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„Wir wollen eine Brücke zwischen Syrien und Deutschland sein“ – wie der Verein Syrische Gemeinde Deutschland verbindet

Humanitäre Hilfe, politischer Dialog, gelebte Verantwortung: Die Syrische Gemeinde Deutschland ist die Stimme einer Generation mit zwei Heimaten – und baut Brücken zwischen Syrien und Deutschland.

Fotograf*in: privat / Syrische Gemeinde Deutschland

Im Herzen Frankfurts stellte sich am vergangenen Samstag die neu gegründete Syrische Gemeinde Deutschland vor. Was zunächst wie eine weitere Diaspora-Initiative wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ambitioniertes Projekt mit humanitärer, gesellschaftlicher und politischer Tragweite – initiiert von einer Generation mit zwei Heimaten.

„Wir wollten keine Parallelstruktur, sondern eine Brücke – zwischen dem Mutterland Syrien und dem Vaterland Deutschland, zwischen Herkunft und Ankunft, zwischen Schmerz und Hoffnung“, sagt Mitgründer Dr. Abdulhamid Al Jasem. Der Psychiater lebt seit 35 Jahren in Hessen und sieht die Gründung als Antwort auf ein wachsendes Bedürfnis: der größten syrischen Diaspora Europas eine koordinierte, strukturierte Stimme zu geben.

Seit der offiziellen Gründung im Januar engagieren sich Dutzende Akademiker*innen, Handwerker*innen, Studierende und Mediziner*innen syrischer Herkunft. Ihr Ziel: verbinden statt spalten, vermitteln statt polarisieren. „Wir machen keine Politik – wir bringen Menschen, Kulturen und Länder zusammen“, so Al Jasem.

Dass ihr Engagement Gehör findet, zeigt sich auch politisch: In den vergangenen Monaten kam es zu mehreren Gesprächen mit dem Auswärtigen Amt – sogar mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Im Fokus: die humanitären Folgen der EU-Sanktionen gegen Syrien. Al Jasem kritisiert: „Diese Sanktionen beruhen auf überholten Grundlagen – und dürfen nicht länger stillschweigend hingenommen werden.“

Der Psychiater und Mitgründer Dr. Abdulhamid Al Jasem spricht in der Konferenz über die Zukunft Syriens.

Initiative „Shifa“ – eine helfende Hand für Kranke

Besonders eindrucksvoll ist das medizinische Engagement des Vereins. Die Kampagne „Shifa“ (auf Deutsch: Heilung) mobilisierte mehr als 100 Ärzte*innen aus Deutschland, die sich ehrenamtlich für eine kostenlose medizinische Versorgung in Syrien engagierten – trotz logistischer und rechtlicher Hürden.

Möglich wurde das Projekt durch die enge Zusammenarbeit mit der deutschen Hilfsorganisation Malteser International, mit der syrischen Organisationen in Deutschland sowie mit lokalen Strukturen des syrischen Gesundheitswesens. Trotz massiver Hürden durch Sanktionen – etwa beim Kauf von Ausrüstung oder der Überweisung von Geldern – konnten Tausende Menschen versorgt werden, vor allem in ländlichen Regionen.

„Wir haben komplexe Operationen durchgeführt, darunter die Entfernung von Hirntumoren“, berichtet Al Jasem. Die größte Herausforderung: Stromausfälle während der Operationen. Ein Problem, das der Verein auch deutschen Politiker*innen geschildert hat – denn Sanktionen gegen den syrischen Energiesektor behindern solche lebensrettenden Einsätze massiv.

Projekte für den Wiederaufbau

Neben humanitärer Hilfe plant der Verein wirtschaftliche Kooperationen – etwa im Energiesektor in Zusammenarbeit mit Unternehmen wie Siemens. Sie wollen nachhaltige Investitionen möglich machen. „Wir suchen nicht nach politischer Partnerschaft zwischen Syrien und Deutschland, sondern nach Inverstoren mit Verantwortung und nach Mehrwert für beide Seiten“, erklärt Al Jasem.

Ein besonders zukunftsweisendes Projekt widmet sich dem Thema Recht und Gerechtigkeit. Gemeinsam mit deutschen und syrischen Jurist*innen sowie Menschenrechtsorganisationen entwickelt die syrische Gemeinschaft Ideen für eine funktionierende Übergangsjustiz. Die Vision: Aus den Erfahrungen Europas lernen, um einen gerechten Weg für Aufarbeitung und Versöhnung in Syrien zu gestalten.

Parallel dazu entsteht derzeit eine digitale Datenbank syrischer Fachkräfte in Deutschland mit dem Ziel, ihr Wissen gezielt in den Wiederaufbau Syriens einzubringen: in Medizin, Bildung, Technik und Verwaltung.

Zum Abschluss richtet Dr. Al Jasem zwei Appelle an die Regierungen beider Länder. An Damaskus: „Wir reichen die Hand, die Möglichkeiten und alles, was wir haben. Wir haben das Wissen und die Energie, um Syrien zu helfen. Nutzt die Kräfte in Deutschland für den Wiederaufbau“.

Und an Berlin: „Seht die Syrer*innen nicht als Opfer. Wir sind Partner. Investitiert in Syrien und investiert in Stabilität und eine gemeinsame Zukunft“.

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