Klimagerechtigkeit ist soziale Gerechtigkeit

Kämpfe gegen die Klimakrise und soziale Ungleichheit gehören zusammen, findet Dante. Er engagiert sich im Projekt Locals United der Bundjugend für Klimagerechtigkeit und einen intersektionalen Klimaaktivismus. Anna aus unserer Redaktion hat mit ihm gesprochen.

Dante mit Lea und Fred von Locals United.
Fotograf*in: Dante

“There is no thing as a single-issue struggle because we do not live single-issue lives.” So hat die Schwarze Aktivistin und Schriftstellerin Audre Lorde 1992 in einer Rede die Situation zusammengefasst. Grob übersetzt: Es gibt keinen Kampf, der nur ein einziges Problem bekämpft. Denn auch im Leben sind Probleme nicht voneinander isoliert. Kannst du das Zitat für uns einordnen?

Viele gesellschaftliche Herausforderungen, die wir heutzutage haben, sind miteinander verbunden. Das heißt, wir müssen sie auch in einem Kampf miteinander verbinden. Das ist auch Thema bei der Klimagerechtigkeit. Klimagerechtigkeit bedeutet im Endeffekt, dass wir Kämpfe gegen die Klimakrise auch mit Kämpfen für soziale Gerechtigkeit verbinden.

Ein Beispiel: die Auswirkungen der Klimakrise sind nicht gleichmäßig über den globalen Norden und globalen Süden verteilt. Dabei ist der globale Süden eigentlich gar nicht für die Klimakrise verantwortlich. Wenn wir gesellschaftliche Privilegien vergleichen, dann ist es so, dass Menschen, die im Norden leben, meistens auch mehr Privilegien haben als Menschen im globalen Süden.

Ungleichheiten gibt es aber auch hier in Deutschland. Wenn wir uns etwa die Flutkatastrophe im Ahrtal vor zwei Jahren anschauen, dann waren es etwa Menschen mit Behinderung, die am stärksten betroffen waren – weil sie nicht rechtzeitig gerettet worden sind.

Das heißt also, wenn ich dich richtig verstanden habe, wir müssen bei der Bewältigung der Klimakrise verschiedene Perspektiven mit einbeziehen, gerade von Menschen, die durch mehrere Diskriminierungserfahrungen besonders betroffen sind und sein werden. Eine klimagerechte Welt ist also auch eine sozial gerechte Welt?

Genau! Eine klimagerechte Welt bedeutet auf jeden Fall auch eine sozial gerechte Welt.

Normalerweise sprechen viele von der Industrialisierung in Europa als Startpunkt für die Klimakrise, für den Klimawandel, für den menschengemachten Klimawandel. Wann siehst du den Anfang?

1492, als Kolumbus in der Karibik auf Land stieß. Hier hat die Hierarchisierung von Menschen begonnen und die Ausbeutung von Ressourcen. Es waren auch europäische Philosophen, die die Grundlage dafür dargelegt haben, indem sie auch rassistische Ideologien und Rassentheorien aufgestellt haben, um die Ausbeutung von Menschen und die Ausbeutung der Natur zu rechtfertigen und zu legitimieren. Und es gibt auch eine wichtige Karte, die aufzeigt, dass bereits um 1800 herum die Veränderung des Klimas bereits feststellbar geworden ist.

Es ist zum geflügelten Wort geworden, dass bei der Klimakrise „alle im selben Boot sitzen“. Findest du dieses Bild passend?

Ich finde, das Bild kommt zu kurz. Wir werden alle ein Stück weit betroffen sein von der Klimakrise. Aber es kommt  natürlich darauf an, ob wir mit den Auswirkungen der Klimakrise auch umgehen können. Für uns im globalen Norden wird es am Ende wahrscheinlich eher weniger existenzbedrohend werden, während im globalen Süden ja schon bereits jetzt Menschen darum kämpfen müssen, dass sie am Ende des Tages auch genug Nahrung haben.

Aber gleichzeitig ist es ja so, dass gerade im globalen Süden schon seit vielen Jahrzehnten oder Jahrhunderten Widerstand gegen Unterdrückung und auch gegen die Klimakrise geleistet wird.

Das stimmt! Es gab auch Widerstand bereits während des Kolonialismus gegen diese ausbeuterischen Strukturen. Und natürlich gibt es auch heute Protest! Zum Beispiel regt sich Widerstand gegen eine geplante Öl-Pipeline in Tansania und Uganda. Aktivist*innen versuchen immer wieder, auf das Thema aufmerksam zu machen. Nämlich, dass die Klimakrise eng mit dem Kapitalismus verwoben ist. Die größten Anteile an den Ölpipelines hat ein französischer Konzern.

Ich habe das Gefühl, dass die Kämpfe, die an vorderster Front gegen die Klimakrise geführt werden, in der öffentlichen Wahrnehmung heute nicht so wirklich vorkommen.

Ich glaube, die Klimagerechtigkeit-Bewegung hier in Deutschland ist gerade in einem wichtigen Prozess. Einer der Slogans von Fridays for Future lautet: „Wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut.“ Das stimmt natürlich auch ein Stück weit. Aber es blendet gleichzeitig die Perspektive aus, dass wir Menschen haben, die bereits jetzt von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind und natürlich auch dagegen Widerstand leisten. Ich glaube, gerade in den letzten Jahren hat sich diese Perspektive ein bisschen gewandelt.

Wie sieht deine ideale Klimapolitik aus?

Ich finde, der Staat sollte Anreize setzen und Maßnahmen vorgeben, damit es den Menschen ermöglicht werden kann, einen Lebensstil einzunehmen, der klimafreundlicher ist. Dafür muss auch entsprechend die Infrastruktur geschaffen werden. Also Klimapolitik für mich sieht idealerweise so aus, dass wir natürlich auch eine Mobilitätswende vollziehen, die eben nicht nur auf einer Antriebswende basiert.

Also es bedeutet im Endeffekt, dass wir massiv den öffentlichen Nahverkehr ausbauen. Dass wir auch in den Städten die Automobilität ein Stück weit  zurückdrängen, denn es geht ja auch um Lebensqualität vor Ort. Wir haben auch das Problem, dass Menschen, die von Rassismus betroffen sind, eine fünfmal höhere Wahrscheinlichkeit haben, in der Nähe einer Umweltbelastung zu leben als andere Menschen. Und, dass wir auf globaler Ebene mit Staaten des globalen Südens auf Augenhöhe agieren.

Was muss sich in der Klimaschutzbewegung ändern, damit sie zugänglicher wird und die Vielfalt der Gesellschaft entsprechend widerspiegelt?

Es ist ein Problem der Klimabewegung, dass sie zu akademisch ist und oft natürlich die Sprache, die verwendet wird, ja auch sehr akademisch ist. Die Klimakrise ist natürlich eine komplexe Herausforderung. Wenn wir neue Zielgruppen erreichen wollen, geht es darum, eine Sprache zu benutzen, die einfacher zu verstehen ist.

Und, dass wir komplexe Themen aufbrechen, damit sie nachvollziehbar sind, um dann gemeinsam in einen Reflexionsprozess zu gehen: Was bedeutet das für mich persönlich, für mein eigenes Leben? Wir müssen die Breite der Gesellschaft für das Thema begeistern!

 

Weitere Beiträge zum Schwerpunktthema Klimaaktivismus gibt es hier.

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Anna ist zum Jurastudium aus Bayern nach Hamburg gezogen. Nebenbei arbeitet sie in einer Stiftung zu Themen des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

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