auf dem Boot gewesen zu sein. Überlebende berichten, dass nicht nur Frauen und Kinder von diesen unter Deck gezwungen wurden – auch Menschen aus Pakistan wurden dort vermutlich eingesperrt. Lokalmedien berichteten von mindestens 300 bis 400 pakistanischen Menschen, die gestorben sind. Nur 12 haben überlebt. Dies zeigt, wie rassistische Strukturen auch

Weiterlesen …
Kategorie & Format
Sahar Reza
Sahar kommt aus Afghanistan und hat ihre Kindheit in Pakistan verbracht. Ihr Studium der  hat sie in Indien und Hamburg (Master Politik- und europäischen Rechtswissenschaft) absolviert. Sie hat im Management und im Journalismus gearbeitet. Seit langem setzt sie sich für Menschenrechte (besonders Frauen-, Kinder- und Flüchtlingsrechte) ein. Für kohero (früher Flüchtling-Magazin) ist sie seit 2017 aktiv. „Ich arbeite für das kohero-Magazin, weil das Magazin mir eine Stimme gibt und ich habe die Möglichkeit, über verschiedene Themen zu schreiben und kann in meinem Arbeitsbereich Journalismus in Deutschland weiterarbeiten und aktiv sein.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kohero Magazin