Frieden lautet das Schlagwort: Gibt es doch noch eine Chance?

Dieser Artikel ist an all diejenigen gerichtet, denen es um Machtverteilung statt um den Frieden ging. Denn durch eure Gier nach Macht hat Afghanistan es historisch nie geschafft, eine einheitliche Herrschaftsform zu verwirklichen.

Es ist auch an diejenigen gerichtet, die in Afghanistan einmarschiert sind, es ausgebeutet und bekriegt oder „im Namen des Friedens“ Sicherheitspolitik betrieben haben. Aber vielleicht könnte die Machtverschiebung in Afghanistan doch noch einen letzten Hoffnungsschimmer geben.
Dazu muss sich aber der Westen eingestehen, dass sie nicht nur unentschuldbare Fehler im eigenen Interesse verursacht haben. Er muss sich auch darüber bewusst werden, dass das Land nicht verwestlicht werden will, sondern endlich seinen Frieden möchte! Das zeigt schließlich auch die Verteidigungsstrategie der Armee und auch der Rückzug des Präsidenten Ghanis.

Das Schlüsselwort Frieden ist gefallen und wird hoffentlich auch umgesetzt.

Was bleibt denn jetzt noch übrig, außer zu vertrauen? Ganz sicher KEINE westlichen Kriegsmanöver, die wieder nur Blutvergießen verursachen! Kann jemand mal den historischen Moment und den zugleich riesigen Fortschritt der Friedensgespräche, die mit der Taliban im Doha-Prozess stattfanden, erwähnen?
Wann war es überhaupt mal möglich, mit der Taliban an einem Verhandlungstisch zu sitzen und mit ihnen Versöhnungsgespräche zu führen?!
Vielleicht kann man ein Ende der 40-jährigen Gewalt und auch ein Wandel der Komprosmissbereitschaft der Taliban einhergehend mit einer Verfassungsänderung in Aussicht stellen.
Vielleicht sollten durch diese innerafghanischen Friedensgespräche ein neues politisches Modell und hoffentlich eine neue gesellschaftliche Ordnung modelliert werden können. Und, was sehr bedeutsam und wichtig ist, dass sie sich mit einer Machtbeteiligung einigen würden.
Warum fanden dann überhaupt diese Verhandlungen statt? Vermutlich um des lieben Friedens Willen.
Vielleicht vertraute man auch darauf, dass die Taliban, WENN sie homogen sind, an einem politischen „theokratisch-demokratischen“ Hybrid-System interessiert sind.

Das Problem der Homogenität

Und da ist nun das Problem der Homogenität: Denn den meisten ist die Zusammensetzung der Taliban nicht bekannt.
Sie bestehen nicht nur aus dem politischen Flügel, die im Auftrag der Taliban international agieren.  Sondern auch aus den Warlord Truppen, die ihre Politik unabhängig, unkontrollierbar und inoffiziell ausüben. Und genau darin ist die Spaltung zu sehen!

Fakt ist, dass geopolitische Interessen anderer Staaten diese Spaltung dann noch zusätzlich fördern. Hauptsächlich evoziert durch die Anrainerstaaten, die alles andere als Friedensabsichten für Afghanistan haben.
Diese „Inhomogenität“ zieht sich auch durch die Verteidigungsarmee und durch einige Reihen in den Ämtern, die von einflussreichen und vor allem von machtbesessenen Menschen besetzt werden. Die Inhomogenität stellt das eigentliche Problem des Ganzen dar.

Die westlichen Medien spekulieren aktuell lediglich darüber, was eine Taliban-Regierung anstreben könnte – anhand von Geschehnissen aus den 90er Jahren. Aber was sehen denn jetzt andere Staaten als politische Lösung an?
Die Friedensgespräche wurden doch nicht sinnlos in Gang gesetzt. Es war doch anzunehmen und absehbar, dass es soweit kommen würde. Ziel, auch von der europäischen Union, war es, dass der Entwicklungsprozess und dieser Moment, der jetzt eingetreten ist, von den Afghanen selbst getragen und verantwortet werden soll.

Und wer wird diejenigen zur Verantwortung ziehen, die die traumatisierten Frauen in Angst und Furcht versetzen?

Es mag beruhigend klingen, dass die Taliban, die aus der Mitte des afghanischen Volkes stammen, eine friedliche Regierung führen möchten. Aber man muss differenzieren: Sie sind nicht DIE Taliban, die sich dem Frieden widersetzen oder es in der Vergangenheit taten und die Afghanen*innen auf grausame Art unterdrückten und ermordeten.
Dieses Konstrukt der Inhomogenität muss gebrochen werden. Und die Regierungen, die es offensichtlich aufrechterhalten – wie die pakistanische, die bereits in der Vergangenheit einen Teil der Taliban ausbildete und für ihre Zwecke instrumentalisierte, müssen aufgehalten und zur Rechenschaft gezogen werden.

Dort, wo der Ball ins Rollen kam, muss man jetzt ansetzen. Die Schaffung einer Homogenität innerhalb der Taliban wäre meines Erachtens nach die letzte Hoffnung für einen politischen Frieden in Afghanistan.
Nun ist es unüberwindbar, dass vielleicht die liberal-demokratischen Erfolge der letzten Jahre zugunsten des Friedens geopfert werden könnten. Das sind die Sorgen – der im Westen lebenden Afghanen*innen, die des afghanischen Volkes und vor allem die der Frauen.
Um noch einmal auf den Anfang zurückzukommen: mein Schlusswort ist das Schlüsselwort FRIEDEN!
P.S.:
Zu den geopolitischen Interessen anderer Staaten kann ich euch einen super differenzierten Artikel aus der Zeit vom 12. August 2021 empfehlen: „Dann eben mit den Islamisten“ von Jan Roß, Maxim Kireev, Steffen Richter und Michael Thumann.

Ein Kommentar unserer Autorin Sahar Reza zur gescheiterten Politik in Afghanistan findet ihr hier.

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Mouska
Mouska ist 30 Jahre alt und in Kabul geboren. Sie studiert Jura an der Universität Hannover.

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