Alltags-Albträume von Flüchtlingen

In diesem Monat ist unser Thema "Träume". Die Leute haben viele Träume. Alle arbeiten für schöne Autos, Häuser, eine große Familie, die richtige Liebe. Auch die Flüchtlinge.

Aber worüber ich heute schreiben möchte, dreht sich nicht um ihre Träume, sondern um ihr Trauma. Ein Wort, so ähnlich und doch so anders. Ich meine, ihre schlechten Erfahrungen, und ich befragte einige dazu. Es war sehr nett, dass sie mir ihre Alltags-Albträume erzählt haben.

Erinnerungen werden zu Albträumen

Das Problem der Flüchtlinge sind die Erinnerungen. Sie können in ein anderes Land fahren, aber leider können sie nicht einfach vergessen, was mit ihnen passiert ist. Niemand kann das Vergessen kontrollieren.

Zum Beispiel Saeed, 19 Jahre alt, aus Afghanistan: „Ich lebe hier alleine und manchmal vergesse ich, dass ich in Deutschland bin. Wenn irgendwelche Freunde von mir an die Tür klopfen, dann steigt mein Puls auf 150 Schläge pro Minute und ich denke: ‚Ist das die Polizei wie im Iran?‘ Ich hatte kein Recht da zu sein, trotz des Krieges in meinem Land. Und mein großer Wunsch war, am Leben zu bleiben. Eigentlich brauche ich nicht mehr als 20 Sekunden, um mich zu erinnern, dass ich hier sicher bin. Aber das sind die schlimmsten Sekunden in meinem Leben.“

Vom Leben ohne die Familie

Die Familie ist das zweite Problem der Flüchtlinge. Es ist normal, dass man nicht für immer mit seiner Familie zusammenbleibt. Aber das ist nicht das Gleiche, wie wenn jemand dazu gezwungen wird, seine Familie zu verlassen.

Zu dieser Frage sagt F. aus Ghana: „Als ich nach Deutschland kam, konnte ich meine Kinder nicht mitbringen. Wir konnten nicht – mein Mann und ich – dafür bezahlen und wir sollten beziehungsweise mussten uns sehr schnell entscheiden. Deshalb bin ich nur mit meinem kleinen Kind gekommen. Ich denke, dass ich keine gute Mutter bin, weil ich meine Kinder zurückließ, aber ich hatte keine andere Wahl. Mein Albtraum ist immer, dass sie ohne mich aufwachsen, und wenn ich sie nach Deutschland holen kann, dann können sie sich nicht mehr an mich erinnern.“

In der gleichen Situation befindet sich Samer. Er lebt seit vielen Jahren ohne seine Familie. Leider kann er sie nicht sehen, weil er, wenn er nach Syrien zurückfährt, sofort als Soldat eingezogen wird. Und das, was er nicht will ist: andere Leute zu ermorden.

Über seinen Albtraum sagte er: „Ich habe immer diesen Albtraum, dass ich nach Syrien fahre, und dass ich sehr glücklich bin – zusammen mit meiner ganzen Familie. Aber leider bleibt das nicht so in den Träumen, denn dann kommt die Armee und nehmen mich mit. So endet mein Albtraum, wenn ich im Gefängnis bin, alleine ohne meine Familie.“

Der Körper hier, die Seele dort

Nach Samer hören wir von Yasmine, eine Lehrerin aus Syrien. Ihr Lebenstraum ist leider durch den Krieg weg. Denn sie wollte nur eine schöne gesunde Familie haben, alles war gut, bis zur Festnahme von ihrem Sohn. Darüber berichtet sie: „Ich mag Deutschland, ich mag am liebsten, dass meine Kinder hier im Frieden leben, aber was ist mit dem Rest? Mein Traum ist, dass meine Kinder gute Menschen und glücklich sind.

Aber ich habe einen Jungen, der in Syrien im Gefängnis ist. Wenn ich meine Kinder lächeln sehe, fühle ich mich nicht gut, weil er nicht bei ihnen ist. Ich denke an ihn, was macht er jetzt? Hat er Hunger? Ist ihm kalt? Schlagen sie ihn? Mein Körper ist in Deutschland und meine Seelen ist bei ihm.“

Alltags-Träume, Trauma, Albträume. Drei verschiedene Wörter erklären viel von dem, was die Flüchtlinge jeden Tag erleben. Wie lange bleiben die Flüchtlinge von diesen schlechten Gefühlen abhängig? Das weiß leider niemand, aber es gibt immer die Hoffnung, dass mit Zeit alles besser wird.

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