Neues aus Afghanistan im Mai

In unserer monatlichen Kolumne fasst unsere Autorin Sahar Reza Neues aus Afghanistan zusammen. Diesen Monat geht es unter anderem um die Frauenbewegung und Einschränkung der Pressefreiheit.

afghanische Flagge am Mast vor Bergen
Fotograf*in: Farid Ershad auf unsplash

Geheimdienst

Der Geheimdienst der Taliban hat zum zweiten Mal einen Menschenrechtsaktivisten in Kabul festgenommen. Er wurde vor einem Monat ebenfalls verhaftet und nach Intervention der örtlichen Ältesten/ Senioren freigelassen.

Außerdem verhaftete der Taliban-Geheimdienst Majid Zia, einen zivilen Aktivisten der vorherigen Regierung. Er wurde auf dem Flughafen von Kabul festgenommen, als er in den Iran reiste. Er war ein civil activist und Medienberater für die Rahmani-Stiftung in der vorherigen Regierung. Außerdem war er in der Vorgängerregierung als Beamter im Innenministerium tätig. 8am.media

Frauenbewegung

Der Führer der Taliban, Mjullah Haibatullah Akhundzada, behauptete in jüngsten Äußerungen, die Frauen seien reformiert worden. Als Reaktion darauf haben Mitglieder der starken Frauenbewegung und weitere Aktivist*innen am Freitag, den 2. Juni, eine Protestbewegung unter dem Namen Dancing in Despair (Tanzen in Verzweiflung) gestartet.

Das Videomaterial zeigt eine Gruppe von Frauen, die aus Protest mit ihren Tschadors oder Burkas tanzen. In der Erklärung heißt es: „Mit unserem Tanz der Verzweiflung senden wir den Taliban und ihren Anhängern die Botschaft, dass Frauen und Mädchen nicht von ihrer Position abrücken werden, bis Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichberechtigung erreicht sind. Wir stehen gestärkt gegen die frauenfeindliche Apartheidpolitik der Taliban.“

Gleichzeitig stieg die Anzahl der Selbstmorde von Frauen in verschiedenen Provinzen an. Aus Faryab wird berichtet, dass am 16. Mai innerhalb von 24 Stunden zwei Frauen ihr Leben verloren haben. In Diakondi hat sich ebenfalls eine Frau mittleren Alters das Leben genommen, in Ghazni ein junges Mädchen. Das Gleiche gilt für den Anstieg der Selbstmorde von Männern in verschiedenen Provinzen Afghanistans. 8am.media

Giftanschlag

In Sare Pul wird berichtet, dass ca. 70 männliche und weibliche Schüler*innen der Klassen eins bis sechs sowie zwei Lehrerinnen auf mysteriöse Weise einer Vergiftung zum Opfer gefallen sind.

Nach Angaben von 8am hat es im vergangenen Monat auch in den Provinzen Jawzjan, Ghor und Ghazni zahlreiche mysteriöse Morde gegeben. 8am.media

Medien

Die Taliban nehmen in der Provinz Khost vier Personen der lokalen Medien fest. Sie wurden verhaftet, weil sie über Eid Sendungen/ Programme berichteten und sich den Anordnungen der Taliban in Khost widersetzt hatten.

Am Welttag der Pressefreiheit erklärten Organisationen, die die Medien unterstützen, dass in Afghanistan in den letzten zwei Jahren mehr als 300 Medien geschlossen wurden und über 5000 Journalist*innen ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Als Herausforderungen wird der fehlende Zugang zu Informationen, Gewalt gegen Journaliste*innen und wirtschaftliche Probleme genannt.

Die afghanische Journalistengewerkschaft berichtete, dass die Präsenz von Frauen in den Medien in den letzten zwei Jahren um 64 % zurückgegangen ist. In 22 Provinzen gibt es keine Journalistinnen und in 12 weiteren Provinzen sind sie nur in sehr geringem Maße aktiv.  Tolonews, 8am media

Afghanische Botschaft in Islamabad

Die von den Taliban kontrollierte afghanische Botschaft in Islamabad hat mitgeteilt, dass in zwei Staaten, Islamabad und Rawalpindi, fast 250 afghanische Flüchtlinge verhaftet wurden. Unter den Verhafteten befanden sich auch Personen, die über legale Papiere verfügten. Das Botschaftspersonal hat sich mit den Polizeibeamten getroffen, damit sie entlassen werden können. Afghanistan international

Bildquellen

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Sahar Reza
Sahar kommt aus Afghanistan und hat ihre Kindheit in Pakistan verbracht. Ihr Studium der  hat sie in Indien und Hamburg (Master Politik- und europäischen Rechtswissenschaft) absolviert. Sie hat im Management und im Journalismus gearbeitet. Seit langem setzt sie sich für Menschenrechte (besonders Frauen-, Kinder- und Flüchtlingsrechte) ein. Für kohero (früher Flüchtling-Magazin) ist sie seit 2017 aktiv. „Ich arbeite für das kohero-Magazin, weil das Magazin mir eine Stimme gibt und ich habe die Möglichkeit, über verschiedene Themen zu schreiben und kann in meinem Arbeitsbereich Journalismus in Deutschland weiterarbeiten und aktiv sein.“

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Grafik von ZEIT Online

ZEIT für Qualitätsjournalismus?

