Witkoff drängt auf „Bruch mit Konventionen“
Trumps Nahost-Sondergesandter Steve Witkoff gilt als Spiritus Rector der Initiative. Nach Angaben der Times sieht er in einem persönlichen Treffen „eine Chance, diplomatische Traditionen aufzubrechen“ und durch handfeste Abkommen politischen Fortschritt zu erkaufen. Laut der Zeitung Wall Street Journal hat al-Sharaa dem Weißen Haus bereits einen Brief übermittelt, in dem er ein bilaterales Gespräch am Rande von Trumps Golfreise anregt. Als Signal der Ernsthaftigkeit ließ Damaskus zuletzt ausländische Dschihad-Kommandeure festnehmen und stellte das Schicksal des in den USA vermissten Journalisten Austin Tice als Prüfstein für künftige Kooperation.Rohstoffe, Trump Tower, Sicherheit Israels – damit wird gelockt
Al-Sharaa will westlichen – insbesondere amerikanischen – Konzernen exklusive Zugriffs- und Förderrechte für Syriens bislang kaum erschlossene Erz- und Seltene-Erden-Vorkommen einräumen. Nach dem Vorbild großer ukrainischer Bergbaukonzessionen erwartet Damaskus im Gegenzug eine spürbare Lockerung der Caesar-Sanktionen. Innenpolitisch argumentiert Trump, ein solcher Deal erschließe der US-Wirtschaft neue Lieferquellen abseits Chinas. Zu den PR-trächtigen Offerten gehört der Bau eines Trump Tower in Damaskus. Für Riad wäre das ein Signal, dass Syrien sich aus der iranisch-chinesischen Umarmung löst und sich stattdessen in eine von Saudi-Arabien moderierte, US-freundliche Ordnung einfügt. Die vielleicht weitreichendste Zusage betrifft Israels Sicherheit: Al-Sharaa sei „grundsätzlich offen“, in der Nähe der von Israel 1967 besetzten Golanhöhen jede schwere Bewaffnung abzuziehen und eine begrenzte israelische Präsenz zu tolerieren. Langfristig könnte Syrien das nächste arabische Land mit formellen Wirtschafts- und Sicherheitsabkommen mit Israel werden.Was Damaskus dafür verlangt
Die syrische Seite knüpft ihre Kooperationsbereitschaft an mehrere zentrale Bedingungen. Im Vordergrund steht ein schrittweiser Abbau westlicher Sanktionen, insbesondere der Zugang zum internationalen Zahlungssystem SWIFT und die Wiederaufnahme westlicher Technologie- und Energiekooperationen, etwa im Bereich Öl- und Gasförderung. Hinzu kommt die Forderung nach völkerrechtlicher Anerkennung: Die Aufhebung der Terrorlistung von Übergangspräsident al-Sharaa und die diplomatische Anerkennung der neuen Übergangsregierung sind aus Sicht Damaskus unerlässlich. Auch eine internationale Finanzierung des Wiederaufbaus – in Form von Krediten für Infrastrukturmaßnahmen – zählt zu den Hauptanliegen der syrischen Seite.
USA und Iran sind skeptisch
Gleichzeitig birgt das Vorhaben erhebliche politische Fallstricke. In den USA ist die Skepsis gegenüber einem Kurswechsel groß – Teile der Trump-Administration, darunter etwa DNI Tulsi Gabbard, warnen vor einem „Blankoscheck“ an einen ehemaligen HTS-Kommandeur. Auch iranischer Widerstand zeichnet sich ab: Teheran könnte den Deal torpedieren, um seinen strategischen Einfluss in Syrien zu bewahren. Israel wiederum betont seine roten Linien: Die Regierung in Jerusalem fordert verlässliche Sicherheitsgarantien und unterstreicht ihre Haltung mit jüngsten Luftschlägen nahe Damaskus – ein deutliches Signal für das Eskalationspotenzial der Lage.
Im Zentrum des geplanten Gipfels steht eine umfassende Kernagenda, die sich auf mehrere Themenbereiche verteilt: Fragen der regionalen Sicherheit, wie der Einfluss Irans, die Rolle der Hisbollah oder eine entmilitarisierte Pufferzone auf den Golanhöhen, stehen ebenso im Fokus wie die wirtschaftliche Dimension – hier geht es um saudische Investitionen, US-Know-how und mögliche Sonderwirtschaftszonen. Auch die Palästina-Frage, insbesondere der Zeitpunkt und die Modalitäten einer möglichen US-Anerkennung, sowie der Umgang mit bestehenden Sanktionen – etwa dem Caesar Act – sollen besprochen werden. Für letztere ist ein stufenweiser Abbau vorgesehen, gekoppelt an konkrete Reformnachweise. Schließlich bleibt auch die Kurdenfrage zentral: Die Autonomiebestrebungen im Nordosten Syriens kollidieren mit den Sicherheitsinteressen der Türkei – ein Balanceakt mit geopolitischer Sprengkraft.
Kurswechel bei internationalen Reaktionen
Der katarische Premier- und Außenminister äußerte sich in der Washington Post zur Rolle seines Landes und unterstrich die Notwendigkeit eines Kurswechsels: „Die Handlungsfähigkeit der neuen syrischen Regierung ist aufgrund des bestehenden Sanktionsregimes stark eingeschränkt. Wir streben eine Verständigung mit den USA an, um die Sanktionen gegen die Übergangsregierung in Syrien aufzuheben.“
Zeitgleich sicherte sich Übergangspräsident al-Sharaa Unterstützung auf europäischer Ebene: In Paris wurde er mit militärischen Ehren empfangen. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte an, die für den 1. Juni geplante Verlängerung der EU-Sanktionen zu blockieren – allerdings nur unter der Bedingung messbarer Fortschritte in Menschenrechts- und Sicherheitsfragen, wie Le Monde berichtet.
US-Präsident Trump erklärte am Montag, dem 12. Mai, er ziehe eine Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien in Betracht, nachdem der türkische Präsident Erdoğan das Thema zur Sprache gebracht hatte. Kurz vor seiner Reise in die Golfstaaten sagte Trump laut Reuters:
„Wir könnten die Sanktionen gegen Syrien aufheben, um ihnen einen Neuanfang zu ermöglichen. Viele haben mich darauf angesprochen, denn die derzeitigen Sanktionen geben ihnen keine echte Chance. Wir wollen sehen, wie wir ihnen helfen können.“
Auch aus Israel kommen veränderte Töne. Außenminister Gideon Sa’ar sagte:
„Israel möchte gute Beziehungen zur neuen syrischen Regierung. Natürlich haben wir Sicherheitsbedenken, aber wir streben Stabilität an. Bestimmte Maßnahmen gegenüber Minderheiten wecken unser Misstrauen, dennoch sind unsere Absichten gut: Wir wünschen Sicherheit und Stabilität.“
Wendepunkt in der Geschichte?
Ob das Gipfeltreffen tatsächlich stattfindet, wird sich voraussichtlich innerhalb der nächsten 24 Stunden entscheiden, wenn Präsident Trump sein Programm in Riad finalisiert. Sollte der Gipfel scheitern, verbleiben die Parteien bei indirekten Gesprächen. Gelingt jedoch der diplomatische Durchbruch, könnte der 14. Mai 2025 als historischer Wendepunkt in die Geschichte eingehen – als jener Tag, an dem ein langjähriger Erzfeind Washingtons zum potenziellen Partner im Nahen Osten wurde.