Wie hat „der Westen“ erstaunt den Arabischen Frühling bejubelt, die wehrhaften Reaktionen repressiver Regimes, mit denen er übrigens einträgliche Verbindungen unterhielten, nicht mit einkalkulierend. Eine Folge war der Flüchtlingsstrom mit seinen Tragödien und Verwicklungen.
Davon berichtet der Autor Omar Khir Alanam in seinem Buch „Feig, faul & frauenfeindlich – was an euren Vorurteilen stimmt und was nicht“, aus ganz subjektiver, auf Österreich bezogener Sicht. Auch eine Leser*innenschaft in Deutschland kann daraus viel mitnehmen.
Alanam ist selbst Damaszener, der sein Heimatland Syrien verließ, um nicht zu töten und nicht getötet zu werden. Er fand in Österreich eine neue Heimat, eine Frau und einen Sohn und schlug eine Laufbahn als Dichter und Schriftsteller ein. Nun versucht er in klaren und deutlichen Worten, diese zwei Welten miteinander zu verbinden und der Leser*innenschaft die orientalischen Hintergründe und die orientalische Seelenlandschaft nahe zu bringen.
Es heißt Gratwanderung:
Alanam behandelt Themen wie Freiheit und Liebe, Familie und Tradition, Selbstfindung und Verpflichtung, Mut und Feigheit, Scheinheiligkeit und Ehre, Sexismus, Integration und Religion, Arbeit und Geld, Geschichte und Politik.
Er nimmt Aspekte des muslimischen Glaubens ins Visier, die eng mit Traditionen verknüpft sind und betont die tiefen familiären Verbindungen. Diese machen es den Kindern oft unmöglich, ihren eigenen Weg in der sich ändernden Welt zu finden und mutig zu gehen. Sie werden gebunden durch Regeln und Pflichten und dem vielfältigen Begriff von Ehre.
Doch schon Khalil Gibran, ein libanesischer Schriftsteller und Philosoph wusste:
„Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und die Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. Sie kommen durch euch, aber nicht von euch. Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.“
Integration als Hürdenlauf
Omar Khir Alanam betont immer wieder, dass das neue Leben der Flüchtlinge in der „Schönen Neuen Welt“ wie ein Hürdenlauf sei. Man brauche Mut zur Veränderung, dürfe es sich nicht in der gebotenen sozialen Hängematte bequem machen und müsse Herausforderungen erkennen und annehmen. Nur so könne ein neues Leben, ein „integriertes Leben“ gelingen. Aber die sogenannte Integration wird oft nicht nur durch die Flüchtlinge selbst verhindert. Auch die staatlichen Stellen scheinen oft kein wirkliches Interesse daran zu haben: SIe kürzen oder streichen beispielsweise Deutschkurse. Dabei ist doch die Sprache das wichtigste Instrument für ein Miteinander. Für das Verständnis der Anderen, die in vielen Facetten so anders gar nicht sind. Denn auch sie sind nur Menschen, mit Stärken und mit Schwächen. Außerdem prangert Alanam an, dass viele Flüchtlinge jahrelang im Ungewissen leben müssen, nicht arbeiten dürfen, sich im bürokratischen Dschungel verlaufen.
Europäischer Islam und reflektierte Geschichtsvermittlung
Er poblematisiert auch die allgemeine Ablehnung des Islam. Seiner Ansicht nach müssten Initiativen entstehen, um die wachsende Politisierung des Islam zu stoppen. Alanam bricht eine Lanze für einen europäischen Islam, der Demokratie, Freiheit und Gleichheit beinhaltet. Er wundert sich, dass beispielsweise in Deutschland die Imame der größten sunnitisch-islamische Organisation (DITIB) aus der Türkei gesandte Beamte seien. Und bemängelt dunkle Hinterhof-Moscheen. Dort fänden radikale Kräfte eine ideale Brutstätte, die durch die wahabitische Glaubensauslegung der Saudis gefördert werden.
Er fordert zudem eine kritische und reflektierte Geschichtsvermittlung für Flüchtlinge. Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie sollen miteingeschlossen werden – ohne erhobenen Gutmenschenzeigefinger. Auch der Einfluss des Westens auf die Entstehung nahöstlicher Konflikte sein ein wichtiges Thema. Das Sykes-Picot-Abkommen zwischen Frankreich und England beispielsweise teilte Teile der zuvor osmanischen Gebiete nach dem Ersten Weltkrieg ohne Rücksicht auf Religionen und Ethnien unter den beiden Staaten auf. Und auch die Rolle, die Waffenlieferungen aktuell spielen, dürfe nicht vergessen werden.
Das Verbindende und das Trennende
Feig, faul & frauenfeindlich von Omar Khir Alanam ist eine komplexe Lektüre, und doch fast beschwingt geschrieben, die für Viele gewiss neuen Eck- und Wissenspunkte bietet. Die nicht nur die einen als Opfer und die anderen als Täter sieht. Die das Verbindende betont, aber auch das Trennende.