Es ist 21.00 Uhr, als Daniel[*]am Hauptbahnhof Trier ankommt. Während er am Gleis auf die Ankunft seiner Schwester wartet, nähern sich unbemerkt von hinten zwei in Zivil gekleidete Polizisten. Ohne Weiteres wird er nach seinen Dokumenten gefragt. Daniels erste Reaktion: Panik. Er kann sich nicht ausweisen, sein Portemonnaie ist zuhause. Die Polizisten glauben ihm zuerst nicht und fragen nach seiner Adresse. Daniel merkt die Wut, die in ihm aufsteigt, denn er hat ein Gefühl, womit diese Kontrolle zusammenhängen könnte, bleibt aber auch deshalb gefasst. Er beantwortet alle Fragen, selbst als die Polizei an seinen Aussagen zweifelt. Irgendwann lassen die beiden Polizisten ihn doch in Ruhe und gehen weiter.
Daniel ist mein Bruder. Er kommt ursprünglich aus Ecuador und die Tatsache, dass er bei einer Kontrolle als erstes nach seinen Personalien gefragt wird, ist nichts Neues. Diese wiederholten Erfahrungen beeinträchtigen sein Vertrauen in die Polizei.
Entscheidung im Prozess Barakat H. gegen Racial Profiling der Polizei
Das Thema Racial Profiling bleibt bis heute ein Problem, das sich die neue Ampel-Koalition jetzt vornehmen möchte. Doch jüngere Gerichtsurteile sind wenig ermutigend. Ein Beispiel davon ist der Berufungsprozess vom Fall Barakat H. gegen die Polizei, der am 19.02.21 in Hamburg stattfand. Der Bewohner St. Paulis wurde auf Grund seines Aussehens zum wiederholten Male auf seinem Weg durch das Viertel von der Polizei auf seine Personalien angesprochen sowie auf Handel und Besitz von Drogen überprüft.
Barakat H. brachte dies zur Anzeige, woraufhin das Verwaltungsgericht entschied, dass zwei dieser Kontrollen rechtswidrig waren. Diese Entscheidung war von großer Bedeutung für die Rechtslage im Kontext diskriminierender Sicherheitsmaßnahmen und waren sowohl für den Betroffenen als auch Organisationen wie CopWatch Hamburg, die den Prozess begleiteten, eine Errungenschaft.
Dennoch steht jetzt nach der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht (OVG) fest, dass diese Kontrollen auf einer rechtlichen Grundlage stattgefunden haben. Die Begründung bezieht sich auf ein Urteil des OVG Nord-Rhein-Westfalens, wonach eine Kontrolle dann als zulässig angesehen wird, wenn „Erkenntnisse vorliegen, dass Delikte von Personen aus bestimmten Herkunftsländern bzw. von Personen mit einem bestimmten Erscheinungsbild begangen werden“. Laut dieser Rechtsprechung dürfen etwa die Hautfarbe bei der Entscheidung mitberücksichtigt werden. Somit dürfen weiterhin Kontrollen im Rahmen von Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung gegen Menschen aufgrund von Hautfarbe und Erscheinungsbild durchgeführt werden.
Die Perspektive von Betroffenen
In den Diskussionen über Polizeireformen fehlt derzeit die Perspektive der Betroffenen. Diese empfinden die Anwesenheit von Polizeikräften in den geschilderten Situationen als bedrohlich. Gerade in Situationen, wo es wichtig wäre, dass Polizist*innen als Helfer*innen auftreten, werden sie stattdessen von den involvierten Parteien als Akteur*innen in Konflikten wahrgenommen. Auf der anderen Seite des Konfliktes stehen Menschen, die oft diskriminierendem Verhalten ausgesetzt sind, ohne, dass sie sich dagegen zur Wehr setzen können.
Um der strukturellen Diskriminierung durch die Polizei entgegenzuwirken, ist es wichtig, über das Sicherheitsbedürfnis der Betroffenen zu sprechen. Stattdessen überwiegt das Gefühl, dass die psychischen Belastungen der Menschen, die regelmäßig solchen Kontrollen unterworfen werden, der Preis ist, der hingenommen wird, um Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten.
Mehr zu unserem aktuellen Fokusthema marginalisierte Männlichkeiten erfährst du in unserem Faktenüberblick und in der neusten Podcast-Folge von multivitamin.
[*] Name wurde geändert