Shady, erzähle uns etwas über dich, was machst du?
Ich bin Shady Zitoun, 36 Jahre alt, komme aus Damaskus und bin 2014 nach Deutschland geflohen. Derzeit lebe ich in Bad Homburg. Seit 2016 arbeite ich im Technologie- und Automatisierungsbereich. Im Oktober letzten Jahres habe ich meine eigene Firma „BitKnz“ gegründet.
Wie war es für dich, nach Deutschland zu kommen?
Zuerst floh ich in die Türkei wegen Visumproblemen. Dort fand ich aber keine Perspektive und entschloss, nach Europa zu gehen. Nach mehreren Versuchen, mit Schleppern und gefälschter ID, sowohl über Land als auch See, gelang es mir schließlich, nach Deutschland zu kommen. Im Juli 2014 kam ich in einem Asylbewerberheim in Eisenhüttenstadt in Brandenburg unter, wo ich die darauffolgenden Monate verbrachte.
Und wie war es für dich in Deutschland anzukommen?
Zuerst kam ich in Prenzlau an, einer kleinen Stadt, etwa 110 km von Berlin entfernt. Obwohl es dort keine Sprachschule oder Arbeitsmöglichkeiten für Geflüchtete gab, hatte ich großes Glück, viele Menschen kennenzulernen. Ich nutzte die Zeit, um Deutsch zu lernen und legte nach etwa sieben Monaten ein B1-Zertifikat ab – noch bevor ich meine Aufenthaltsgenehmigung erhielt. Die Zeit in Prenzlau war sehr hilfreich, um die deutsche Gesellschaft besser zu verstehen.
Was war der nächste Schritt für dich?
Im Mai 2015 erhielt ich meine Aufenthaltsgenehmigung und begann wenig später ehrenamtlich beim Deutschen Roten Kreuz zu arbeiten, was zu einer Festanstellung führte. Da meine Brüder in der Zwischenzeit als Minderjährige bei einer Familie in Hessen untergebracht wurden, suchte ich gezielt dort nach Arbeit und fand im März 2016 glücklicherweise eine Stelle bei Finastra, einem Finanztechnologieunternehmen in Frankfurt. Ich arbeitete bis 2023 bei Finastra und danach in Barcelona bei Big Panda, bevor ich 2024 nach Deutschland zurückkehrte, um meine Firma BitKnz im Bereich Finanz-IT zu gründen.
Warum hast du nicht direkt gegründet?
Eine Festanstellung gab mir Sicherheit und Erfahrung. Für die Selbstständigkeit fehlten mir anfangs Netzwerk und Know-how. In Syrien gründete ich bereits meine erste eigene Firma im dritten Jahr meines Studiums, spezialisiert auf Websiteentwicklung. Das Geschäft lief gut für etwa zwei Jahre, bis der Krieg begann, der uns leider daran hinderte, weiterhin zu wachsen. Seitdem hatte ich immer den Wunsch, wieder eine eigene Firma zu gründen, doch ich musste auf den richtigen Zeitpunkt warten, um nicht zu viel zu riskieren.
Woran arbeitest du gerade?
In Deutschland arbeiten wir an Projekten zur Automatisierung und KI-Integration, vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen im Softwarebereich. Für Syrien haben wir ein besonderes Finanztechnologie-Projekt gestartet. Wie du weißt, war es lange Zeit kaum möglich, legal Geld ins Land zu überweisen – viele Syrer:innen im Ausland mussten auf inoffizielle Wege zurückgreifen. Das bremste die wirtschaftliche Entwicklung stark. Seit kurzem sind wieder kleinere Überweisungen erlaubt, aber nur mit vielen Einschränkungen. Deshalb wollten wir mithilfe von Blockchain und Bitcoin eine neue, offene Lösung schaffen, die sichere und effiziente digitale Transaktionen ermöglicht.
Mit Western Union ist es möglich Geld nach Syrien zu überweisen, aber die Gebühren sind sehr hoch – oft zwischen 20 und 30 % des Betrags. Das ist eines der größten Probleme für viele Syrer*innen im Exil. Warum ist Bitcoin in diesem Zusammenhang interessant?
Western Union hat lange Zeit gar keine oder nur stark eingeschränkte Überweisungen nach Syrien erlaubt. Bitcoin bietet uns eine neue Möglichkeit, Geld grenzüberschreitend zu transferieren. Früher waren solche Transaktionen nur über Banken möglich. Bitcoin ermöglicht es, kleinere Beträge schnell, anonym und mit deutlich geringeren Gebühren zu überweisen – oft in wenigen Minuten. Mit neuen Technologien wie dem Lightning-Netzwerk sind sogar Transaktionen in Sekunden möglich. Im Vergleich zu mehreren Tagen bei Banken oder Gebühren von bis zu 20 % bei klassischen Anbietern ist das ein revolutionärer Ansatz. Gerade für Syrien, dessen Bankensystem veraltet und durch Sanktionen eingeschränkt ist, bietet Bitcoin eine praktikable Lösung für globale Finanztransaktionen.
Was unterscheidet euch von Western Union?
Unsere Gebühren sind deutlich niedriger – maximal 4 %. Und das Geld liegt direkt im Wallet der Nutzer:innen, nicht bei uns.
Diese Lösung birgt gewisse Risiken und setzt Strom sowie Internet voraus. Zudem müssten Empfänger*innen in Syrien ihr Geld in einem Büro abholen, da viele auf Bargeld in syrischen Lira angewiesen sind. Wie wollt ihr dieses Problem lösen?
