Seit Mitte April hat sich die Lage im Sudan verschärft. Schon viel länger dauern die innenpolitischen Spannungen an. Hunderte Menschen haben ihr Leben verloren, es gibt tausende Verletzte. Laut UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths sei die humanitäre Situation „am Tiefpunkt angelangt“. Bereits mindestens 73.000 Menschen seien laut UN auf der Flucht – weitere 800.000 könnten das Land schon bald in die benachbarten Staaten verlassen.
Was ist im Sudan passiert?
Der Sudan ist das drittgrößte Land Afrikas. Es ist auch eines der ärmsten Länder des Kontinents. Seit dem Abzug der britischen Kolonialmacht in den 50er Jahren befindet sich das Land immer wieder in politischen Krisen. Dem Staat fehlen die Ressourcen, um elementare Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheit und Wasserversorgung für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.
2021 putschten die sudanesische Armee (“Sudan Armed Forces”) und die paramilitärische Einheit RSF (“Rapid Support Forces”) die Übergangsregierung, die das Ziel hatte, innerhalb von fünf Jahren einen Demokratisierungsprozess einzuleiten. Seitdem regierte ein sogenannter Übergangsrat das Land. An dessen Spitze stand der Kommandeur der Streitkräfte, General Abdul Fattah al-Burhan. Sein Stellvertreter war der Oberbefehlshaber der RSF, Mohamed Hamdan Daglo. Die RSF sollte in die Strukturen der regulären Armee eingegliedert werden. Laut tagesschau sei dies zuletzt einer der großen Streitpunkte gewesen sein.
Nun stehen sich General Abdul Fattah al-Burhan und Mohamed Hamdan Daglo, die erst vor zwei Jahren gemeinsam die Übergangsregierung stürzten, in den gewaltsamen Konflikten gegenüber. Seit Mitte April liefern sich beide Parteien schwere Kämpfe. Vereinbarte Waffenruhen wurden immer wieder gebrochen. Darunter leidet wie so häufig die Zivilgesellschaft. Die fehlende Infrastruktur und schlechte medizinische Versorgung droht zu einer verheerenden Katastrophe zu führen.
Priorität für den Schutz der sudanesischen Zivilgesellschaft
Deutsche Diplomat*innen und Staatsbürger*innen haben das Land bereits im April vollständig verlassen. In der deutschen Botschaft blieben allerdings die Pässe von sudanesischen Bürger*innen zurück, die auf ein Visum in Deutschland hofften, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete. Das bedeutet, dass die Menschen keinerlei Möglichkeiten haben, an ihre Pässe ranzukommen. Betroffene sollen einen neuen Pass beantragen, rät die Deutsche Botschaft laut der SZ. Diese Aussage ist zynisch. Denn natürlich sind die Behörden aktuell geschlossen. Priorität muss nun sein, die Zivilbevölkerung zu schützen und ihnen sichere Fluchtrouten zu ermöglichen.
„Humanitäre Korridore für Zivilist*innen aus Konfliktgebieten und der unbürokratische Familiennachzug sind keine Privilegien, sondern ein humanitäres Gebot. Wir appellieren an die deutsche Bundesregierung, alle diplomatischen Wege auszuschöpfen, damit sich Zivilist*innen im Sudan in Sicherheit bringen können“, sagt auch Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl.
Pro Asyl fordert ebenfalls einen sofortigen bundesweiten Abschiebestopp in den Sudan. Auch wenn mehrere Bundesländer bereits nicht mehr in den Sudan abschieben, gibt es dazu bisher keine bundesweite Linie. Diese ist allerdings dringend nötig und längst überflüssig, um ein klares politisches Signal zu senden. Asylanträge von Sudanes*innen, die aktuell in Deutschland nur geduldet sind, müssen neu evaluiert werden, um ihnen eine Bleibeperspektive zu ermöglichen. Eine Rückführung in ein Land, in dem bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, ist unzumutbar. Das gilt auch für Straftäter*innen oder Menschen, die ihre Identität nicht preisgeben – diese sind nämlich aktuell noch von Abschiebeverboten ausgenommen. Wie kann ein Rechtsstaat wie Deutschland in Kauf nehmen, dass Menschen wissentlich in Gefahr gebracht werden?
Deutschland und EU tragen Verantwortung
Deutschland und die EU können sich nicht zurücklehnen und den Nachbarstaaten des Sudans die Versorgung der Geflüchteten überlassen. Denn im Rahmen der „Khartoum Erklärung“, einem Zusammenschluss von afrikanischen Staaten und der Europäischen Union, um „irreguläre Migration“ zu begrenzen, flossen EU-Gelder an die Konfliktpartei RSF, die im Sudan die Grenzen überwachte. Laut SeaWatch nahm die RSF hier eine Doppelrolle ein, bei der sie einerseits für den Grenzschutz zuständig war und anderseits selbst in Menschenhandel und Schlepperei involviert sei.
Die Europäische Union muss also Verantwortung übernehmen und sich dafür einsetzen, dass Fliehende schnell aufgenommen und versorgt werden. Das ist das Mindeste.
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