Perspektiven beim WelcomeCamp 2018

Vernetzung als gemeinsamer Nenner
Einige engagierte Berliner „Locals“ begannen 2015, die Idee zu dem Event Schritt für Schritt zu entwickeln, nachdem gerade besonders viele Geflüchtete in Deutschland eingetroffen waren. Auch Bastian, Geschäftsführer einer Berliner Marketingagentur, gehörte zu denen, die helfen wollten. Zusammen mit Freunden wollte er Unterstützung geben, sah aber bald, wie viele Hilfsorganisationen und Projekte sich innerhalb kürzester Zeit schon gegründet hatten und für die Neuankömmlinge in ganz unterschiedlicher Art und Weise aktiv waren.
Es formte sich schließlich ein Team von Medienprofis, die Media Residents. Sie machten bei
der Vielzahl an Hilfsangeboten das Bedürfnis aus, die Initiativen an einen Tisch zu bekommen. Die Engagierten sollten sich gegenseitig kennenlernen und sich austauschen. Zusätzlich sollten Geflüchtete von der vielfältigen Unterstützung erfahren, die geboten wurde, von der sie aber meist gar nichts mitbekamen.
Das erste „BarCamp“ wurde innerhalb von zwei Monaten umgesetzt – mit gratis Anmeldung für die ca. 100 Interessierten. Catering, Material und Räume wurden den Teilnehmenden ebenfalls zur Verfügung gestellt. Bastian erinnert sich gern: „Das war eine tolle Veranstaltung und die Reaktion der Leute war überragend. Deshalb lag es nahe, das Event nochmal zu durchzuführen.“
Bunter Mix aus Angeboten
Das eintägige Event gestaltet sich so offen und flexibel, wie man es von einem BarCamp erwartet: Die Workshops, die vormittags und nachmittags abgehalten wurden, wurden erst morgens vorgeschlagen und dem Plenum vorgestellt. Inhaltlich decken die Initiativen ein breites Spektrum ab: Von Traditionseinrichtungen wie
die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung oder dem Volkshochschulen-Ehrenamtsportal bis hin zu kleineren nicht-staatlichen Organisation und Projekten ist alles vertreten. Zu den Letzteren gehört z.B. HiMate, die mittels der Bereitstellung kostenloser Gutscheine für Kulturveranstaltungen versuchen, den Austausch zwischen Geflüchteten und „Locals“ zu fördern.
Aber auch Einzelpersonen traten als Akteure auf: Der gelernte Maschinenbauer Omid arbeitet in Deutschland als Journalist und beschloss ganz spontan, einen Workshop über „innovativen Journalismus“ abzuhalten. Der Iraner sagt von sich selbst, dass er sich viel im Umfeld von Initiativen aufhalte, die Geflüchteten helfen. „Das ist Grund genug für mich, hier zu sein.“
Ulrike und Israa vom Projekt „Die neuen Verbraucher“ des iRights e.V. dagegen hatten ihren Workshop im Vorhinein geplant. Sie „touren“ zum Thema Verbraucherschutz damit seit Monaten durch Deutschland. Ulrike erklärt, dass das Anliegen sei, den Geflüchteten die Informationen auch online möglichst leicht zugänglich zu machen und viele Dinge zu erklären, die notwendig für den Alltag sind. Israa aus Syrien fügt an, dass es sich dabei um den Kauf einer SIM-Karte, das Einkaufen im Supermarkt oder den Abschluss eines Vertrags im Fitnessstudio handeln könne.
Wandel der Herausforderungen
Obwohl die Geschichte des WelcomeCamp noch nicht alt ist, erlebte die Veranstaltung schon einige Veränderungen. Was sich im Laufe der drei Jahre herauskristallisiert habe, sei vor allem die Benötigung einer „Ankommens- und nicht einer Willkommenskultur“, erklärt Bastian. 2017 stand dies schon im Raum: Ein großes Thema war das Eintreten der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, weshalb viele VertreterInnen aus Politik und Wirtschaft vor Ort waren.

12 Monate später ist die Ausgangslage schon wieder eine andere: Schwerpunkte sind die Sichtbarkeit von Geflüchteten in der Öffentlichkeit und „Hate Speech“ in den sozialen Medien. Laut Bastian besteht im Moment die Herausforderung vor allem darin, den Geflüchteten, die schon in den Kiezen seien, in der Wirtschaft, in den Medien und in der Gesellschaft ein Gesicht und eine Stimme zu geben. Der Medienprofi betont, dass sich das Media Residents-Team diesen Fokus „nicht ausgedacht“ hätte, sondern er eher natürlich aus der gegenwärtigen Situation entstanden sei.
Mitglieder von Initiativen machen den größten Teil der Anwesenden aus. Bastian erklärt, wie auffällig auch hier die Veränderung sei: „Noch vor zwei Jahren war es relativ eindeutig gewesen, wer Geflüchteter ist und wer einer Initiative angehört. Jetzt vermischt sich das total: Nicht wenige Initiativen haben Geflüchtete im Team, teilweise sogar hauptamtlich.“
„Eigentlich darf es ruhig weitergehen“
Trotz der ganz unterschiedlichen Gründe zur Teilnahme wie auch der weiten Bandbreite der Beiträge zum Camp erkennt man beim Lauschen der Vorträge und dem angeregten Austausch mindestens eine gemeinsame Grundlage bei allen: An Energie und Tatendrang mangelt es nicht. Auch deshalb gefällt Bastian das ursprüngliche Ziel, nämlich die Veranstaltung überflüssig zu machen, eigentlich gar nicht mehr. Seiner Ansicht nach dürfe es damit „ruhig weitergehen“.
Nicht ohne Stolz erzählt er, dass sich im Jahr zuvor VertreterInnen der UNO Flüchtlingshilfe und der Industrie- und Handelskammer auf dem WelcomeCamp kennengelernt hätten, was dieses Jahr zu einem gemeinsam veranstalteten Event in Mannheim geführt habe. Auch kleinere Projekte wie das Welcome Meetup haben sich durch ein erstes Kennenlernen am WelcomeCamp gegründet: Die Gründerinnen organisieren jeden Monat ein Treffen für Geflüchteten-Initiativen, auf dem sich diese vorstellen und vernetzen können.
Das Motto „Looking Forward!“ könnte für das nächste WelcomeCamp eigentlich beibehalten werden. Einerseits wird es wieder bisher unbekannte Herausforderungen geben, denen sich die Teilnehmenden mit Tatendrang stellen werden. Aber schließlich bedeutet der Ausdruck auch, sich zu freuen. So ein Ausblick auf die nahe Zukunft, in der gemeinsam angepackt wird, verspricht doch Hoffnung.