Am 30. Mai postet ZEIT Online Politik auf Twitter Folgendes: “Integration war gestern: Deutschland ist das zweitgrößte Einwanderungsland der Welt und die Urdeutschen dürften auf absehbare Zeit zu einer numerischen Minderheit unter vielen werden. Und nun?” Darunter ein Bild von vier migrantisch gelesenen Männern in einem Cabrio, einer von ihnen am Handy. “Migranten: Sie werden die Mächtigen sein” heißt der Beitrag, der hier angeteasert werden soll. Mein erster Gedanke: ein nicht ganz so qualitätsjournalistisches wtf. Der Artikel erscheint unter dem Schwerpunkt Weltland. In drei Beiträgen sollen Migrationsbewegungen nach Deutschland erklärt werden, so far so good. Hätte man ein wenig weiter als 1950 zurückgeschaut, würde klar werden, dass es Migration schon immer gab und wir alle in irgendeiner Form eine Migrationsgeschichte haben, doch daran will ich mich an dieser Stelle nicht aufhängen. ABER: Wer rechte Rhetorik und rassistische Framings nutzt, diskriminiert, schürt Ängste und stärkt rechtsextreme Strömungen. Das sieht man schon daran, dass sich unter dem Post Personen tummeln, die man überwiegend rechten Gruppen zuordnen würde. Beifall von AfD-Anhänger*innen ist kein Kompliment. Es reicht nicht, den Post zu löschen und sich erklären zu wollen. “Wir haben einen Tweet zu einem Essay von @_vanessavu gelöscht. Die Wortwahl war missverständlich. Der Text handelt davon, dass Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland statistisch bald nicht mehr in der Minderheit sein könnten” – das war nicht missverständlich, es war richtig schlimm und problematisch! Statt des Dreizeilers sollte sich die ZEIT für das Posting entschuldigen und die Bezahlschranke vor dem Beitrag entfernen. Nach diesem Teaser kann dann zumindest jede Person den Inhalt für sich selbst einordnen. Höchster Anspruch? Inzwischen gibt es ein neues Posting von ZEIT Online zu dem Beitrag. Als neues Bild für den Tweet wurde ein Foto von zwei Ukrainerinnen aus dem Beitrag genutzt, im Text wird das Narrativ der “Anderen” genutzt, um migrierte Menschen

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Brauchen wir alle eine psychiatrische Behandlung?

Das überraschte mich und ich fragte mich, warum er das glaubte. Weil er eventuell in einer Behörde arbeitete? Oder stimmte das vielleicht sogar? Unser Leben ist nicht „normal“ Wir sind nicht „normal“ und unsere Leben sind auch nicht „normal“. Auch unsere Gedanken nicht, aber das muss nicht bedeuten, dass wir psychiatrische Patienten sind. Ein Teil von uns hat z.B. in der Vergangenheit in seinem Land normal gelebt, er hatte einen tollen Job und eine Familie um sich, und jetzt ist alles anders – alles ist „verrückt“. Sein Haus ist kaputt, seine Familienmitglieder leben an verschiedenen Orten. Sie können sich nicht treffen. Er muss vom Jobcenter Geld nehmen und sich mit einem komischen bürokratischen System befassen. Außerdem muss er eine neue Sprache lernen und seine Vergangenheit vergessen, um „richtig“ leben zu können. Aber er kann einfach nur in der Vergangenheit leben, er hatte sich vieles über seine Zukunft ausgedacht, aber das lässt sich nicht realisieren und so fragt er sich: „Warum muss ich das alles machen?“ Innere Diskussion und Zerrissenheit Ein zweiter Teil von uns hat sich z.B. in einer anderen Kultur befunden und er muss in einer neuen Gesellschaft leben. Er muss sich integrieren, aber diese Kultur ist nicht seine alte Kultur. In dieser neuen Kultur trotzt er seiner alten Gesellschaft, er kann jetzt machen, was er in seiner alten Kultur nicht durfte. Und er macht das alles, aber innerlich gibt es das große Diskutieren: Ob er es richtig oder falsch macht, ob er sich in dem Neuen finden kann, ob er richtig glaubt oder nicht, oder ob es Gott gibt, oder nicht. Ob er das wirklich machen darf, was er macht, oder nicht – so läuft die Diskussion in ihm ohne Ende. Ein dritter Teil von uns hat sich z.B. auch in einer anderen Kultur befunden, aber er hat

