Forschung zu klimabedingten Fluchtursachen

Im Auftrag der deutschen Bundesregierung haben 24 Expert*innen erforscht, welche Fluchtursachen es gibt und wie diese gemindert werden könnten. Auch die Auswirkungen des Klimawandels wurden in diesem Kontext untersucht. Unter den Forscher*innen ist auch Prof. Dr. Jürgen Scheffran von der Universität Hamburg. In der neusten Folge unseres Multivitamin-Podcasts zum Thema Klimaflucht habt ihr ihn schon hören können, hier erhaltet ihr die wichtigsten Informationen nochmal zum Nachlesen.

Fluchtursachen.

Millionen von Menschen sind von klimabedingter Flucht betroffen. Diese Zahl genau zu benennen ist allerdings schwierig. Es wird zwar die Anzahl der Menschen erfasst, die aufgrund von Naturkatastrophen und Gewaltkonflikten vertrieben werden, bzw. fliehen mussten. Doch inwiefern diese Fluchtursachen auf den Klimawandel zurückzuführen sind, ist nur schätzbar. Insgesamt habe sich die Zahl der geflüchteten Menschen in den letzten zehn Jahren etwa verdoppelt, so Prof. Dr. Jürgen Scheffran.

Verantwortung des globalen Nordens

Ein wichtiger Aspekt ist, dass Menschen, die klimabedingt geflohen sind, von der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als „Flüchtlinge“ anerkannt werden. Infolgedessen erhalten sie auch kein Asyl. Prof. Dr. Scheffran sagt: „Der Klimawandel wurde von ärmeren Ländern und den Ländern im globalen Süden nicht primär verursacht, sondern von den reicheren Ländern des globalen Nordens. Diese haben eine entsprechende Verantwortung für die Folgen und daher auch dafür, die bestehende Rechts- und Schutzlücke für die Geflüchteten zu schließen.“

Als mögliche Maßnahme nennt er im Gespräch mit kohero u.a. die Einrichtung eines internationalen Umweltgerichtshofes. Zudem müssten die betroffenen Menschen zu Akteur*innen werden, die mit internationalen (Nichtregierungs-)Organisationen und Staaten zusammenarbeiten. Ziel sollte dabei sein, „das Umweltrecht auf internationaler Ebene auszubauen und Kompensationsmaßnahmen für Schäden durchzusetzen“, so der Wissenschaftler.

Prof. Dr. Scheffran betont, dass es zuallererst darum gehen solle, den Klimawandel zu verhindern, weil dieser die Ursache für viele Probleme und darunter auch für die Klimavertreibung sei. Die Politik der Staaten müsse natürlich mit dem Pariser Klimaabkommen übereinstimmen.

Zudem könne hier die Idee des Climate Matchings von Vorteil sein. Dabei werden Klimaziele von Ländern im globalen Norden und Süden gemeinsam umgesetzt. Für Deutschland bedeutet das beispielsweise, dass hier Emissionen durch erneuerbare Energieprojekte vermindert werden könnten und dann eine Förderung der Länder im Süden erfolgen würde. Für die Hauptförderung, etwa Investitionen, seien die reicheren Länder verantwortlich.

Ideen für die Zukunft

Unter den weiteren Projekten, die im Abschlussbericht der 24 Expert*innen zu Fluchtursachen vorgestellt wurden, ist die Idee eines gemeinsamen Stromnetzes rund um das Mittelmeer. Dies solle auf erneuerbaren Energiequellen basieren, bei denen jeder beteiligte Staat die eigenen Vorteile der Region einbringen könnte, zum Beispiel Solarenergie in Nordafrika bis zum Nahen Osten.

Eine zweite Möglichkeit, so Prof. Dr. Scheffran, wäre ein großformatiges Bepflanzungsprojekt am Südrand der Sahara. Diese Idee trägt nicht nur direkt etwas gegen den Klimawandel bei, es ist auch eine Anpassungsmaßnahme für die Region, da das lokale Klima beeinflusst würde. Weitere Ansätze, die bei der Anpassung an den Klimawandel helfen könnten, wären Schutzprojekte an den Küsten und in Städten, die Zusammenarbeit mit Bauern und Bäuerinnen, um resistentere Getreidesorten anzubauen und die Unterstützung bei (Binnen-)Migrationsmaßnahmen. „An dritter Stelle, nach der Bekämpfung des Klimawandels und der Anpassung an diesen, ist die Katastrophenhilfe,“ sagt Prof. Dr. Scheffran.

Um all diese Probleme anzugehen und Maßnahmen umsetzen zu können, müssten Klima-, Migrations- und Friedenspolitik zusammengedacht werden. Das empfehlen die 24 Expert*innen in ihrem Abschlussbericht. Prof Dr. Scheffran erklärt: „Es ist wichtig zu verhindern, dass die Klimakrise zum Treiber von Gewaltkonflikten wird, die weitere Fluchtbewegungen in Gang setzen. Hier spricht man von einem negativen Nexus der Probleme, die sich gegenseitig hochschaukeln können. Wir müssen zu einem positiven Nexus kommen, zu einer positiven Verbindungen der Problemlösungen.“ In der Politik gebe es viel Handlungspotenzial, stärker zusammenzuarbeiten und Integration auch in den Sektoren Klima, Wirtschaft und Sicherheit mitzudiskutieren. Das sei eine der großen Herausforderungen unserer zukünftigen Bundesregierung.

 

Mehr zum Thema Fluchtursachen bzw. Klimaflucht auch in unserer neuesten Folge des Multivitamin-Podcast: Klimaflucht – Wie erreichen wir Klimagerechtigkeit?

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Kategorie & Format
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Natalia ist in den Bereichen (Mode-)Journalismus und Medienkommunikation ausgebildet und hat einen Bachelor in Management und Kommunikation. Derzeit studiert sie Digitalen Journalismus im Master. Besonders gerne schreibt sie über (und mit!) Menschen, erzählt deren Lebensgeschichten und kommentiert gesellschaftliche Themen. Sie leitet die Redaktion und das Schreibtandem von kohero. „Ich arbeite bei kohero, weil ich es wichtig finde, dass die Geschichten von Geflüchteten erzählt werden – für mehr Toleranz und ein Miteinander auf Augenhöhe.“     (Bild: Tim Hoppe, HMS)

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