Als Afghanin war das Gesundheitssystem für mich in Deutschland neu und anders. Denn als ich in Deutschland angekommen bin, wurden mir alle notwendigen Impfungen vorgeschrieben, und ich wurde darüber informiert, dass ich eine Versicherungskarte bekommen werde, mit der ich Ärzte besuchen kann. Neu für mich war, dass man für Arztbesuche hier in Deutschland manchmal Monate vorher einen Termin vereinbaren muss und es nur einige Allgemeinmediziner*innen gibt, die man ohne Termin besuchen kann.
Aber wenn was Schlimmes oder Dringendes ansteht, kann man notfalls ins Krankenhaus gehen, was ich sehr schätze. Ich habe einige Monate in einem Krankenhaus gearbeitet. Ich habe viel in dieser Zeit gelernt.
Gesundheit als Menschenrecht
Diskriminiert bin ich nicht worden. Oder zumindest bin ich mir nicht sicher, ob ich das als Diskriminierung ansehe oder nicht. Als ich krank war und mein Hausarzt nicht verfügbar war, rief ich einen anderen Arzt an und fragte, ob ich zu ihm kommen könne. Der Assistent sagte mir jedoch, dass sie keine neuen Patient*innen annehmen. Da ich nicht in der Nähe der Praxis wohne, könne er mich nicht aufnehmen oder mir etwas verschreiben. Für mich ist der Zugang zur Gesundheit ein grundlegendes Menschenrecht für jeden. Für Ärzte muss es ihre Hauptverantwortung sein, einen Patienten zu behandeln, egal wie schlimm der Fall ist.
Übernahme durch die Taliban hat Folgen für Gesundheit
In Afghanistan hat niemand eine Krankenversicherung. Wenn man medizinische Hilfe benötigt, geht man direkt zum Arzt, und nach der Behandlung oder vor der Behandlung bezahlt man den Arzt für die Untersuchung.
Aktuell ist die medizinische Grundversorgung stark bedroht, weil die finanzielle Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft seit der Übernahme der Taliban zurückgegangen ist. Das Gesundheitssystem ist insofern völlig zerstört, dass die meisten Ärzte und Spezialisten aus dem Land geflohen sind.
Die alltäglichen Einschränkungen für Frauen, die im Gesundheitssektor arbeiten, werden immer größer: Im letzten Jahr durften Mädchen bei der Aufnahmeprüfung an der Universität nicht in den Fachbereich Gesundheit aufgenommen werden und Teilnehmerinnen hatten nicht das Recht, ihre Studienfächer zu wählen. Die meisten Hebammen haben ihre Arbeit aufgegeben, weil es an Gesundheitseinrichtungen, Wasser und Notfallausrüstung fehlt oder sie ihr Gehalt nicht erhalten.
Fehlende Zugänge für Frauen und Kinder
Auch der Zugang zu medizinischen Versorgungen ist für Frauen stark eingeschränkt. Frauen mit gesundheitlichen Problemen können nicht ohne eine männliche Begleitung einen männlichen Arzt aufsuchen. Lebensrettende Impfungen für Kinder und Frauen fehlen, und in den meisten Provinzen hat die Regierung bestimmte Tage festgelegt, an denen dann jeweils nur weibliche und männliche Patient*innen kommen können, was eine Versorgung im Notfall erschwert.
Dabei hat sich das Gesundheitssystem in den letzten 20 Jahren rasant entwickelt. Auch in weit entfernten Bezirken und Provinzen hatten die Menschen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, die Lebenserwartung stieg, die Zahl der neugeborenen Kinder ging zurück. Doch die Errungenschaften der 20-jährigen harten Arbeit scheinen heute verloren. Es sind dringend internationale Geber benötigt, die dafür Lösungen finden – das fordert auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Mehr zu unserem Fokusthema Gesundheit erfahrt ihr im zu.flucht-Podcast, im Online-Magazin und hier in unserem zu.flucht-Newsletter!
Bildquellen
- martha-dominguez-de-gouveia-KF-h9HMxRKg-unsplash: Martha Dominguez on unsplash