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Zurückweisungen von Asylsuchenden an deutschen Grenzen: Ist das noch demokratisch?

Verschärfte Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden sind ab vergangener Woche auch in Deutschland in Kraft getreten. Warum dieses Vorgehen juristisch, moralisch und demokratisch fragwürdig ist.

Fotograf*in: Foto von Markus Spiske auf Unsplash

Es ist soweit — an den deutschen Grenzen wurden in der vergangenen Woche die ersten Asylsuchenden zurückgewiesen.

Auf Anordnung des neuen Bundesinnenministers Alexander Dobrindt (CSU) wurden die Kontrollen an den deutschen Grenzen ausgeweitet. Ziel sei es, die Einreise ohne gültige Aufenthaltsberechtigung stärker zu begrenzen.

Dieses Vorgehen ist insgesamt und auch innerhalb der neuen Koalition aus SPD und CDU/CSU sehr umstritten. Während die Union dafür plädiert, Asylsuchende bereits an der Grenze konsequent zurückzuweisen, warnte die SPD zuletzt vor einem solchen Vorgehen. „Pauschale Zurückweisungen bei Asylgesuchen an den Grenzen sind mit geltendem europäischen Recht nicht vereinbar“, sagte SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede.

Doch dies scheint bereits zur Realität zu werden. Laut dem Chef der Gewerkschaft der Polizei Andreas Roßkopf muss die Bundespolizei alle Asylsuchende an der Grenze zurückschicken — bis auf unbegleitete Minderjährige, Schwangere und Kranke. Die Anordnung des Innenministerium besage „Zurückweisungen zwingend vor“. Dies widerspricht der Aussage von Merz, dass die Kontrollen, „wie bei der EM” seien.

Die Bundesregierung beruft sich bei den Zurückweisungen von Asylsuchenden auf Artikel 72 AEUV. Dieser erlaubt EU-Staaten, europäische Asylregeln auszusetzen, wenn die öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit gefährdet ist. Ob sich Deutschland rechtlich auf Artikel 72 AEUV stützen kann, wird erst entschieden, wenn ein abgewiesener Asylsuchender von einer NGO unterstützt wird, eine Klage einzureichen. Die Bundesregierung muss dann genau erklären, warum eine „Notlage“ vorliegt und weshalb europäisches Asylrecht ausgesetzt wurde. Viele Rechtsexpert*innen bezweifeln allerdings, dass der EuGH diese Argumentation akzeptieren wird – auch, weil die Zahlen von Geflüchteten zuletzt deutlich gesunken sind. Zudem hat der EuGH bisher allen EU-Staaten, die sich auf Artikel 72 beriefen, eine klare Absage erteilt.

In einer Demokratie muss der Staat in seinem Handeln an Recht und Gesetz gebunden sein, er kann und darf nicht willkürlich oder nach Belieben handeln. Wie demokratisch ist das Handeln der Union? Dass europäisches Recht wahrscheinlich gebrochen und humanitäre Hilfe für Asylsuchende verweigert wird? Und dass es von Anfang an Streit und widersprüchliche Aussagen zwischen den Koalitionspartnern gibt?

Bis der europäische Gerichtshof eine Entscheidung trifft, wird nach außen hin allen klar sein: Deutschland will keine Asylgesuche mehr annehmen. Damit werden Menschen auf der Flucht aktiv im Stich gelassen.

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