Natürlich sind die Menschen daran gewöhnt, in Bargeld zu zahlen – das habe ich bei meinen letzten beiden Besuchen in Syrien selbst erlebt. Trotzdem glauben wir, dass die syrische Bevölkerung, die schon immer ein Vorreiter in Sachen Technik war, auch das Potenzial von Bitcoin erkennen wird. In Ländern wie El Salvador sehen wir bereits, wie durch Bitcoin wirtschaftliche Entwicklungen und effizientere Finanztransaktionen möglich wurden. Sobald die nötigen Voraussetzungen gegeben sind, wird auch die syrische Bevölkerung diese Technologie nutzen. Natürlich bringt Bitcoin – wie jedes Finanzprodukt – auch gewisse Risiken mit sich.
Das bedeutet, ich eröffne ein Konto bei euch und kaufe Bitcoin. Anschließend überweise ich den Betrag an meine Verwandten in Syrien, die ebenfalls ein Konto in eurer App haben und den Bitcoin auf ihrem Account empfangen. Wie wird dieses Geld dann in Bargeld umgewandelt?
Wir haben zwei Lösungen entwickelt und arbeiten mit einem großen Partner innerhalb Syriens zusammen. Wir sind momentan in Gesprächen mit verschiedenen Banken, die auch diese Technologie implementieren wollen. Über diese Banken könnten wir das Geld, das in syrischer Lira ausgezahlt werden soll, direkt auf ein Bankkonto oder an ein nahegelegenes Überweisungsbüro transferieren. Da schätzungsweise 80 % der Nutzer*innen in Syrien kein Bankkonto haben, sind solche Bargeldlösungen über lokale Partner besonders in der Anfangsphase sehr hilfreich.
Wenn ich einen Bitcoin kaufe und der Kurs fällt – verliere ich dann Geld?
Nein, nicht wenn das Geld in unserem Wallet nur für Überweisungen genutzt wird – dann garantieren wir den ursprünglichen Wert. Das Risiko übernehmen wir. Wer mit Bitcoin spekulieren möchte, kann das tun – aber dann trägt er das Kursrisiko selbst.
Warum bietet ihr diese Absicherung?
Wir wollen den Umgang mit Bitcoin erleichtern. Außerdem zeigen die letzten Jahre, dass Bitcoin langfristig wächst – das Risiko nehmen wir bewusst in Kauf.
Können Nutzer:innen mit eurer App auch Bitcoin kaufen?
Noch nicht. Der Kauf muss über lizenzierte Plattformen außerhalb Syriens erfolgen, aber man kann Bitcoin an unser Wallet übertragen.
Welche Lösung habt ihr für den Schwarzmarkt, auf dem der Dollar deutlich teurer ist als der offizielle Wechselkurs der Zentralbank?
Wir arbeiten mit der Zentralbank zusammen, um die syrische Lira als Auszahlungsmöglichkeit anzubieten. Der Unterschied zwischen dem Schwarzmarkt und dem offiziellen Kurs liegt leider außerhalb unserer Kontrolle, aber wir warten auf eine Rückmeldung der Zentralbank, um eine Lösung zu finden. Wir hoffen, dass sich der Markt bald beruhigt und die Schwarzmarktpreise sich wieder an den offiziellen Kurs anpassen. Die derzeitige Situation ist unnatürlich und kann nicht lange so bleiben.
Wie kommuniziert ihr das mit der Zentralbank? Gibt es Gesetze in Syrien, die solche Transaktionen erlauben?
In Syrien gibt es noch keine klaren Regelungen für Krypto und Bitcoin, aber wir arbeiten eng mit der Zentralbank zusammen. Wir haben unsere Pläne bereits vorgestellt und hoffen, in den kommenden Wochen eine Lizenz zu erhalten.
Habt ihr auch der neuen Regierung eure Pläne präsentiert? Wie steht sie zu Bitcoin?
Ja, wir haben mit verschiedenen Unternehmen und führenden Persönlichkeiten gesprochen, die Bitcoin als zweite Währung in Syrien einführen wollen. Die Zentralbank ist offen für neue Technologien, aber aufgrund des veralteten Bankensystems wird die Umsetzung noch fünf bis zehn Jahre dauern. Die Bank möchte selbstverständlich gewährleisten, dass alles korrekt umgesetzt wird, was auch gut ist. Allerdings bedeutet das auch, dass wir mehr Zeit benötigen, um unsere Lizenzen zu erhalten und unser Produkt zu finalisieren.
Wird man irgendwann auch Dollar oder Euro in Syrien erhalten?
Noch ist das schwierig. Unser Ziel ist es, langfristig Bitcoin als digitales Zahlungsmittel im Land zu etablieren, um weniger auf Bargeld angewiesen zu sein.
Wie wollt ihr das Vertrauen der Menschen gewinnen?
Vertrauen entsteht durch Taten und die Einhaltung von Versprechen. Wir bieten unseren Kunden in Syrien eine sichere, neue Art von Überweisungen mit Bitcoin und setzen auf Transparenz, um ihnen zu zeigen, wie diese Technologie funktioniert. Dafür haben wir ein Aufklärungsmodul in unserer App integriert, das eine einfache und klare Nutzung ermöglicht.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Wir suchen Unterstützer*innen sowohl innerhalb als auch außerhalb Syriens, um diese revolutionäre Überweisungsmethode weiter zu verbreiten und die Menschen darüber zu informieren. Wir hoffen, dass uns die Regierung in den kommenden Wochen die Zulassung erteilt, damit wir unsere Dienstleistungen so schnell wie möglich in Syrien anbieten können – ohne Probleme und ohne Sanktionen. Wir hoffen, dass sich die Situation schnell ändert, denn das syrische Volk hat sehr gelitten, und es ist an der Zeit, dass die Syrer*innen ihr Land wieder aufbauen.