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Jesus war auch Flüchtling

Und doch bleibt dieser Artikel aktuell – auch als Stimme für andere Geflüchtete. Wir haben nur unsere Kugelschreiber, um gegen Krieg für den Frieden zu kämpfen, um gut zusammen leben zu können.   In diesen Tagen feiern wir den Geburtstag von Jesus, er ist Bote der Liebe und des Friedens. Jesus und seine Mutter flüchteten, um Sicherheit und Liebe zu finden. Jesus war ein Geflüchteter, wie ich.   Ich bin geflüchtet vor dem Krieg, vor Hass und Mord, um Sicherheit zu finden, Liebe und Leben. Ja, ich komme aus Syrien, aus dem schönsten Land der Welt, aus Damaskus, aus einer der ältesten Städte der Welt. Damaskus nennt man Jasmin’s Stadt, weil es viel Jasmin in Damaskus gibt. Jasmin gehörte zu unserem Leben. Aber jetzt gibt es leider nur noch Krieg und Mord in Damaskus. Der Krieg zwingt uns zu fliehen. Jetzt sind wir Flüchtlinge. Wenn man Flüchtling ist, dann wird das Leben zu einem Leben ohne Seele, ohne Familie, ohne Freunde, ohne Träume – es bleiben nur die Schmerzen der Erinnerung. Das Land war unser Leben. Das Land gehört zu unserer Seele. Jetzt aber sind wir Flüchtlinge. Wir müssen Geduld und Hoffnung haben. Nur das brauchen wie jetzt. Auf der Suche nach Frieden und Freiheit Wir werden gefragt: Warum seid ihr nicht in eurem Land geblieben? Weil wir es hassen, Waffen zu tragen.  Weil wir nicht bereit sind, Waffen zu benutzen. Was wir tragen, ist die Kultur des Lebens. Wir erkennen unser Land nicht mehr, wenn in Syrien so viel getötet wird. Wenn nur noch Krieg herrscht, können wir dort nicht mehr leben. Mit dem Krieg gibt es nur noch Mord und Hass. Hier in Deutschland hat es auch einen großen Krieg gegeben. Hier wissen die Menschen, was Krieg bedeutet. Ich habe diesen Text vor einem Jahr geschrieben. Da war ich erst seit einem Jahr in Deutschland. Davor war

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Geflüchtete sind auch Menschen

Er antwortete mit Nein. Er möchte keinen Kontakt mit Geflüchteten haben. Er habe im Hamburger Hauptbahnhof gesehen, wer Geflüchtete und Ausländern sind und was sie machen. Was kann ich da antworten? Er spricht das aus, was ein Teil der Deutschen denkt. Sie haben etwas aus den Medien erfahren und sie glauben, dass wir böse sind. Sie haben Angst vor uns- aber wie können wir mit Angst vor anderen leben? Natürlich sind wir Flüchtlinge, aber wir sind nicht alle gleich, wir sind unterschiedlich. Jeder von uns hat einen anderen Charakter, jeder hat eine eigene Meinung, eine andere Persönlichkeit. Nur durch den Kontakt mit uns kannst du uns kennenlernen. Nehmen wir an, es gibt eine Familie, die heißt F. und alle reden schlecht über diese Familie. Wenn du Familie F. nicht persönlich kennst, dann findest du vermutlich auch, dass diese Familie schlecht ist. Aber wenn du jemanden aus Familie F. kennenlernst , findest du vielleicht heraus, dass diese Familie gut ist. Das ist mit Geflüchteten genauso. Wer keinen Kontakt zu Geflüchteten hat, findet Flüchtlinge oft schlecht. Weil er nur darauf vertraut, was er in den Medien gehört hat. Wer aber Kontakt mit einem Geflüchteten hat, findet oft schnell heraus, dass sie auch gute Menschen sind. Die zweite Deutsche, mit der ich geredet habe, ist die Assistentin des Agenturchefs. Sie hat gesagt, dass die Geflüchteten andere Menschen sind. Sie haben eine andere Sprache, eine andere Religion. Sie wohnt in St.Georg und der Stadtteil habe sich in den letzten fünf Jahren sehr verändert. Nun höre sie dort jeden Tag den Muezzingesang aus der Moschee. Warum sieht sie uns als andere Menschen? Warum glaubt sie das? Wir sehen und verstehen immer, was wir möchten. Wenn du uns als Ausländer siehst, sind wir natürlich anders. Wenn du uns als jemanden mit einer anderen Religion siehst, sind

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Kategorie & Format
Sahar Reza
Sahar kommt aus Afghanistan und hat ihre Kindheit in Pakistan verbracht. Ihr Studium der  hat sie in Indien und Hamburg (Master Politik- und europäischen Rechtswissenschaft) absolviert. Sie hat im Management und im Journalismus gearbeitet. Seit langem setzt sie sich für Menschenrechte (besonders Frauen-, Kinder- und Flüchtlingsrechte) ein. Für kohero (früher Flüchtling-Magazin) ist sie seit 2017 aktiv. „Ich arbeite für das kohero-Magazin, weil das Magazin mir eine Stimme gibt und ich habe die Möglichkeit, über verschiedene Themen zu schreiben und kann in meinem Arbeitsbereich Journalismus in Deutschland weiterarbeiten und aktiv sein.“

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