ArtAsyl: Heilsames Malen und ein Ort der Kommunikation

Ein Raum der Ruhe und des Austausches – Im Rahmen des Angebots des ArtAsyl e.V. haben Geflüchtete einmal in der Woche die Möglichkeit an einer Sitzung des Projekts „Heilsames Malen und Ort der Kommunikation“ teilzunehmen und ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.

Eine Sitzung im ArtAsyl beginnt mit einer Runde der Stille. Die Teilnehmenden können ihre Augen schließen oder sie geöffnet lassen. Keine Meditation, sondern ein Moment, um sich zu fühlen und dem Kopf eine Auszeit zum Denken zu geben, so Klaus Heilmann. Er ist Teil des Führungsduos, das die Sitzungen leitet.

„Das machen wir am Anfang, damit alle Anwesenden zu Beginn erst einmal zur Ruhe kommen, und ebenso am Schluss, damit sie in Ruhe wieder hinaus in die Welt gehen können. Diese Zeit ist für alle anwesenden Teilnehmer*innen mittlerweile sehr wichtig“, erläutert der gelernte Kunsttherapeut. „Innere Ruhe zu finden hat einen enormen Einfluss auf unser neurobiologisches System. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass z.B. in Kliniken Patient*innen in stillen Räumen schneller genesen“.

Deshalb fangen die Teilnehmenden erst nach diesen Momenten des zu sich Findens an zu malen oder sich untereinander zu unterhalten. Die Geflüchteten können die gestellten Materialen nutzen, um Gemälde zu schaffen und das auf Papier zu bringen, was sie beschäftigt.

Zusammen helfen

Die Idee, einen solchen Ort zu schaffen, stammt vom Ehepaar Walter Brandes und Edeltraud Conzelmann. Als der Angriff Russlands auf die Ukraine erfolgte, beschlossen die beiden zu helfen und besuchten daraufhin ein Treffen des ArtAsyl e.V.. Dort fanden sie Unterstützung für Ihr Vorhaben.

Gründer und Vorsitzender des Vereins Jérôme Lenzen erklärt: „Interessierte können bei uns zusammenkommen, um sich zu engagieren. Nach einem Kennenlernen bilden sich dann Gruppen aus Menschen mit ähnlichen Ideen und gemeinsam setzten sie diese dann um.“ Schnell entstand ein Projekt das in eine Koch-, Theater- und Kunsttherapiegruppe gegliedert ist. Walter Brandes und Klaus Heilmann übernahmen aufgrund ihrer beruflichen Vorerfahrung im künstlerischen Bereich ehrenamtlich die Führung der Kunsttherapiegruppe und leiten nun jede Woche den dreistündigen Kurs.

Von innen nach außen

Die Kunsttherapie soll den Geflüchteten die Möglichkeit bieten, mit ihren Erfahrungen umzugehen. Meist haben die Menschen psychische Extremsituationen mitmachen müssen, sei es auf der Flucht, im Krieg oder auch im Asylwohnheim in Deutschland. Heilmann erläutert: „Die Jungen sorgen sich um die Eltern. Die Eltern sorgen sich um die Jungen. Sie leben konstant unter Unsicherheit und Stress in engen Räumen. Wir schaffen einen sicheren Ort an dem sie sein können, wie sie wollen, mit ihrer Freude und auch mit ihrem Leid.“ Dafür sei gerade Kunst ein wirksames Mittel, um das Unaussprechliche auszudrücken.

Die beiden Gruppenleiter haben sich deshalb bewusst dagegen entschieden in den Stunden bestimmte Themen vorzugeben. Ideen brächten die Teilnehmenden zumeist selbst mit. Primär war das Projekt an ukrainische Geflüchtete gerichtet gewesen, doch teilnehmen tun Menschen unterschiedlichster Nationen. Viele von den Geflüchteten gehen zur Schule, absolvieren Deutschkurse oder Ähnliches. Inwiefern sie mit Kunst zuvor in Berührung gekommen sind, variiere stark, jedoch hätten alle eine prägende Gemeinsamkeit:

„Es ist bemerkenswert, was für ein großer kultureller Rucksack mitgetragen wird durch diese Menschen. Dieser ist nicht durch die Flucht zerstört, vielmehr können wir ihn durch diese Arbeit wieder hochbringen“, so Brandes. Heilmann führt weiter aus: „Das Ergebnis der Bilder, die bei uns gemalt werden, ist nicht wichtig, sondern, für eine Zeit ganz vertieft im Bild zu sein, ohne Gedanken – Da fließt dann etwas von Innen nach Außen.“

Ein geschützter Raum

Deshalb biete man einen geschützten Raum, um den Geflüchteten die Möglichkeit zu bieten, sich durch Bilder mitzuteilen. Brandes erzählt aus einer Sitzung: „Eine Frau hat ein wunderschönes Bild gemalt, mit Farben experimentiert und auf einmal hat sie mit einem Bleistift oben Flugzeuge gemalt, die Bomben geworfen haben. Unten malte sie dann Flammen und fing daraufhin an zu weinen.“

Häufig kommt es in Sitzungen dazu, dass auch traumatische Erfahrungen zurück an die Oberfläche gelangen. In diesen Fällen ist es die Gruppendynamik, die die Betroffenen wiederauffangen kann. „Viele haben dieselben Nöte erlebt und dieselben Erfahrungen gemacht“, erklärt Brandes. Die Anwesenden seien füreinander da und schützten sich als Gruppe gegenseitig.

Heilmann betont allerdings: „Die Absicht ist nicht, dass Traumatische in Bildern zu suchen und damit zu arbeiten. Wir wollen Beziehungen schaffen, Ressourcen aufbauen und Kraft geben. Obwohl es einige Bilder gibt, die etwas mit traumatischen Erfahrungen zu tun haben könnten, arbeiten wird damit nicht. Doch allein die gemeinsame wortlose Wahrnehmung eines solches Inhalts hat eine heilende Wirkung. Traumata zu heilen, geht nur über eine langfristige therapeutische Anbindung“.

„Kunst verbindet und das ist, was wir mitgeben wollen“

Das Angebot hilft auf diese Weise auf verschiedenen Ebenen dabei, in Deutschland anzukommen. Nicht selten sei bei Teilnehmer*innen eine Veränderung spürbar, berichtet Lenzen: „Eine Frau erzählte einer Mitarbeiterin von uns, dass sie seit ihrer Ankunft hier in Deutschland nicht aus dem Weinen herauskam. Doch durch diese Regelmäßigkeit und Sicherheit, die sie hier gefunden hatte, konnte sie aus diesem Loch, in dem sie drin war, rausfinden.“

Andererseits ergebe sich auch praktische Hilfe in alltäglichen Angelegenheiten. Die Wohnungssuche sei dabei häufig ein Thema, dass alle betreffe. Kern des Projekts sei die Kommunikation und ein Kennenlernen untereinander. Lenzen betont: „Wir wollen, dass Menschen in Kontakt kommen und vielleicht auch außerhalb etwas unternehmen. Kunst verbindet und das ist, was wir mitgeben wollen.“

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Izel ist in Hamburg geboren und aufgewachsen. Schon immer begeistert sie sich für politische Themen und erfreut sich daran, diese kreativ aufzuarbeiten. „Das kohero-Magazin ermöglicht es mir für Toleranz und Zusammenarbeit einzustehen und so einen kleinen Beitrag für eine offenere Gesellschaft zu leisten.“

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