Der Mensch ist Mensch

Warum lässt sich ein Mensch in Deutschland einbürgern? Unsere chilenische Autorin teilt mit uns ihre Gedanken zur Einbürgerung. Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemach?

Warum lässt sich ein Mensch in Deutschland einbürgern? Unsere chilenische Autorin teilt mit uns ihre Gedanken zur Einbürgerung. Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemach?

Sich in Deutschland einzubürgern ist mit vielen Formalitäten verbunden. Man muss gewisse Richtlinien verfolgen, mindestens acht Jahre in Deutschland leben, sich ausweisen können, nicht straffällig geworden sein, für sein Lebenseinkommen selber aufkommen können….u.s.w. Das wäre die rechtliche Lage.
Aber die wichtigste Frage :

Warum lassen sich Menschen einbürgern ?

An erster Stelle geht es um die eigene Sicherheit, Schutz, Dazugehörigkeit und Rechte. Und sicherlich geht es auch um Formalitäten, denn man muss nicht alle paar Jahre den Aufenthaltsstatus erneuern und darum bangen, dass er überhaupt erneuert wird.
Ich habe mich vor 30 Jahren eingebürgert, als ich mit 18 Jahren den Entschluss dazu gefasst habe.
Ich hatte grosse Sorge abgeschoben zu werden, hatte allerdings Asyl und Aufenthaltsberechtigung .

Flucht aus Chile

Im Alter von 10 Jahren flüchtete ich mit meinen Eltern aus Chile, denn dort war Diktatur. Als ich 18 war, war in Chile offiziell keine
Diktatur mehr, aber die Spuren waren noch sichtbar und die Reformen begannen erst langsam das Leben zu ändern.
Das einzige worüber ich noch schlucken musste war, dass ich meine chilenische Nationalität aufgeben musste.
Es fühlte sich schwer an … das Land in dem ich geboren bin, wo meine geliebte Oma noch lebt, meine Tanten, wo Menschen auf mich warten, an mich denken, für mich beten, wo ich sozialisiert war, sollte ich kündigen?

Die innere Stimme

Plötzlich sagte mir damals meine Innere Stimme,  das ist nur ein Stück Papier. Das wird weiterhin so bleiben, ich bin kein anderer Mensch geworden. Nur weil ich einen deutschen Pass habe,  werde ich mich nicht ändern. Meine Familie in Chile wird weiterhin an mich denken. Und ich habe die Sicherheit in meiner WAHLSTADT zu bleiben, und kann viele andere Länder bereisen. Kann auch parlamentarisch wählen .

Meine Wurzeln habe ich nicht abgelegt, weil ich einen deutschen Pass habe. Mir war es sehr wichtig und eine Herzensangelegenheit meinen Mädchennamen zu behalten.
Delgado González.
Und innerlich fühle ich mich als beides.

Mutter und Bruder

Um aus dem Nähkästchen zu plaudern: meine Mutter ist ein Jahr später nach meiner Einbürgerung mit meinem Bruder nach Chile zurückgekehrt. Allerdings hat das Leben meine Mutter dann weiter in die USA geführt. Mein Bruder dagegen ist in Chile geblieben. Er war bis zum 18. Lebensjahr staatenlos; kein Deutscher, weil die Eltern keine Deutschen waren, kein Chilene, weil er nicht in Chile geboren wurde. Mit 18 Jahren konnte er sich entscheiden, welche Nationalität er annehmen möchte. Da er in Chile lebte, hat er sich für die chilenische Staatsbürgschaft entschieden.

Aber zum Glück hat sich dieses Gesetz geändert.  Seit dem 1. Januar 2000 bestimmt nicht allein die Nationalität der Eltern eines Kindes seine Staatsangehörigkeit, sondern auch der Geburtsort. Das nennt sich Geburtsortsprinzip. Trotz allem müssen noch Auflagen erbracht werden, z.B., dass die Eltern mindestens 8 Jahre in Deutschland leben müssen.

Meine Mutter hat sich letztes Jahr einbürgern können und die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten. Sie musste eine Prüfung absolvieren und Fragen beantworten. Eine Frage, die mir im Gedächtnis bleiben wird: ‚Sind sie bereit dieses Land, die Vereinigten Staaten von Amerika, mit einer Waffe zu verteidigen?‘
Bin ich froh, dass mir nicht so eine Frage gestellt worden ist, für die Deutsche Staatsbürgerschaft.

So haben wir drei verschieden Nationalitäten in der Familie: mein Bruder die chilenische, meine Mutter die amerikanische und ich die deutsche.

Der Mensch im Fokus

Im Nachhinein habe ich diesen Schritt der Einbürgerung nie bereut. Letztlich haben wir keinen Einfluss darauf, wo wir geboren wurden. Einwanderung hat es immer gegeben und wird es immer geben. Und sicherlich habe ich ein gewisses Glück gehabt.

Mir ist auch bekannt, dass viele Einwander*innen diese Frage lange, wenn nicht lebenslang, beschäftigt. Einerseits wird man hier von der Gesellschaft, obwohl hier geboren, durch die Herkunftsfamilie nicht als Deutsche*r anerkannt. Und andererseits andererseits wird
man auch im Herkunftsland der Familie nicht anerkannt, weil man in Deutschland geboren wurde und teilweise die Sprache der
Eltern nicht sprechen kann.

Vielleicht sollten wir uns mehr darauf besinnen den Menschen im Fokus zu sehen mit seinen Stärken und Schwächen, denn Gefühle haben keine Nationalität. Gefühle sind international. Dazu fällt mit der Musiktext von Hebert Grönemeyer ein :

Der Mensch heißt Mensch
Weil er erinnert, weil er kämpft
Und weil er hofft und liebt
Weil er mitfühlt und vergibt
Und weil er lacht und weil er lebt
Du fehlst
Oh, weil er lacht und weil er lebt
Du fehlst…

Im diesem Sinne :
Der Mensch ist Mensch

Hier könnt ihr einen weiteren Artikel zum Thema Einbürgerung lesen.

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© Eugenia Loginova

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Kategorie & Format
Autorengruppe
Geboren in Santiago de Chile. Seit ihrem 10. Lebensjahr lebt sie in Hamburg. Sie ist vielfältig: schreibt , fotografiert, zeichnet und hat Schauspiel- und Bühnenerfahrung. Ausgebildet als Erzieherin und Kunsttherapeutin. Heute arbeitet sie in einer Pflegeeinrichtung als Betreuungsfachkraft. „Als Autorin bei kohero wird mein Kindheitstraum Wirklichkeit, ich wollte Journalistin werden. Geschichten können etwas Magisches haben, um die Welt etwas besser werden zu lassen.“

2 Antworten

  1. Leider gibt es noch zu viele Menschen, die meinen aufgrund ihres Geburtsortes etwas „Besseres“ sind. Ich bin einfach nur dankbar solche tollen, vielseitigen Menschen wie Frau Delgado kennengelernt zu haben.

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